Coronamaßnahmen

Terrorforscher ortet begründete Furcht vor Gewalt in Österreich

Terrorismusforscher Peter Neumann sieht die radikale Szene von Gegnern der Corona-Maßnahmen "noch einen Punkt weiter" als in Deutschland.
Terrorismusforscher Peter Neumann sieht die radikale Szene von Gegnern der Corona-Maßnahmen "noch einen Punkt weiter" als in Deutschland.APA/ERWIN SCHERIAU
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Aufgrund der Coronamaßnahmen gebe es "unglaublich viele Drohungen", sagt Peter Neumann. Ziel potenzieller Anschläge könnte "alles, was mit der Infrastruktur des Impfens zu tun hat", sein.

In Österreich sei die radikale Szene von Gegnern der Corona-Maßnahmen "noch einen Punkt weiter" als in Deutschland, sagte der Terrorismusforscher Peter Neumann am Montag. Es gebe "unglaublich viele Drohungen gegen Bürgermeister und Behördenvertreter". Daher bestehe "die begründete Befürchtung, dass es auch zu Gewalttaten kommen wird".

Es seien "durchaus Rechtsextreme, die die Bewegung steuern", sagte der Forscher in Hinblick auf das radikale Potenzial. In der "breiten Bewegung" würden die Proteste aber auch von der FPÖ organisiert, und sie seien auch dort ausgeprägter, wo die FPÖ stark sei. In Deutschland sei die Corona-Maßnahmengegner-Szene vor allem in Sachsen und Thüringen stark, wo die rechtsgerichtete AfD ihre Hochburgen habe. Diese Szenen seien "von Rechtsextremen durchsetzt", wobei die rechten Parteien, darunter auch FPÖ-Obmann Herbert Kickl, versuchen würden "sich an die Spitze zu stellen". Die FPÖ charakterisierte Neumann in diesem Zusammenhang als "rechtsradikal, aber nicht rechtsextrem".

Der am Londoner King's College tätige Forscher bestätigte einen Bericht der Wochenzeitung "Falter", wonach er sich vergangene Woche zu dem Thema zu Gesprächen mit Behörden in Österreich aufhielt. Details dazu wollte er aber nicht preisgeben.

"Alles, was mit der Infrastruktur des Impfens zu tun hat"

Ziel von potenziellen Anschlägen könnte "alles, was mit der Infrastruktur des Impfens zu tun hat", sein. Zusätzlich zu möglichen Anschlägen komme die Gefahr, "dass jemand durchdreht, die affektgeladene Gewalt", die sich bei Demonstrationen entlade, wo Polizisten und Journalisten angegriffen würden. Neumann erinnerte auch an den mutmaßlichen Mord an einem 20 Jahre alten Tankstellen-Kassier im deutschen Idar-Oberstein. Dieser hatte den Täter zuvor auf die Maskenpflicht hingewiesen.

Die Radikalisierung werde durch die Ankündigung einer allgemeinen Impfpflicht verschärft, so der Forscher weiter. "An diesem Begriff arbeitet sich die Szene seit eineinhalb Jahren ab." Die Maßnahmengegner fühlten sich nunmehr bestätigt, nachdem Politiker zuvor eine allgemeine Impfpflicht ausgeschlossen hätten. Für die Szene sei dies "das Signal: Jetzt kommt der totalitäre Staat". Der "zweite Auslöser" für die Radikalisierung sei die Impfung von Kindern nach dem Motto: "Jetzt wollen sie auch noch unsere Kinder wegnehmen." Dies alles habe eine emotionale Wirkung, welche die Radikalisierung beschleunigen könne.

Drohungen verfolgen, Kommunikation verbessern

Der Politik und der Zivilgesellschaft rät Neumann dazu, einerseits Gewaltandrohungen konsequent strafrechtlich zu verfolgen. Andererseits müssten Politiker sensibel etwa mit dem Thema der Kinder-Impfung umgehen. Von etwa 30 Prozent Ungeimpften in der Bevölkerung würden bei weitem nicht alle Gewalt unterstützen. "Viele Leute sind noch erreichbar, und nicht alle sind verrückt und verloren." Mit diesen Menschen müsse man im Gespräch bleiben.

Die Politik müsse aber auch eine bessere Kommunikationskampagne starten. Es reiche nicht aus, wenn der Bundeskanzler dazu aufrufe, sich impfen zu lassen. Diesbezüglich müssten Influencer gewonnen werden und die jeweiligen Social-Media-Kanäle angesteuert werden. Die Szene sei im deutschsprachigen Raum international vernetzt, zugleich aber auch sehr stark lokal verankert. Dies erkläre, warum etwa in Oberösterreich das radikale Potenzial größer, in Wien aber nicht besonders stark sei.

"Die Szene der Corona-Leugner ist derzeit die größte Bedrohung für die Sicherheit", sagte der Chef des gerade reformierten Verfassungsschutzes, Omar Haijawi-Pirchner, dem "Standard" (Montag-Ausgabe). ". Weil wir das erkannt haben, können wir aber präventiv tätig werden. Das Milieu ist sehr heterogen, gleichzeitig steckt dort viel Potenzial. Das große Risiko liegt darin, dass Rechtsextreme die Szene nutzen, um ihre Ideologie voranzutreiben."

(APA)

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