Lokalkritik

Testessen im Reznicek

Ein junger Weinwirt an einer Adresse, die österreichische Mehlspeisen im Erbgut trägt: das Reznicek.

Eine Schillingmünze unter der Bank, frei zugänglich – „man hätte sie also wegkehren können, wenn man das gewollt hätte“ –, war nur ein Indiz für die Mentalität der direkten Vorgänger, erzählt Simon Schubert. Er hat das alte Wirtshaus Zum ­Reznicek in der Reznicekgasse im neunten Wiener Bezirk gemeinsam mit dem Koch Julian Lechner übernommen, es außen wie innen aufgefrischt und den Namen um das „Zum“ erleichtert. Schubert war zuvor Sommelier im Michelin-sternrestaurant Aend („Gault Millau“-„Sommelier des Jahres“), Lechner hat bei Markus Mraz, im Aend sowie im Café Kandl gekocht.

Der Retrofliesenboden blieb erhalten, die prachtvolle Glastrennwand zwischen Schankraum und Gastraum ebenfalls. Eine Ecke wurde mit hellem Holz zu Gläserdepot und Käsevitrine umgestaltet, unter der Ryokan-artig gerasterten Decke ergibt sich da eine in diesem Kontext unerwartete Ahnung von Japan.

Magnum hier, Magnum da

Dass sich das Reznicek als Weinwirtshaus heutigen Zuschnitts versteht, wird angesichts der Karte mit den offenen Weinen klar: 16 an der Zahl, zu gastfreundlich kalkulierten Preisen, zum Teil aus der Magnum ausgeschenkt, Weinviertel, Nahe, Piemont, Teneriffa . . . Man darf davon ausgehen, dass zusätzlich diverse weitere offene ­Flaschen das Lokal durchqueren, etwa ein zart oxidativer „Côtes du Jura 1988“ aus der Magnum oder der „2009 Viña Tondonia Reserva“, ebenfalls als Magnum.

In der Küche werkt Julian Lechner mit zwei jungen Kollegen. Zum ­Starten (oder zum Nur-auf-ein-Glas-­Hereinschauen) hält er saures Gemüse parat, Aufschnitt, Brot, Butter und Sellerie­kroketten (Bild). Bei Letzteren saß das muskatnussreibende Händchen etwas zu locker, wie auch beim Erdäpfelteig der mohnkahlen Mohnnudeln. Um gleich beim süßen Ende zu bleiben – außer Mohnnudeln gibt’s Apfelstrudel: Gelobt sei der selten gewordene Mehlspeisenfokus, den auch das einstige Reznicek noch bot – Stichwort Powidltascherl.

Konstantin Reyer

Sprung zurück: Zur Lauchterrine pfffft bei Tisch ein Haselnussmisoschaum aus der Isi-Flasche, große Würfel von roher Lachsforelle kombiniert Lechner mit eingelegten Rhabarberstreifen und Estragon-Buttermilch-Sauce. Rettich wird, das schmeckt man dem Ergebnis an, in gewürztem Brotteig gebacken und mit Karottenspätzle und Parmesan-Beurre-Blanc serviert, als fleischlose Alternative zum Cordon bleu mit Bergkäse und Beinschinken, zu einem im Ganzen gebratenen Hendl oder ebensolchen Süßwasserfischen. Ein kleines bisschen Feintuning ist da und dort noch nötig. Richtig gut: die ­vanillelastige Barigoule mit Kohlrabi zur Forelle und das paprizierte Lammbeuschel mit Brandteig-Sauerteig-Krapfen.

Reznicek

Reznicekgasse 10, 1090 Wien, Tel.: +43/(0)1/310 44 07, Restaurant: Di–Sa: 17–1 Uhr, Küche bis 22 Uhr.

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