Sturmflut

Mindestens 14 Tote durch Orkantief "Zeynep" in Europa

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Hamburg unter Wasser: Der Wasserstand am Pegel St. Pauli erreichte Samstagmorgen eine Höhe von 3,75 Metern. In Bremen ist ein Kran umgestürzt.

Der gewaltige Sturm "Zeynep" hat in weiten Teilen Europas große Verwüstungen angerichtet. 14 Menschen kamen in Deutschland, Belgien, Großbritannien, Irland, den Niederlanden und Polen bis Samstagmittag ums Leben, zumeist durch auf Fahrzeuge gestürzte Bäume. Hunderte Flüge, Züge und Fährverbindungen fielen wegen des Sturms "Zeynep" mit seinen gebietsweise orkanartigen Böen aus, der in anderen Ländern "Eunice" heißt.

Ein durch den Wintersturm losgerissenes Solarmodul tötete in Belgien einen Mann. Er habe das von einem Hausdach gewehte Bauteil am Freitag auf den Kopf bekommen, berichtete die belgische Nachrichtenagentur Belga am Samstag unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft in Ostflandern. Er sei in einem Krankenhaus an den schweren Verletzungen gestorben. Als ein weiteres belgisches Opfer des Sturmtiefs gilt ein 79-Jähriger. Er war am Freitag gestorben, nachdem er in einem Jachthafen in Ypern in Westflandern von einem Boot ins Wasser gefallen war.

Der über Irland entstandene Sturm war am Freitag über Teile des Vereinigten Königreichs, dann über Nordfrankreich und die Benelux-Staaten gezogen, bevor er in der Nacht auf Samstag auf Dänemark, Deutschland und später Polen traf. Rekordwindgeschwindigkeiten - an die 200 km/h in Großbritannien - und Starkregen entwurzelten Bäume, beschädigten Dächer und sorgten für Sturzfluten. In Norddeutschland galt am Samstag die höchste Alarmstufe.

Ausgefallene Zugverbindungen, gestrichene Flüge

In den betroffenen Ländern fielen zahlreiche Zugverbindungen aus, etwa der Thalys zwischen Amsterdam und Brüssel und große Teile des Fernverkehrs der Deutschen Bahn. Besonders an den bedeutenden Londoner Flughäfen wurden zahlreiche Flüge gestrichen. Auch der Fährverkehr über den Ärmelkanal war stark beeinträchtigt.

In Großbritannien waren am Samstag mehr als 400.000 Haushalte weiterhin ohne Strom, wie der Netzbetreiber mitteilte. In Polen waren nach Angaben der örtlichen Behörden 194.000 Haushalte betroffen, in Frankreich 37.000. Die britischen Versicherer schätzen den dort entstandenen Schaden auf mehr als 300 Millionen Pfund (360 Millionen Euro).

Bisher die meisten Toten gab es in den Niederlanden, wo vier Menschen starben. In Großbritannien und Deutschland starben drei Menschen, zwei in Polen, zwei Menschen in Belgien und einer in Irland.

Davor wütete „Ylenia"

Sturmtief Zeynep - Hamburg
Sturmtief Zeynep - HamburgAPA/dpa/Jonas Walzberg

In dem vorherigen Orkantief "Ylenia" waren mindestens drei Autofahrer in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt bei wetterbedingten Unfällen gestorben: Zwei wurden von umstürzenden Bäumen erschlagen, ein dritter starb, als sein Anhänger im Sturm auf die Gegenfahrbahn geriet und es dabei zu einem Unfall kam.

In den Niederlanden kamen drei Menschen durch umstürzende Bäume ums Leben, darunter war auch ein Radfahrer. Großbritannien meldete ebenfalls drei Todesopfer. In London wurde erstmals die höchste Warnstufe Rot ausgerufen. In Irland starb ein Mann infolge des Orkantiefs. In Frankreich wurden mindestens elf Menschen verletzt. Im Norden des Landes waren am Abend rund 130 000 Haushalte ohne Strom.

Hamburg und Schleswig-Holstein im Zentrum des Sturms

Sturmtief Zeynep - Berlin
Sturmtief Zeynep - BerlinAPA/dpa/Annette Riedl

"Zeynep" hat Hamburg und Schleswig-Holstein voll erwischt, aber wohl weniger Schaden angerichtet als befürchtet. Feuerwehren und Polizei meldeten bis Samstagmorgen zwar zahlreiche Einsätze, doch blieb es zunächst in der Regel bei Sachschäden und umgestürzten Bäumen. Der Deutsche Wetterdienst hatte im Laufe des Abends in Kiel, Hamburg, auf Sylt und auf Helgoland Windstärken zwischen 9 und 11 gemessen, in Büsum wurde eine Orkanböe mit 143,3 Kilometer pro Stunde festgestellt.

Hamburg erlebt eine sehr schwere Sturmflut. Der Wasserstand am Pegel St. Pauli erreichte am Samstag gegen 5.30 Uhr 3,75 Meter über dem mittleren Hochwasser. Das sei wahrscheinlich der Scheitelpunkt, sagte ein Sprecher des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH). Ab 3,5 Metern über dem mittleren Hochwasser spricht man vor einer sehr schweren Sturmflut.

An der schleswig-holsteinischen Nordseeküste lief das Wasser früher in der Nacht und weniger hoch auf. In Dagebüll und Büsum gab es mit 2,92 und 2,86 Metern über dem mittleren Hochwasser jeweils eine schwere Sturmflut.

Keine Entspannung bis Montag

In Bremen stürzte ein 55 Meter hoher Baukran ein. Der Kran sei dabei in der Nacht auf den Samstag in ein im Rohbau befindliches Bürogebäude gekracht, sagte ein Feuerwehrsprecher. "Es sieht verheerend aus" so der Sprecher. Auch ein gerade vorbeifahrender Laster sei von dem Kran erwischt worden. Der Fahrer sei unverletzt geblieben. Ein weiterer 90 Meter hoher Kran wurde nicht beschädigt. Die Trümmerteile blockieren nun die umliegenden Straßen. Die Beseitigung des Krans werde noch bis zum Anfang der kommenden Woche dauern. Zur Schadenshöhe konnte die Polizei keine Angaben machen.

Mindestens bis Montag soll es stürmisch bleiben, wie es vom Deutschen Wetterdienst (DWD) heißt. "Es kehrt einfach keine Ruhe ein", sagte ein Meteorologe. Schwerpunkt der aktuellen Unwetterlage sollte den Experten zufolge bis Samstagfrüh die Nordhälfte Deutschlands sein. Der DWD hatte aber auch für südlichere Regionen - Teile von Rheinland-Pfalz, Hessen und für nördliche Regionen Bayerns - Unwetterwarnungen vor orkanartigen Böen herausgegeben. Fern- und Regionalverkehr wurden am Freitag in Norddeutschland und in Nordrhein-Westfalen nach und nach eingestellt. Der Schutz der Reisenden und der Beschäftigten habe Vorrang, hieß es. Fahrgäste können ihre für den Zeitraum von Donnerstag bis Sonntag gebuchten Fahrkarten bis zum 27. Februar flexibel nutzen oder kostenfrei stornieren, wenn sie Reisen wegen des Sturms verschieben.

(APA/DPA)

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