Analyse

Intrigenspiele um Rechtsstaatskrise in Polen

Polen argumentiert mit der Flüchtlingswelle aus der Ukraine, um die EU-Aufbaumittel freizubekommen.
Polen argumentiert mit der Flüchtlingswelle aus der Ukraine, um die EU-Aufbaumittel freizubekommen.REUTERS
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Hinter den Kulissen wird in Brüssel und Warschau daran gearbeitet, die Milliarden aus dem EU-Wiederaufbaufonds zu deblockieren. Eine Schlüsselrolle spielt dabei der Erzfeind der polnischen Regierung: Altregierungschef Donald Tusk.

Never waste a good crisis: die Maxime, keine Krise ungenutzt zu lassen, um anderweitigen Zielen näherzukommen, beseelt gleichermaßen Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission, wie auch die nationalautoritäre Regierung Polens. Denn der russische Überfall auf die Ukraine und die dadurch losgelöste enorme Flüchtlingswelle, die binnen vier Wochen bis zum Dienstag bereits knapp 2,35 Millionen Ukrainer zur Flucht nach Polen bewogen hat, dient sowohl in Brüssel als auch in Warschau dazu, sachte und ohne allzu viel öffentliches Aufsehen zu erregen eines der unangenehmsten politischen Probleme der EU zu beseitigen: die blockierten Milliardenbeträge, die Polen aus dem EU-Wiederaufbaufonds zustehen, aber wegen der politischen Ausschaltung der Justiz durch die von der Partei PiS geführte Regierung von der Kommission nicht freigegeben werden.

Offiziell hat sich seit der Rede von der Leyens vor dem Europaparlament am 19. Oktober vorigen Jahres nichts Wesentliches geändert. Sie stellte damals drei Bedingungen an die polnische Regierung, die für die Zustimmung der Kommission zur Auszahlung des Geldes unerlässlich seien. Erstens: Auflösung des laut mehreren Urteilen des Gerichtshofes der EU vertragsrechtswidrigen Disziplinartribunals für die polnischen Richter. Zweitens: Wiedereinsetzung der zahlreichen Richter, die von diesem Tribunal ihres Amtes enthoben worden sind. Drittens: grundlegende Änderungen des Disziplinarsystems für die polnischen Richter, damit sie nicht mehr dem politischen Druck der Regierung unterworfen sind. Es geht um 58,1 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt, von denen 23,9 Milliarden Euro direkte Zuschüsse und 34,2 Milliarden Euro niedrigst verzinste Kredite sind.

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