Volkswagen-Chef Diess intern in der Kritik

VW-Chef Herbert Diess im ID.3
VW-Chef Herbert Diess im ID.3REUTERS
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VW-Boss Herbert Diess gerät intern immer mehr ins Feuer der Kritik. Der Betriebsrat meint: „Diess hat die VW-Kultur nicht verstanden“

"Ein Trainer, der keinen Zugang zur Mannschaft hat, verliert das Spiel auf dem Platz" - wenn man sich an der von IG-Metall-Chef Jörg Hofmann gewählten Fußballsprache orientiert, muss sich Volkswagen-Chef Herbert Diess ernsthaft Sorgen um seinen Job machen. Wieder einmal ist der Streit zwischen Management und Arbeitnehmervertretern darüber, wie Europas größter Autobauer die Transformation zur Elektromobilität schaffen soll, offen ausgebrochen.

In anderen Unternehmen wäre das kein Grund für einen Bruch. In Wolfsburg aber ticken die Uhren anders. Das habe Diess nicht verstanden, findet der Betriebsrat. Auch diesmal wird hinter den Kulissen intensiv nach einer Lösung gesucht, wie eine mit den Gesprächen vertraute Person sagte. Die Chancen auf einen erneuten Burgfrieden seien diesmal aber nicht allzu groß.

Mächtiger Betriebsrat

Der Betriebsrat ist bei Volkswagen traditionell mächtig. Wegen der Nazi-Vergangenheit des Konzerns ist die Sozialpartnerschaft mit den Arbeitnehmern besonders ausgeprägt, das Thema Mitbestimmung wird besonders ernst genommen. Das sei Diess schon lange ein Dorn im Auge, er wolle das auch gar nicht verstehen, sagen Kritiker. Auf der Betriebsversammlung machte der Vorstandschef erneut klar, dass sich Volkswagen grundlegend ändern müsse, um im beinharten Wettbewerb mit Tesla und aufstrebenden Start-ups in der Elektromobilität bestehen zu können. Von seinem Kurs rückte er nicht ab. Gegen die Gewerkschaft hat sich noch kein Vorstandschef bei Volkswagen in dieser Form gestellt. Dabei geht es den Arbeitnehmervertretern gar nicht darum, den Wandel aufzuhalten. "Wir wissen, dass wir ihn brauchen, um die Arbeitsplätze zu sichern. Aber eins muss klar sein: Den Wandel gibt es nur mit VW-Kultur", sagte Betriebsratschefin Daniela Cavallo.

Nun ist die Macht der Gewerkschaft in Wolfsburg nicht alles. Die Politik redet ebenfalls mit, in Gestalt des Landes Niedersachsen als zweitgrößter Großaktionär. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sitzt im VW-Aufsichtsrat, zusammen mit Bernd Althusmann vom Koalitionspartner CDU. Für die Zukunft von Diess ist auch entscheidend, ob Niedersachsen aus der Kapitalseite ausschert und sich offen gegen den Vorstandschef stellt. Denn zusammen kommen Arbeitnehmer und das Land auf zwölf der 20 Stimmen im paritätisch besetzten Aufsichtsrat. Weil ließ auf der Betriebsversammlung erkennen, dass er nicht mehr uneingeschränkt zu Diess steht: "Die Verunsicherung, die überall um sich greift - in der Öffentlichkeit, bei den Kunden, auf den Märkten, hier im Werk selber bei den Beschäftigten - diese Verunsicherung muss ein Ende haben", sagte er auf der Betriebsversammlung. Im Konzernumfeld hieß es, Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch werde intensive Gespräche führen, um zu vermitteln.

Bangen um den Job

In den vergangenen eineinhalb Jahren musste Diess schon mehrfach um seinen Job bangen. Bisher hat er sich im Sattel gehalten. Nun ist die Lage für Diess womöglich riskanter: Mehrere Insider sagten, die Nerven bei der IG Metall lägen wegen der im kommenden Jahr bevorstehenden Betriebsratswahl blank. Die bisher dominierende Gewerkschaft müsse Stimmverluste befürchten, weil eine ernstzunehmende Konkurrenzliste antreten wolle. In Niedersachsen wird im nächsten Oktober außerdem ein neuer Landtag gewählt. Da kann die arbeitnehmernahe SPD keine Diskussion über massenweise Stellenstreichungen beim größten Arbeitgeber des Landes gebrauchen.

Unterstützung für Diess kommt vom Hauptaktionär: Die Porsche SE, über die die Familieneigner gut 53 Prozent an Volkswagen halten, versicherte Diess ihren Rückhalt. "Die Familien Porsche und Piech stehen weiterhin hinter Herrn Diess. An ihrer Position hat sich nichts geändert", sagte ein Sprecher. Das Emirat Katar hält 17 Prozent an VW und orientiert sich bei seinem Stimmverhalten oft an den Familien.

Nun soll sich Insidern zufolge der Vermittlungsausschuss mit der Zukunft von Diess als Konzernchef befassen. In dem Gremium, dass nur dann zusammentritt, wenn Auseinandersetzungen zwischen Arbeitnehmer- und Kapitalseite im Aufsichtsrat nicht gekittet werden können, sitzen Weil, Hofmann, Cavallo und Pötsch. Es soll ein neuer Versuch unternommen werden, um den Streit zu schlichten. Es werde aber auch bereits über einen Nachfolger diskutiert, sagte ein Eingeweihter.

(APA/Reuters)

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