Ukraine-Krieg

Ein erster Durchbruch? "Reduzierte" Angriffe und ein Neutralitäts-Vorschlag

Die Gespräche in Istanbul sorgten am Dienstag für dezenten Optimismus.
Die Gespräche in Istanbul sorgten am Dienstag für dezenten Optimismus.via REUTERS
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Russland versprach bei Verhandlungen in Istanbul, seine Operationen um Kiew und Tschernihiw zu reduzieren, während die Ukraine einen neutralen Status mit internationalen Garantien zum Schutz vor Angriffen vorschlug. Ein EU-Beitritt soll möglich bleiben.

Russland will nach Angaben des Moskauer Verteidigungsministeriums seine "militärischen Aktivitäten" in der Ukraine bei Kiew und Tschernihiw deutlich reduzieren. Diese Entscheidung sei angesichts des Verlaufs der Verhandlungen mit Kiew getroffen worden, teilte der Vize-Verteidigungsminister Alexander Fomin am Dienstag in Istanbul mit. Dort hatten sich die Delegationen aus Moskau und Kiew zu Friedensverhandlungen getroffen, das Gespräch hatte rund vier Stunden gedauert.

Der Schritt solle dazu dienen, gegenseitig Vertrauen aufzubauen und die Bedingungen für weitere Verhandlungen zu schaffen, sagte Fomin. Die Ukraine sei dabei, einen Vertrag vorzubereiten über einen neutralen Status des Landes ohne Atomwaffen. Russland gehe davon aus, dass die Ukraine dazu entsprechende Entscheidungen treffe. Eine ausführliche Information über die Vereinbarungen von Istanbul solle es nach der Rückkehr der Delegation nach Moskau geben.

Der russische Chefunterhändler Wladimir Medinskij sagte, er werde die ukrainischen Vorschläge prüfen und Präsident Wladimir Putin darüber berichten.

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu sieht die Ankündigung Russlands als Annäherung bei den Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine. Die Gespräche am Dienstag seien die bisher wichtigsten gewesen, sagt Cavusoglu. Die schwierigeren Themen würden zu einem späteren Zeitpunkt von den Außenministern beider Seiten besprochen. Er betonte: "Dieser Krieg muss beendet werden."

Ukraine: Keine ausländischen Truppen beherbergen

Die ukrainischen Unterhändler erklärten, sie hätten einen Status vorgeschlagen, unter dem ihr Land weder Allianzen beitreten noch Stützpunkte ausländischer Truppen beherbergen würde, dessen Sicherheit aber ähnlich wie bei "Artikel 5", der kollektiven Verteidigungsklausel der Nato, garantiert wäre.

Sie nannten Israel und die Nato-Mitglieder Kanada, Polen und die Türkei als Länder, die bei der Bereitstellung solcher Garantien helfen könnten.

Die Vorschläge würden einen 15-jährigen Konsultationszeitraum über den Status der von Russland annektierten Krim beinhalten und könnten nur im Falle eines vollständigen Waffenstillstands in Kraft treten, erklärten die ukrainischen Unterhändler gegenüber Reportern in Istanbul.

Der russische Chefunterhändler Medinskij sagte am Dienstag, zu den Vorschlägen, die Kiew Moskau bei den Gesprächen in Istanbul unterbreitet habe, gehöre auch, dass Russland sich einem Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union nicht widersetzen werde.

Erste direkte Treffen seit 10. März

Die Gespräche, die am Dienstag in Istanbul stattfanden, waren das erste persönliche Treffen zwischen den beiden Seiten seit dem 10. März. Russland begann seine Invasion in der Ukraine am 24. Februar und konnte bisher keine größeren ukrainischen Städte einnehmen, nachdem es auf heftigen Widerstand gestoßen war.

Die Vorschläge der Ukraine waren außerdem die detailliertesten und konkretesten, die Kiew bisher öffentlich gemacht hat. "Wenn es uns gelingt, diese Schlüsselbestimmungen zu konsolidieren, und das ist für uns die grundlegendste, dann wird die Ukraine in der Lage sein, ihren derzeitigen Status als Nicht-Block- und Nicht-Nuklearstaat in Form einer dauerhaften Neutralität zu festigen", sagte der ukrainische Verhandlungsführer Oleksander Chaly.

"Wir werden keine ausländischen Militärbasen auf unserem Territorium beherbergen, keine Militärkontingente auf unserem Territorium stationieren und keine militärisch-politischen Allianzen eingehen", sagte er. Militärische Übungen würden nur mit der Zustimmung der Garantiegeberländer stattfinden.

Die ukrainischen Unterhändler erklärten, ihre Vorschläge enthielten genügend Material, um ein Treffen zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu rechtfertigen. Dem stimmte auch der russische Verhandler Medinskiy offenbar zu. Ein Treffen zwischen Putin und seinem ukrainischen Amtskollegen Selenskij sei in Zukunft möglich.

(APA/Reuters)

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