Wien

Nach Camp-Räumung wird schon gebaut, Aktivisten planen weitere Proteste

News Bilder des Tages Raeumung des Protestcamp Lobautunnel Stadtstrasze Wien, Hausfeld, 01. 02. 2022 Polizei raeumt das Sta
News Bilder des Tages Raeumung des Protestcamp Lobautunnel Stadtstrasze Wien, Hausfeld, 01. 02. 2022 Polizei raeumt das Staimago images/SKATA
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Die Auflösung der Besetzung ließen die Emotionen hochgehen. Vor der SPÖ-Zentrale wurde am Dienstagabend noch demonstriert. Ans Aufgeben denken die Aktivisten nicht. Am Mittwoch wurden die Bauarbeiten am ehemals besetzten Areal aufgenommen.

Die Räumung des Protestcamps auf der geplanten Baustelle der Stadtstraße in Wien-Donaustadt am Dienstag hat zumindest die Gemüter von Aktivisten und Sympathisanten erhitzt. Noch am selben Abend hatten sich mehrere hundert Menschen vor der SPÖ Zentrale in der Löwelstraße versammelt, um gegen das mit massiver Polizeipräsenz durchgesetzte Ende der Besetzung zu demonstrieren.

Im Zuge des stundenlangen Einsatzes am Dienstag waren insgesamt 48 Personen vorläufig festgenommen worden, der Großteil nach dem Verwaltungsstrafgesetz. Fünf Festnahmen erfolgten wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, berichtete Polizeisprecher Markus Dittrich am Abend.

Noch Aktivisten in Polizeigewahrsam

Am Mittwochvormittag wurden noch elf Aktivisten im Polizeianhaltezentrum Wien auf der Rossauer Lände festgehalten, weil ihre Identität nicht festgestellt werden konnte. Dabei handelt es sich um ein verwaltungsstrafrechtliches Delikt. Maximal 24 Stunden könne man die Personen deshalb festhalten. In dieser Zeit werde versucht, die Identität der Personen festzustellen. Nicht immer sei das sofort möglich, so sei die lange Anhaltedauer zu erklären. Spätestens am Nachmittag müssten dann auch diese Aktivisten freigelassen werden. Kann bis dahin ihre Identität noch nicht herausgefunden werden, kann etwa ein Wertgegenstand einbehalten werden.

Fünf Personen wurden wegen eines strafrechtlichen Delikts festgenommen - dies geschah im Zuge des Niederreißens der Sperrgitter. Hier hat der Staatsanwalt über Anzeigen auf freien Fuß verfügt. Zudem kam es zu 58 Anzeigen (Großteils nach dem Versammlungsgesetz) und die Ausstellung eines Organmandats.

Das unter Aktivisten kursierende Gerücht, einer der Festgenommenen sei zwölf Jahre alt gewesen, dementierte Dittrich. Auch unter jenen, wo die Identität nicht sofort festgestellt werden konnte, sei niemand gewesen, der so jung hätte sein können. Allerdings konnte er nicht ausschließen, dass auch strafmündige Minderjährige die Nacht im Anhaltezentrum verbringen mussten.

SPÖ im Visier der Klimaaktivisten

Für die Klimaschützer ist der Widersacher klar der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und seine - in ihren Augen rückwärtsgewandte - Verkehrspolitik. Die Umweltschutzorganisation Global 2000 projizierte am Dienstabend sogar ein Bild des Stadtchefs - wie er einen Baum umschneidet - auf das SPÖ-Gebäude.

Dabei wurde lautstark Stimmung gemacht, auch unter dem Einsatz von Trommeln und Trillerpfeifen. Skandiert wurde Parolen wie "Lobau bleibt!". Auf Transparenten ("Städte für die Autos oder für die Menschen?") wurde die Politik der Stadt kritisiert. In Reden warnten Aktivisten unter anderem davor, dass Stadt und Wirtschaftskammer auch die Lobauautobahn weiter "durchboxen" wollen. Anders als bei den Demonstrationen der Corona-Maßnahmengegner waren keine Menschen zu sehen, die die FFP2-Maskenpflicht ignorierten. Die Veranstalter riefen auch dazu auf, die Regeln einzuhalten.

Gespräche haben „keinen Zweck mehr“ 

Umweltstadträtin Uli Sima (SPÖ) betonte am Dienstag Abend in einem Interview in der ORF-Sendung "Wien heute" erneut, sie habe "sehr intensiv versucht, einen friedlichen Ausweg aus diesen Konflikt zu finden". Mehrfache Gesprächsangebote an die Aktivisten seien nicht angenommen worden, ein letztendlich doch zustande gekommenes Gespräch hätte sie "erzwingen müssen". Nach fünf Monaten müsse man dann erkennen, "dass es keinen Zweck mehr hat, weiter auf Gespräche zu setzen, wenn das Gegenüber einfach nicht bereit ist, einem entgegenzukommen oder überhaupt auf Gespräche einzugehen".

Sima unterstrich die Wichtigkeit der Stadtstraße: "Sie ist für uns der Schlüssel zu Wohnungen für 60.000 Menschen". Es handle sich um eine 3,5 Kilometer lang Gemeindestraße, auf der Tempo 50 gilt. "Wenn ich eine Stadt in der Größe von St. Pölten baue, brauche ich eine Erschließungsstraße", so Sima. Es sei eine U-Bahn in die Seestadt gebaut worden, viele öffentliche Verkehrsmittel würden noch folgen, sagte die Stadträtin. Geplant worden sei die Straße von ihrer grünen Vorgängerin, so Sima. Änderungen am fertigen Projekt hätten ein Zurück zu den Anfängen bedeutet.

Das Argument der Stadt Wien, dass Wohnungen für 60.000 Menschen am Bau der Stadtstraße hängen, wurde bereits im Oktober widerlegt. Wie eine Recherche des „Profil“ ergab, ist das rein rechtlich gesehen nur bei 17.500 Wohnungen der Fall. Die weiteren, in der Gegend geplanten Wohnungen könnten demnach auch ohne die Stadtstraße gebaut werden. Zwar brauche es laut Experten weitere Verkehrsanbindungen, doch das müsse nicht zwangsläufig die geplante Stadtstraße sein.

Was planen die Aktivisten?

Sima hatte am Dienstag in einem Brief an die Klimaaktivisten beteuert, „über das Thema der Stadtstraße hinaus“ im Dialog bleiben zu wollen. Dass es dazu kommt, ist derzeit höchst unwahrscheinlich. Denn die Fronten sind nach der Räumung noch verhärteter als zuvor. Die Klimaaktivisten haben jedenfalls weitere Aktionen angekündigt.

"Dieser Protest wird nicht beendet sein, weil die Pyramide abgerissen wurde", sagte Lucia Steinwender, Sprecherin von "LobauBleibt" und "System Change not Climate Change", am Mittwoch. Sie kündigte auch an: "Wir werden den Protest in die Stadt hineintragen." Wie, wollte sie vorerst nicht verraten. Die Aktivisten werden jedenfalls versuchen, das derzeitige Momentum zu nützen. Für kommende Woche wurde bereits eine „Großdemonstration“ zusammen mit Fridays for Future angekündigt.

"Der gestrige Tag hat gezeigt, dass die Leute unaufhaltsam sind", ist Steinwender überzeugt. In Richtung Rathaus sagte sie: "Der Stadtregierung muss sich bewusst sein, dass der Bau der Autobahn Jahre dauern würde. So entschlossen wie die Leute sind, Menschen haben Monate in der Kälte ausgeharrt, wird dieser Protest nicht beendet sein."

Asfinag-Baustellen weiterhin besetzt

„Noch ist die Straße nicht gebaut“, sagte auch die Aktivistin Martha Krumpeck - die, nicht zum ersten Mal, in den Hungerstreik getreten ist. Zudem gibt es eine weitere Stadtstraßen-Baustelle, die derzeit noch besetzt wird. Diese liegt auf einem Grundstück der Asfinag, die zumindest derzeit nicht an eine Räumung denkt. Die betreffende Baustelle sei derzeit in Winterpause, bestätigt eine Sprecherin der Asfinag. Man stehe im Dialog mit den Aktivistinnen und Aktivisten. Zuletzt machte das Areal in der Hirschstettner Straße nach einem Brandanschlag Schlagzeilen. Außerdem gibt es den angemeldeten „Infopoint“ in der Anfanggasse, wo ebenfalls Aktivisten übernachten.

Den aufrechten Dialog zwischen Aktivisten und Asfinag bestätigte auch Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Rande einer Pressekonferenz. Das Vorgehen in Wien bedauerte sie: "Mir tut es ehrlich leid, dass es nicht gelungen ist, in einem ehrlichen Dialog zu einer anderen Lösung zu kommen.“

Was plant die Stadt?

Die Stadt Wien hat mit der Räumung Fakten geschaffen und will sich keine weitere Verzögerung des Projekts mehr leisten. Im Zuge des Polizeieinsatzes wurden bereits Bauzäune aufgestellt, damit die Baufirmen ungestört und so bald wie möglich ihre Arbeit aufnehmen können. Wie ein Vertreter der Stadt zur „Presse“ sagte, sollte schon am Dienstag begonnen werden. Gleichzeitig wurden 380 Bäume gerodet, die entlang der Bautrasse liegen - auch an Stellen, wo derzeit noch gar nicht gebaut wird.

Tatsächlich wurden die Bauarbeiten an der 3,2 km langen Verbindung am Mittwoch wieder aufgenommen, bestätigt Thomas Keller, Leiter der Straßenbauabteilung MA 28. Aktuell würden bereits die ersten Erdarbeiten laufen. Errichtet wird derzeit die Baustraße in der Hausfeldstraße. "Durch die Besetzung in der Hausfeldstraße haben wir fünf Monate verloren, die wir nun versuchen, aufzuholen." Laut dem MA28-Chef gibt es bereits 219 Auftrags-Vergaben an Baufirmen für das Projekt: "Es ist in allen Instanzen genehmigt, höchstgerichtlich bestätigt und hat eine sechsjährige Umweltverträglichkeitsprüfung positiv durchlaufen."

Das Besetzercamp am Areal ist inzwischen jedenfalls Geschichte. Sämtliche Aufbauten dort - also etwa die bekannte Holzpyramide - wurden bereits beseitigt, bestätigte Keller.

>>> Zur Recherche im „Profil"

(twi/dran/APA)

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