Geldpolitik

EZB könnte Anleihenkäufe 2022 komplett einstellen

Die EZB-Zentrale in Frankfurt
Die EZB-Zentrale in Frankfurt(c) imago images/Hannelore F�rster (Hannelore Foerster via www.imago-images.de)
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Die Europäische Zentralbank wird im Dezember entscheiden, wie es mit den Corona-Kaufprogrammen weitergeht.

Die Europäische Zentralbank (EZB) könnte ihre Wertpapierkäufe im nächsten Jahr komplett einstellen. Dies stellte Ratsmitglied Robert Holzmann, Chef der heimischen Nationalbank, in Aussicht. Sollte die Inflation nachhaltig dem EZB-Ziel entsprechen, könnten die Käufe im Herbst oder gegen Ende 2022 beendet werden, sagte Holzmann am späten Mittwochabend in London.

Holzmann bezog seine Äußerung nicht nur auf das 1,85 Billionen Euro schwere Corona-Kaufprogramm Pepp, das nach derzeitigen Planungen bis mindestens Ende März 2022 laufen soll, sondern auch auf das allgemeine Wertpapierkaufprogramm APP.

In der EZB gibt es derzeit Überlegungen, ob ein Teil des möglicherweise nicht benötigten Volumens oder einige Eigenschaften von Pepp nach dessen Ende auf APP übertragen werden. Holzmann lehnt derartige Überlegungen ab. Er gilt als ein Verfechter einer straffen Geldpolitik, die im EZB-Rat aktuell nicht mehrheitsfähig ist.

Derzeit liegt die Inflation im Euroraum klar über dem mittelfristigen EZB-Ziel von zwei Prozent. Die Notenbank sieht die Teuerung aber durch Pandemie-Sondereffekte getrieben und rechnet mit einem Rückgang im Laufe des kommenden Jahres. Im Dezember will die EZB über den Fortgang von Pepp entscheiden. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat bereits angedeutet, dass das Programm Ende März beendet werden könnte. Über den Fortgang von APP, mit dem die EZB jeden Monat für etwa 20 Milliarden Euro Wertpapiere wie Staatsanleihen erwirbt, ist bisher nicht entschieden worden.

Inflation sinkt erst 2023, 2024

Der Wegfall der Bedingung und damit das Ende des Programms könnte also – je nach Inflationsentwicklung – „im September oder Ende des Jahres kommen“, sagte Holzmann bei der Veranstaltung in London. Holzmann meinte, dass er „nicht viel Geld darauf wetten (würde), dass die Inflation Ende 2022 unter zwei Prozent liegen wird“. Modelle deuten darauf hin, dass die Teuerung 2023 oder 2024 unter dieses Niveau sinken werde, fügte er hinzu.

Holzmann sprach sich gegen Änderungen am konventionellen Anleihekaufprogramm aus und auch gegen eine weitere Runde von gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäften mit dem Ziel, die Banken zur verstärkten Kreditvergabe an die Realwirtschaft zu bringen.

„Die uns vorliegenden Datenanalysen zeigen, dass die zusätzlichen Kreditvergabeeffekte sehr gering waren“, so Holzmann. „Ich sehe keinen Grund für eine weitere Runde – der wirtschaftliche Effekt ist gering.“

In fünf Wochen entscheidet die EZB über den weiteren geldpolitischen Kurs für die Zeit nach der Pandemie. Holzmann ist im EZB-Rat freilich weniger einflussreich als sein deutscher Kollege Jens Weidmann oder der Holländer Klaas Knot. Knot, Präsident der niederländischen Notenbank, mahnte erst kürzlich angesichts der Inflationsrisken zu Flexibilität nach Auslaufen des geldpolitischen Krisenmodus. „Wir können uns nicht auf lang andauernde bedingungslose Verpflichtungen einlassen, die dann letztlich nicht mehr damit vereinbar sind, wie sich der Inflationsausblick entwickelt“, meinte er bei einer Diskussion Anfang November.

Sorge vor starkem Lohndruck

Die EZB treibt die Sorge um, dass die aus der Coronakrise entstandenen Engpässe die Inflation stärker anheizen könnten als erwartet. Mangel gibt es derzeit etwa bei Halbleitern, die in vielen Produkten zum Einsatz kommen. Aber auch bei Stahl, Kunststoff und Holz hakt es. Die Verbraucher bekommen die Materialengpässe zusehends zu spüren. Laut EZB-Experten könnte der Preisdruck zunehmen, falls der Mangel dazu führte, dass Lohnzuwächse in den einzelnen Euro-Mitgliedsländern stärker als erwartet ausfielen.

(red./ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2021)

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