Digital Factorys

Brücke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft

An den digitalen Fabriken wird auch der Einsatz von Robotern untersucht, die Roboter herstellen können.
An den digitalen Fabriken wird auch der Einsatz von Robotern untersucht, die Roboter herstellen können. [ Technikum Wien/Baumgartner]
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Digital Factorys und Pilotfabriken, die an FH und Universitäten angekoppelt sind, unterstützen Firmen dabei, die digitale Produktion an echten Maschinen und im Verlauf echter Produktionsketten auszuprobieren.

Österreichs Industriebetriebe treiben die digitale Transformation voran. Das geht aus dem Industriepanel „Made in Austria: Produktionsarbeit in Österreich“ der TU Wien und der FH Wien der Wirtschaftskammer Wien hervor, für das jedes Jahr über 100 Führungskräfte produzierender Unternehmen befragt werden. So setzen mittlerweile fast 90 Prozent der Befragten auf digitale Assistenzsysteme. Darüber hinaus steigt der Automatisierungsgrad beim Einsatz von Robotiksystemen: So sind in den Produktionsstätten immer öfter kollaborationsfähige Roboter – sogenannte Cobots – zu finden.

Die meisten Betriebe betreten im Zuge der Digitalisierung und Vernetzung Neuland. Entsprechend groß sind die Herausforderungen – etwa dann, wenn es um die Frage geht, wie beispielsweise Herstellungsabläufe verändert oder Systeme integriert werden können. Dies bei laufender Produktion zu tun ist in der Regel keine Alternative, die Produktion dafür stillzulegen, ebenfalls nicht.

Digitale Zwillinge

Genau da kommen heimische Fachhochschulen und Universitäten ins Spiel: In ihren Digital Factorys und Pilotfabriken können heimische Unternehmen die digitale Produktion an echten Maschinen und im Verlauf echter Produktionsketten ausprobieren, die gleichzeitig als „digital twin“ simuliert werden. Ab Jänner 2022 ist dies etwa an der Digital Factory Vorarlberg (DFV), einem Joint Venture des AIT Austrian Institute of Technology und der FH Vorarlberg (FHV), möglich. „Es geht darum, Unternehmen bei der Digitalisierung bestmöglich zu unterstützen“, sagt Heinz Seyringer, Leiter der DFV GmbH. Die Forschungsschwerpunkte der DFV, an der Studierende für Masterarbeiten tätig werden können, liegen in cloudbasierten Fertigungssystemen, Data Science und künstlicher Intelligenz, Funktechnologien sowie Cyber-Security. So ist etwa der Aufbau einer sogenannten Cyber-Range zur Entwicklung und Überprüfung von IT-Sicherheitssystemen für Vorarlberger Betriebe geplant. „Damit können unter anderem Cyber-Angriffe auf Firmennetzwerke simuliert und Mitarbeitende in Erkennung und Abwehr geschult werden“, sagt Seyringer.

Bereits seit April 2016 ist eine Forschungsfabrik an der FH Technikum Wien in Betrieb. Anhand modernster Technologien und Robotersystemen werden in der Forschungs- und Lehreinrichtung Beispielprodukte zur Veranschaulichung von Industrie-4.0-Konzepten hergestellt. „Ein Schwerpunkt liegt darin, den Einsatz verschiedener Industrierobotersysteme für repetetive Arbeiten zu erforschen“, beschreibt Erich Markl, Leiter der Fakultät Industrial Engineering.

Ebenfalls untersucht wird der Einsatz von Robotersystemen in der Fertigung, wobei auch die Mensch-Mitarbeiter-Kollaboration beleuchtet wird. „In den vergangenen Jahren haben wir begonnen, quasi symbolisch zu produzieren“, sagt Markl – und zwar ein miniaturisiertes Robotersystem. „Somit werden Roboter von Robotern hergestellt“, sagt Markl.

Auch an der FH Campus Wels gibt es im Rahmen des Center for Smart Manufacturing eine Forschungsfabrik. Ihre Schwerpunkte liegen ebenfalls auf Robotersystemen mit kollaborativen Robotern, Robotertransfersystemen und digitalen Abbildungen – vor allem für die Metallindustrie.

Lehren, lernen, forschen

Nicht zuletzt finden sich Pilotfabriken an auch an heimischen Universitäten: Mit Oktober 2021 hat die LIT Factory des Linz Institute of Technology (LIT) an der Johannes-Kepler-Universität (JKU) den Vollbetrieb aufgenommen. „Sie ist eine vernetzte Lehr-, Lern- und Forschungsfabrik für die smarte Kunststoffverarbeitung, digitale Transformation und Re- und Up-Cycling von Kunststoffen. Durch die Interdisziplinarität des Linz Institute of Technology über Fakultätsgrenzen hinweg, können auch gesellschaftliche, soziale, rechtliche und wirtschaftliche Aspekte in der Forschung abgedeckt werden“, beschreibt Georg Steinbichler, Leiter der LIT Factory. Ziel sei es, durch Digitalisierung die Potenziale entlang der Wertschöpfungskette vom Werkstoff über die Produktentwicklung und die Produktion bis hin zur ökologischen Wiederverwertung von Kunststoffen im Sinne einer Kreislaufwirtschaft zu heben.

Die smartfactory@tugraz, die vom Institut für Fertigungstechnik der TU Graz betrieben wird und im April im Vollbetrieb gestartet ist, hat sich wiederum die Forschungsthemen Agilität und Datensicherheit in der digitalisierten Fertigung auf die Fahnen geheftet. KMU und Großunternehmen können hier agile und datensichere Fertigungskonzepte erproben – inklusive der ersten universitären 5-G-Campus-Lösung.

Bereits seit Februar 2017 ist die Pilotfabrik der TU Wien in der Seestadt Aspern in Betrieb. Die Schwerpunkte liegen unter anderem in den Bereichen Mensch-Maschinen-Kollaboration, IoT-Anwendungen, cyberphysikalische Produktionssysteme, robotergestützte flexible Fertigungszellen, „leane“ Logistik und autonome Transportsysteme.

Die Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft steht auf mehreren Säulen: Die Industrie stellt die Ausrüstung zur Verfügung, zum anderen wird auch gemeinsam an Forschungsfragen und -projekten gearbeitet. „Der Wissenstransfer ist ein wichtiger Aspekt“, sagt DFV-Chef Seyringer.

Nutzenstiftende Use Cases

Dem wird in den Einrichtungen unter anderem mit Besichtigungen, Vorträgen, aber auch Qualifizierungsseminaren für Mitarbeiter von Unternehmen Rechnung getragen. Steinbichler ergänzt: „Die Zusammenarbeit und Unterstützung für KMU gilt es noch weiter auszubauen. Dazu ist Überzeugungsarbeit mit der Darstellung nutzenstiftender Use Cases in der LIT Factory zu leisten.“

Aber nicht nur die Industrie profitiert von der realitätsnahen Forschung in der Digital Factory: „Wir können sehr rasch Forschungsergebnisse in die Lehre überleiten“, sagt Markl. An der Pilotfabrik der FH Technikum Wien würden jedes Jahr zwischen 15 und 25 Bachelor- sowie zehn Masterarbeiten verfasst.

Ein weiterer Vorteil sei, so Mark und Steinbichler, dass Studierenden ein Einblick in die reale und vielfältige Welt einer Pilotfabrik geboten werde. So werde beispielsweise die Entwicklung von Robotern praxisorientiert vermittelt: „Wir können sie nämlich zerlegen und ins Innenleben hineinschauen“, sagt Markl.

WEB-ADRESSEN

Die Umfrage: www.imw.tuwien.ac.at/cps/industriepanel_made_in_austria

Digital Factorys: FH Vorarlberg www.fhv.at/forschung/digital-factory-vorarlberg; FH Technikum Wien: www. technikum-wien.at ; FH Campus Wels: https://forschung.fh-ooe.at; LIT Factory Linz: www.jku.at/lit-factory; smart-factory TU Graz: www.smartfactory. tugraz.at: Pilotfabrik der TU Wien: www.pilotfabrik.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2021)

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