EU-Stabilitätspakt: Kritik an deutsch-französischer Keule

Frances President Nicolas Sarkozy welcomes German Chancellor Angela Merkel in Deauvilles President Nicolas Sarkozy welcomes German Chancellor Angela Merkel in Deauville
Frances President Nicolas Sarkozy welcomes German Chancellor Angela Merkel in Deauvilles President Nicolas Sarkozy welcomes German Chancellor Angela Merkel in Deauville(c) Reuters (Philippe Wojazer)
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Deutschland und Frankreich wollen Staaten, die gegen Defizit- und Schuldengrenzen verstoßen, das Stimmrecht in der EU entziehen. Das stößt auf Kritik: "Der eurpäische Geist funktioniert nicht mit einem Zweitaktmotor".

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn hat den in Deauville ausgehandelten deutsch-französischen Kompromiss zur Reform des EU-Stabilitätspaktes scharf kritisiert. Im Deutschlandfunk sagte er am Montag, Deauville habe "die ganze Sache schon etwas vergiftet". Deutschland und Frankreich hatten sich am vergangenen Montag am Rande des französisch-deutsch-russischen Gipfeltreffens in Deauville darauf geeinigt, das sogenannte "Bail-out"-Verbot abzuschaffen, das die gegenseitige Übernahme von Staatsschulden durch die Länder der Eurozone untersagt. Dafür soll ein geregeltes Verfahren der Staatsinsolvenz für Euroländer geschaffen werden, die zahlungsunfähig werden.

Rückfall ins 19. Jahrhundert

"Wenn man mit dieser Keule vorgeht, dann sind alle Länder, die Probleme haben, sehr stark unter Druck." Ein Stimmrechtsentzug sei ein Rückfall ins 19. Jahrhundert. Staaten würden gestraft und erniedrigt. "Der europäische Geist funktioniert nicht mit einem Zweitaktmotor", sagte Asselborn.

Vier Tage vor dem EU-Gipfel wird also weiter heftig um die Verschärfung des Stabilitätspaktes und um mögliche Strafen für Defizitsünder gestritten. Bei einem Treffen der Außenminister zeichnete sich am Sonntagabend in Luxemburg keine Kompromisslinie ab. Widerstand formierte sich vor allem gegen die von Berlin und Paris geforderte Änderung des EU-Vertrages. Mit der Vertragsänderung wollen Deutschland und Frankreich Staaten, die gegen die Defizit- oder Schuldengrenzen des Stabilitätspaktes verstoßen, das Stimmrecht in der EU zeitweilig entziehen.

Paris und Berlin wollen Änderung des EU-Vertrages

Indes betonte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle vor Beratungen der EU-Außenminister am Montag in Luxemburg: "Wenn jemand seine Pflichten nicht erfüllt, ist es auch nicht fair, dass er weiter seine Rechte wahrnimmt. Rechte und Pflichten gehören zusammen."

"Wir vertreten hier einen Kurs der soliden Wirtschaft und Finanzen, nicht weil wir Europa kritisch sehen, sondern ganz im Gegenteil: Wer Europa stärken will, wer Europa schützen will, der muss jetzt die Regeln ändern. Wenn uns noch mal passieren würde, was früher bei Griechenland passiert ist, dann kommt Europa aber ganz nah an den Abgrund. Das ist es, was es zu verhindern gilt", betonte Westerwelle. Es sei entscheidend, dass die EU jetzt die Konsequenzen aus der Wirtschafts- und Finanzkrise im Frühjahr ziehe. "Wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, weil im Augenblick der Druck auf den Märkten etwas nachgelassen hat."

"Auch private Banken an Krisenbewältigung beteiligen"

Westerwelle verwies darauf, dass der bestehende Euro-Rettungsschirm im Umfang von 750 Milliarden Euro im Jahr 2013 ausläuft. "Einen neuen Krisenmechanismus kann es nur geben, wenn auch dann die Konsequenzen gezogen werden, das heißt wenn zum Beispiel auch private Banken, die hoch spekuliert haben mit an der Krisenbewältigung beteiligt werden."

Die Sanktionen, die die EU heute gegenüber Defizitsündern habe, schienen augenscheinlich nicht auszureichen, sagte Westerwelle. "Wir haben 22 mal erlebt, dass Defizitverfahren eingeleitet worden sind und es hat nicht ein einziges Mal ein wirkliches Ergebnis, also Sanktionen gegeben." Deshalb müssten die Sanktionen der politischen Einflussnahme entzogen werden.

"Das wird nicht einfach"

Deutschlands Wirtschaftsminister Rainer Brüderle sagte mit Blick auf angestrebte Vertragsänderungen der "Bild"-Zeitung (Montag): "Das wird nicht einfach." Mitgliedstaaten sollten bei gravierendem Fehlverhalten aber die Stimmrechte entzogen werden. "Wir werden hier noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen", sagte Brüderle. Umso wichtiger sei es, dass Frankreich dafür gewonnen worden sei. Trotz der Meinungsunterschiede zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Westerwelle sieht Brüderle die Koalitionsspitze intakt.

(Ag.)

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