Fall Alijew offenbarte Österreichern Brutalität kasachischer Eliten

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Präsident Tokajew prangert den Reichtum von Nasarbajew-Vertrauten an und will mit seinem Umfeld abrechnen. Auch der Fall des in Ungnade gefallenen Nasarbajew-Schwiegersohns zeigt die Methoden innenpolitischer Machtkämpfe auf.

Elitenkonflikte in Kasachstan, die auch in der aktuellen Krise eine Schlüsselrolle spielen, sind in Wien bestens bekannt: Zwischen 2007 und 2015 war Österreich selbst zwischen die Fronten geraten. Damals tobte ein Kampf auf Leben und Tod zwischen dem "Führer der Nation" und seinem in Ungnade gefallenen Schwiegersohn. Die Causa Alijew war in Österreich aber nicht nur eine außenpolitische Belastung, sie führte auch zum Import problematischer Methoden des politischen Infights.

Seit dem Beginn der aktuellen Anti-Regimeproteste in Kasachstan hat sich der 81-jährige Gründungspräsident der Republik, Nursultan Nasarbajew, nicht in der Öffentlichkeit gezeigt. Bekannt ist lediglich, dass der als "Elbasy" ("Führer der Nation", Anm.) mit besonderen Rechten ausgestattete Staatsmann seine Funktion als mächtiger Vorsitzender des Sicherheitsrats verloren hat oder verlieren soll. Bereits am 5. Jänner hatte dies Präsident Kassym-Schomart Tokajew angekündigt, seine Präsidentschaftskanzlei hat bisher jedoch keine diesbezüglichen Dokumente im Internet veröffentlicht.

Daran, dass Tokajew zumindest mit Nasarbajews Umfeld abrechnen will, ließ er am Dienstag keinen Zweifel: Für jene Gruppe Elbasy-naher Personen, die selbst nach internationalen Maßstäben reich seien, sei die Zeit gekommen, an das kasachische Volk das Nötige abzugeben, sagte der Präsident vor dem Parlament. Dass die betreffenden Superreichen, darunter Familienangehörige Nasarbajews, freiwillig größerer Teile ihrer Vermögen abgeben, ist eher unwahrscheinlich. Derzeit tobt hinter den Kulissen daher wohl ein brutaler Kampf um Macht und Kapital, der durchaus auch außerhalb Kasachstans fortgesetzt werden könnte.

Kasachstan als Wirtschaftschance

Die Causa des in Ungnade gefallenen Schwiegersohns von Nursultan Nasarbajew ließ zwischen 2007 und 2015 auch in Österreich erahnen, mit welchen Bandagen derartige Konflikte innerhalb der kasachischen Eliten ausgefochten werden können. Dabei hatte nichts darauf hingedeutet, dass ausgerechnet die Wien-Affinität von hochrangigen Kasachen zu einem Problem werden könnte. Eher im Gegenteil - sie war stets als wirtschaftliche Chance für Österreich empfunden worden.

Nachdem Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ) bereits im Herbst 1991 Kontakt zu Nasarbajew gesucht hatte, war dieser wenige Wochen nach der Auflösung der UdSSR im Februar 1992 auf seiner ersten Auslandsreise als Präsident eines unabhängigen Staates nach Wien gekommen. Gestützt auf die großen Erfahrungen der österreichischen Wirtschaft im Osten wolle sein Land zukunftsträchtige Beziehungen mit Europa aufbauen, hatte der kasachische Neopräsident damals verkündet. Das Ergebnis waren Vereinbarungen über eine enge wirtschaftliche Kooperation, Goldgräberstimmung bei Vertretern der österreichischen Wirtschaftskammer und Kredite für die junge Republik im Osten.

Wirtschaftliches Interesse an Österreich zeigte damals auch Nasarbajews Schwiegersohn Rachat Alijew, der Gatte seiner ältesten Tochter Dariga. Der studierte Arzt, der parallel zu geschäftlichen Aktivitäten Funktionen bei Polizei, Geheimdienst und in der kasachischen Diplomatie bekleiden sollte, avancierte zum informellen Österreich-Beauftragten des Regimes. Als Alijew wegen kolportierter Pläne, die Macht vom Schwiegervater übernehmen zu wollen, 2002 ins Luxusexil geschickt werden sollte, lag ein Botschafterposten in Wien als Variante nahe.

Alijew verübte 2005 Selbstmord

Doch auch drei Jahre als Botschafter sorgten für keinen Umdenkprozess. Nasarbajew schickte Alijew im Februar 2007 nach Wien zurück, um kurze Zeit später völlig mit ihm zu brechen: Alijew, der sich nunmehr als Oppositionsführer positionierte, wurde als Botschafter gefeuert und Dariga ließ sich von ihm scheiden. Ein Fernsehsender des Großunternehmers Timur Kulibajew, eines weiteren Nasarbajew-Schwiegersohns, veröffentlichte Anschuldigungen, die auch Gegenstand von Ermittlungen gegen das ehemalige Familienmitglied waren. Ob Alijew aus wirtschaftlichen Motiven wirklich zwei Bankmanager entführte und zwei weitere ermordete, konnte nie von einem unabhängigen Gericht geklärt werden. Der Ex-Schwiegersohn verübte im Februar 2015 in einer Wiener Gefängniszelle Selbstmord und verhinderte damit, dass das Landesgericht Wien zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen eine Entscheidung fällen konnte.

Nach seiner Entlassung als Botschafter war Alijew 2007 zunächst in Wien verblieben, wo die österreichische Justiz seine Auslieferung an Kasachstan ablehnte. Laut von WikiLeaks veröffentlichten Depeschen beklagte sich im Oktober 2008 die damalige österreichische Botschafterin in Kasachstan, Ursula Fahringer, bei ihrem US-amerikanischen Kollegen über eine "Vergiftung der österreichisch-kasachischen Beziehungen". In einer weiteren US-Depesche war davon die Rede, dass der damalige Bundespräsident Heinz Fischer eine Reise nach Kasachstan nach einer Intervention von Alijew kurzfristig verschoben habe sowie ein kasachischer Botschaftsmitarbeiter in die versuchte Entführung des Alijew-Vertrauten Alnur Mussajew in Wien involviert gewesen sei.

Gusenbauer als Berater engagiert

Nicht nur diese Geheimdienstaktivitäten, die teils an Auslandsoperationen des sowjetischen Geheimdiensts KGB während des Kalten Kriegs erinnerten, verdeutlichten die Brutalität dieses Konflikts. Freilich mit unterschiedlichen Möglichkeiten ausgestattet setzten beide Seiten auch in Österreich teils schmutzige Methoden ein, die im postsowjetischen Raum traditionell zur Vernichtung politischer Gegner verwendet werden. Neben Anwälten wurden auch bestens vernetzte Lobbyisten und Berater engagiert, darunter Altbundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ). Mit in Österreich in solcher Höhe nicht üblichen Geldmitteln konnten in diesem Kleinkrieg Mitstreiter angeworben werden, die auch verdeckt agierten. Die Konsequenz war eine Art Generalverdacht, dass Aktivitäten im Zusammenhang mit der Causa, darunter zahlreiche parlamentarische Anfragen, jeweils von einer interessierten Seite remuneriert worden sein könnten.

(APA)

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