Auf Regierungskurs

Deutsche Grüne: "Wenn wir uns nicht komplett dämlich anstellen ..."

Grünen-Chef Robert Habeck und Parteivorsitzende Annalena Baerbock.
Grünen-Chef Robert Habeck und Parteivorsitzende Annalena Baerbock.(c) Imago
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Die Grünen gehen fest von einer künftigen Regierungsbeteiligung aus. Parteichef Habeck warnt allerdings vor „vier anstrengenden Jahren“. Die Mitglieder der Partei sollen jedenfalls über einen Koalitionsvertrag abstimmen.

Vor ersten Gesprächen mit der SPD gehen die Grünen fest von einer künftigen Regierungsbeteiligung aus. "Wenn wir uns nicht komplett dämlich anstellen, werden wir in den nächsten vier Jahren diese Regierung nicht nur mittragen, sondern maßgeblich mitbestimmen", sagte Grünen-Chef Robert Habeck am Samstag auf einem Kleinen Parteitag der Grünen in Berlin. Er stellte seine Partei auf "vier anstrengende Jahre" ein.

Es gehe nun um die Bildung einer Regierung, "die danach das Land zu einem anderen gemacht haben wird", sagte Habeck. Deutschland müsse wieder "auf der Höhe der Verhältnisse und der Probleme der Gegenwart" agieren. Er warnte seine Parteikollegen allerdings auch: "Ab jetzt, ab Weihnachten vielleicht, ist jede Krise unsere Krise, ist jede Herausforderung unsere Herausforderung."

Habeck räumte allerdings ein, die Arbeit in einer künftigen Regierung werde nicht ohne Debatten, Zumutungen und Anstrengungen vonstatten gehen. Auch die Parteivorsitzende Annalena Baerbock warnte: "Das Ganze ist komplex. Eine Dreier-Konstellation hat es in diesem Land noch nicht gegeben."

Standing Ovations für Baerbock

Eine auch kritische Bilanz des Grünen-Wahlkampfs zog erneut Bundesgeschäftsführer Michael Kellner. "Es war nicht der Wahlkampf, den ich geführt haben wollte", sagte Kellner. Die Analyse solle mit externer Hilfe geschehen, auch eine Mitgliederbefragung sei geplant. Nach einem "fulminanten Start" sei es nicht gelungen, das Momentum zu halten. "14,8 Prozent ist zwar ein Rekord für uns, aber es war mehr drin", sagte Kellner, der auch Wahlkampfmanager der Grünen war. In den Umfragen schnitten die Grünen lange deutlich besser ab, längere Zeit pendelten sie um die 20 Prozent.

Grünen-Chefin Baerbock wurde gleichwohl mit stehenden Ovationen empfangen. Der langjährige Grünen-Politiker Jürgen Trittin stärkte ihr ausdrücklich den Rücken und sprach von einer "durchgehend frauenfeindlichen Kampagne" gegen sie. Baerbock habe wichtige öffentliche Auftritte dennoch souverän absolviert. "Du hast unseren Anspruch, diese Gesellschaft zu verändern, auch um den Preis der Diffamierung deiner Person durchgestanden."

Sollten die Sondierungsgespräche mit einer Empfehlung für Koalitionsverhandlungen abgeschlossen werden, wird bei den Grünen ein Kleiner oder Großer Parteitag darüber entscheiden. Kellner empfahl, bei der von den Grünen favorisierten Ampel-Koalition einen Kleinen Parteitag entscheiden zu lassen.

Partei will über Koalitionsvertrag abstimmen

Die Grundlage für eine mögliche Regierungsbeteiligung, den angestrebten Koalitionsvertrag, will sich die Partei von ihren rund 120.000 Mitgliedern billigen lassen. Das kann nach Angaben von Bundesgeschäftsführer Kellner, wenn es soweit ist, in weniger als zwei Wochen geschehen. Auch über ihre personelle Aufstellung in einer neuen Bundesregierung sollen die Mitglieder entscheiden. Einen entsprechenden Antrag des Parteivorstands beschlossen die etwa 100 Delegierten bei nur einer Enthaltung. Es wäre das erste Mal in der Geschichte der Grünen, dass es eine Urabstimmung über einen Koalitionsvertrag auf Bundesebene gibt.

Der beschlossene Leitantrag beinhaltet auch die personelle Aufstellung der Grünen für die anstehenden Sondierungsgespräche. Ein zehnköpfiges Team unter Führung der Parteivorsitzenden Baerbock und Habeck soll mit SPD, Union und FDP die beiden Koalitionsoptionen ausloten.

Bislang haben die Grünen mit der FDP sogenannte Vorsondierungen geführt. Am Sonntag steht erstmals auch ein Gespräch mit der SPD an, am Dienstag mit der Union. Auch die FDP beginnt am Wochenende mit Treffen mit den beiden potenziellen größten Partnern in einer Dreierkoalition. Die Grünen streben eine Koalition mit SPD und FDP an, schließen aber auch ein Bündnis mit Union und FDP nicht aus.

SPD dringt auf Tempo

Die SPD dringt indes aufs Tempo: Scholz will möglichst schnell in konkrete Verhandlungen über die Bildung einer Ampel-Koalition mit Grünen und FDP einsteigen. Die Parteispitze will schon am Sonntag für jeweils etwa zwei Stunden zu ersten Beratungen mit FDP und Grünen über eine Regierungsbildung nach der Bundestagswahl zusammenkommen. Vorgesehen ist zunächst das Treffen mit der FDP um 15.30 Uhr und dann mit den Grünen um 18 Uhr in einem Büro- und Konferenzgebäude in Berlin, wie die SPD am Samstag mitteilte.

(APA/AFP/dpa/Reuters)

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