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Mitreden beim Thema Anstand: Was erwarten Sie sich von der Politik?

Was sagen die veröffentlichten Chatnachrichten über den Zustand der österreichischen Politik aus? Diskutieren Sie mit!

Kolumnistin Anneliese Rohrer erinnert in ihrem aktuellen Beitrag an eine Szene aus dem ORF-Sommergespräch. Der am Wochenende zurückgetretene Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sagte damals: „Ich wollte eigentlich immer etwas Anständiges machen und nicht in die Politik gehen.“ „Anständiges?“, fragte Lou Lorenz-Dittlbacher verblüfft nach. Rohrer: „Ob Kurz in dem Moment sein verbaler Fauxpas bewusst geworden ist oder nicht, war nicht erkenntlich. Er wischte den Einwand mit einem 'Na ja' beiseite."

Das Wort Anstand ist in den vergangenen turbulenten Tagen oft gefallen. Nach dem Auftauchen neuer Chatnachrichten geht es nämlich abgesehen von der strafrechtlichen Relevanz auch um die politische Kultur in Österreich. Der stellvertretende Chefredakteur der „Presse“, Florian Asamer, schreibt dazu in einem Leitartikel, die Unschuldvermutung sei keine politische Kategorie: „Die politische Eignung für höchste Staatsämter kann nicht am gesellschaftlich gerade noch akzeptierten Minimum bemessen werden“.

Viele, auch ÖVP-Chef Kurz selbst, wiesen in der Causa darauf hin, dass jeder Mensch, der Gefühle habe, einmal ausfällig werden könne.Kolumnistin Rohrer hält dagegen und meint, ein Politiker sei eben nicht irgendjemand, sondern jemand, der große Macht im Land habe. Daher müssten hier auch andere Maßstäbe gelten. Mehr dazu hören Sie im „Presse"-Podcast, in dem Rohrer scharfe Kritik übt.

Irritierend findet auch TV-Kritikerin Rosa Schmidt-Vierthaler die Verteidigungslinie mancher ÖVPler, konkret die Aussagen von Bernhard Görg am Sonntagabend in der ORF-Diskussionssendung „Im Zentrum": Man müsse in der Politik eben mit allen Mitteln kämpfen, um Erfolg zu haben, und das habe Kurz wegen seines „starken Drangs zum Tor“ halt getan, sagte Görg. Aber was ist mit Vertrauen und Vorbildwirkung? Sind die nicht ebenso wichtig?

Schriftsteller Egyd Gstättner philosophiert dagegen in einem Gastkommentar über das Schimpfwort „Arsch“. So hat Kurz in den Chat-Nachrichten seinen Vorgänger Reinhold Mitterlehner genannt. Wer würde dieses „unfassbare“ Wort schon in den Mund nehmen, fragt Gstättner - freilich nicht ohne Ironie: „Bekanntlich empört man sich über Politiker immer dann am heftigsten, wenn sich wieder einmal herausstellt, dass diese Ä...e (Selbstzensur) auch nicht anders sind als die einfachen Leute. Ab sofort heißt es jetzt: Ans Wohl Österreichs denken! Und: Der enorme Schaden im Ausland!"

Querschreiberin Andrea Schurian nimmt indes eine Einschätzung vom Juni zurück. Damals hat sie noch geschrieben „halb lustige oder despektierliche“ Nachrichten schreibe nun einmal fast jeder einmal. Heute schreibt Schurian: „Dieses Fehlurteil muss ich revidieren, seit immer mehr aus Allmachtsfantasien, aufgeplusterter Hybris, Gier, grenzenloser Dumm- und Unverfrorenheit zusammengepanschte Unterhaltungen von Schmid und anderen Schmidln durch Informationslöchlein im WKStA-Ermittlungsbericht an die Öffentlichkeit sickern."

Apropos Öffentlichkeit: Gottfried Schellmann meint in einem Gastkommentar unter anderem, „irgendetwas hat es im System, wenn alles aus Ermittlungsakten öffentlich wird." Der „Hängt ihn höher“-Fraktion werde so ein breiter Raum gegeben wird. Der Schutz der Privatsphäre nach Art 8 MRK sei so nicht gewährleistet, auch ein faires Verfahren würde so unwahrscheinlicher.

(sk)

Diskutieren Sie mit: Was sagen die veröffentlichten Chatnachrichten über den Zustand der österreichischen Politik aus? Was erwarten Sie sich von einem „anständigen“ Politiker, einer anständigen Politikerin? Wie ist es um die Moral bei Österreichs Volksvertretern bestellt? 

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