Künstliche Intelligenz

Tracking schadet Psyche von Arbeitern

Die Angst vor Fehlern hängt wie ein Damoklesschwert über Lieferanten.
Die Angst vor Fehlern hängt wie ein Damoklesschwert über Lieferanten.APA/AFP/GETTY IMAGES/SPENCER PLA
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Eine britische Studie belegt, dass es sich negativ auf das seelische Wohl von Angestellten auswirkt, wenn sie per Algorithmus überwacht werden. Forderungen nach einer gesetzlichen Regelung in Großbritannien werden nun laut.

Sie müssen immer schneller fahren, rote Ampeln ignorieren und riskante Bremsmanöver durchführen. Die Angst vor Lohnkürzungen und Kündigung hängt wie ein Damoklesschwert über ihnen. Britische Lieferfahrer müssen immer besser und effektiver arbeiten, um in der vorgesehenen Lieferzeit zu bleiben und ihre Jobs behalten zu können. Fabrikarbeiter sollen in UK wiederum bis zu 95 Prozent ihrer Tätigkeiten während der Arbeit aufzeichnen. Sie alle sind Opfer der „Trackings“, einer Funktion, die ihre Arbeitsschritte überwacht und Informationen über ihre Effizienz an den Arbeitgeber weiterleitet.

Was ist Tracking?

Tracking ist die englische Bezeichnung für die Nachverfolgung anhand von Nutzerspuren im virtuellen Raum. Der Begriff wird vor allem bei Live-Standorten, Sendungsverfolgungen oder - wie in diesem Beispiel - zur Kontrolle von Arbeitsvorgängen verwendet. Die technische Kontrolle am Arbeitsplatz ist ein rechtlicher Graubereich.

Kampf gegen die Zeit

Auch in Deutschland werden immer wieder Stimmen laut, die die permanente Überwachung von Mitarbeitern nicht gutheißen. 2019 war das deutsche Unternehmen Flixbus in die Kritik geraten, weil die Fahrer unter erheblichem Druck stehen würden, die strengen Zeitpläne einzuhalten. Bei einem schweren Busunglück im September wurde der Zeitstress des Fernfahrers als mögliche Ursache gehandelt.

Unlängst hatten auch Angestellte des deutschen Unternehmens „Lieferando“ dem „Bayrischen Rundfunk“ ihr Leid geklagt. Sie müssten etwa ihr privates Mobiltelefon für die Arbeit verwenden. Zur zeitlichen Überwachung durch die Tracking-Funktion, mit der Kunden ihre Bestellungen verfolgen können, kommt so noch der hohe Datenverbrauch auf eigene Kosten hinzu. Lieferfahrer fürchten außerdem um die Sicherheit ihrer Daten. Diese werden nämlich vom Unternehmen mitunter über Jahre gespeichert und verwendet.

Tracking macht Jobs gefährlicher

Eine Studie des britischen „Institute for the Future of Work“ belegt nun, dass die Tracking-Funktion mancher Unternehmen negative Auswirkungen auf die Psyche ihrer Mitarbeiter haben kann. „Insbesondere permanente Überwachungs- und Zielsetzungstechnologien sind mit ausgeprägten negativen Auswirkungen auf das psychische und körperliche Wohlbefinden verbunden, da die Arbeitnehmer einem extremen Druck des ständigen Mikromanagements in Echtzeit und einer automatisierten Bewertung ausgesetzt sind“, heißt es im Report. Die Resultate widersprechen der landläufigen Meinung, dass Künstliche Intelligenz dem Menschen „dreckige, langweilige und gefährliche Jobs“ abnehmen könne.

Anstatt die Arbeit erfüllender zu machen, lässt die Tracking-Funktion manche Jobs - wie die der Berufsfahrer - sogar gefährlicher werden. Die Parlamentariergruppe der Organisation fordert jetzt neue gesetzliche Regelungen, die Art und Umfang des Trackings zumindest regulieren. In einem neuen „Accountability for Algorithms Act“ soll die Rechenschaftspflicht für Unternehmen festgesetzt werden, wie der „Guardian“ berichtet. Auch das Mitspracherecht von Angestellten soll darin reguliert werden. Unternehmen soll es nicht mehr so einfach gemacht werden, ihre Mitarbeiter ohne triftige Grundlage bei der Arbeit zu überwachen.

Verschlechterung durch Corona

Viele Anwendungen, die auf Künstlicher Intelligenz basieren, entscheiden heutzutage über wichtige Aspekte im beruflichen Alltag. So unterstützen Algorithmen Personaler mittlerweile bei der Einteilung von Diensten, geben Anhaltspunkte für die Bezahlung oder sogar für die Auswahl von neuen Mitarbeitern. Die Parlamentariergruppe räumt ein, dass diese Funktionsweisen hilfreich für Unternehmen sein können, warnt jedoch vor den negativen Effekten, wenn diese nicht reguliert werden. Das neue Gesetz würde den Mitarbeitern eine Stimme geben.

Der Einfluss von Covid-19 hat die Überwachung von Angestellten noch zusätzlich verstärkt. Seit Beginn der Pandemie ist die Nachfrage nach Einsatzmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz laut der „Future-Work“-Studie deutlich gestiegen. Immer mehr Unternehmen hätten ihre Arbeitsprozesse in den virtuellen Raum verlegt. Durch die Neuigkeiten in der Arbeitsweise hätte sich auch der Einsatz von digitalen Möglichkeiten wie Algorithmen vermehrt. Immer mehr Unternehmen hätten begonnen, ihre Arbeitnehmer – für den Kunden ersichtlich oder auch nur intern – zu tracken. Die psychischen Auswirkungen dieser Entwicklung werden sich erst zeigen.

(vahe)

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