Katastrophale Umfragewerte zwangen Angela Merkel, sich neu zu erfinden.
Die Frau sieht aus wie Angela Merkel. Auch ihre Stimme kommt dem Sound der Kanzlerin zum Verwechseln nahe. Doch es muss eine Doppelgängerin sein: Denn die nun so meinungsstark und entschlossen auftretende Frau hat mit der zaudernden Harmoniekanzlerin, die die Deutschen fünf Jahre erlebt haben, wenig zu tun. Sie stellt sich so klar wie riskant hinter das umstrittene Projekt „Stuttgart 21“, erklärt Multikulti für „absolut gescheitert“ und muntert ihr CDU-Fußvolk mit kämpferischer Rhetorik auf. Die Koalitionspartner werden im besseren Fall zurechtgewiesen (CSU-Chef Seehofer bei Rente mit 67) oder gleich ignoriert (die FDP beim Euro-Stabilitätspakt). So viel basta war nie.
Und so viel Katzenjammer: Nach einem Jahr konsequenten Ehekrachs in der schwarz-gelben „Wunschkoalition“ steht die Regierung im Umfragetief und Merkel mit dem Rücken zur Wand. In Gesellschaft von Seehofer und FDP-Chef Guido Westerwelle. Dass für Merkel und Seehofer mit dem telegenen Karl-Theodor zu Guttenberg derselbe „Königsmörder“ genannt wird, macht die Lage immerhin übersichtlich.
Merkels Schicksal hängt maßgeblich von der Landtagswahl in Baden-Württemberg ab: Denn wenn ihr nach dem Machtverlust in Nordrhein-Westfalen auch noch die von Merkel beschworene „schwäbische Hausfrau“ den Rücken kehrt, wird das für ihre internen Gegner das Signal zum Aufstand sein.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2010)