Ukraine-Krieg

Rückschlag im Cyber-Informationskrieg von Anonymous

Protestaktionen zur Information, wie hier in den Niederlanden, sind in Russland nicht möglich.
Protestaktionen zur Information, wie hier in den Niederlanden, sind in Russland nicht möglich.APA/AFP/ANP/MARCEL VAN HOORN
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Das Hacker-Kollektiv Anonymous hatte seine Follower dazu aufgefordert, in Google-Bewertungen über den Krieg in der Ukraine aufzuklären. Die Informationen sind mittlerweile verschwunden.

Vor fünf Tagen erklärte das Hacker-Kollektiv Anonymous Russland den virtuellen Krieg. Die ukrainische Regierung hatte zuvor um Unterstützung bei Cyber-Angriffen gebeten. Innerhalb kürzester Zeit schafften es die Computerexperten sowohl den russischen Staatssender RTA, als auch die Webseite des russischen Verteidigungsministeriums vom Netz zu nehmen. Am 28. Februar sollte das digitale Manöver gegen die russischen Invasoren in die nächste Phase gehen. Auf Twitter rief Anonymous seine Follower dazu auf, sich aktiv an der virtuellen Gegenwehr zu beteiligen.

Nutzerinnen und Nutzer wurden angewiesen, Informationen über die wahren Geschehnisse im Ukraine-Krieg im Netz zu verbreiten. Wie „Die Presse“ berichtet hat, waren erst unlängst russische Propaganda-Videos in Umlauf gebracht worden, die die Invasion als „notwendigen Kampf gegen Nazis“ inszenierten. Unlängst hatte der ukrainische Abgeordnete Sergiy Kyslytsya einen Screenshot veröffentlicht, der den Chatverlauf eines russischen Soldaten mit dessen Mutter zeigen soll. Aus dem Gespräch ging eindeutig hervor, dass der Soldat erst kurz vor seinem Tod verstanden hatte, dass er von der russischen Regierung instrumentalisiert worden war. Um der russischen Zensur und der Propaganda im Staatsfernsehen zu entgehen, wollte Anonymous nun insbesondere Google Maps ins Visier nehmen. Die Mission ist mittlerweile gescheitert.

„Eure Regierung lügt euch an!"

Dem Aufruf des Hacker-Kollektivs sind innerhalb kürzester Zeit Tausende User nachgekommen. In den Kommentaren unter dem Post teilten Nutzerinnen und Nutzer Tipps, wie man Informationen zum Ukraine-Krieg am besten verbreiten könnte. So wurde etwa eine Nachricht auf Kyrillisch geschrieben, in der folgendes zu lesen war: „Das Essen war großartig! Leider hat uns Putin mit dem Einmarsch in die Ukraine den Appetit verdorben. Wehrt euch gegen euren Diktator, hört auf, unschuldige Menschen zu töten! Eure Regierung lügt euch an. Steht auf!“ Aber auch Botschaften auf Englisch finden sich darunter: „Eure Söhne, Brüder, Freunde werden gewaltsam in die Ukraine entsandt, wo sie in das Land unschuldiger Zivilisten einfallen. Das ist keine Rettungsmission. Eure Medien lügen euch an. Unschuldige Menschen sterben."

In den folgenden Stunden und Tagen nach dem Aufruf sind unzählige solcher Bewertungen auf Google Maps eingegangen. Insbesondere die größten russischen Städte Moskau und St. Petersburg standen dabei im Fokus. Am Anfang blieben die Einträge unmoderiert, doch bald ebbte die Flut an neuen Beiträgen ab. Mittlerweile sind auf Google Maps kaum noch Einträge zu finden, die nichts mit dem Essen oder dem Ambiente in den jeweiligen Restaurants zu tun haben. Auf Twitter berichten einige Nutzerinnen und Nutzer davon, dass sie innerhalb kürzester Zeit nach der Abgabe einer Rezension von Google gesperrt wurden. Ihre Beiträge waren anschließend verschwunden.

Zwischen Meinungsfreiheit und Informationspflicht

Wer die Google-Bewertungen gelöscht hat, ist zurzeit noch unklar. Die Restaurants und Sehenswürdigkeiten selbst können keine Löschung beantragen, damit die Meinungsfreiheit gewährleistet wird und es nicht zu einer Manipulation kommen kann. Anzunehmen ist aber, dass Google selbst die Kommentare entfernt hat. Die Nutzungsbedingungen von Google Maps geben vor, dass die Bewertungen mit den jeweiligen Institutionen direkt in Verbindung stehen müssen. Der Konzern behält sich das Recht vor, Kommentare zu löschen, die sich nicht auf das Restaurant oder die Sehenswürdigkeit beziehen. Um die Moderation durch Google zu umgehen, haben einige selbsternannte Aktivistinnen und Aktivisten nun das Portal gewechselt. Yandex Maps ist ein anderer Anbieter von Online-Karten und ohnehin beim russischen Publikum deutlich beliebter. Viele User haben auch Fake-Profile auf der Dating-App Tinder erstellt, um die gewünschten Informationen zu verbreiten.

Mittlerweile sind aber auch auf Google Maps wieder neue Bewertungen aufgetaucht, unter anderem in Kiew. In den Kommentaren zu berühmten Sehenswürdigkeiten finden sich immer wieder Solidaritätsbekundungen mit der Ukraine. So ist beim „Goldenen Tor von Kiew“ etwa zu lesen: „Lang lebe die Ukraine!“. Bei der „St. Andreas Kirche“ findet sich folgender Text: „Jeder Tag des Februars wird in die Geschichte eingehen. Die Ukraine ist geeint wie nie zuvor. Die Welt ist aufgewacht.“ Wie lange diese Bewertungen online bleiben, ist fraglich. Schließlich haben auch sie nicht viel mit der eigentlichen Bewertungsgrundlage zu tun.

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