Schlaflosigkeit

Acht Prozent der Österreicher leiden an chronischer Schlaflosigkeit

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Eine aktuelle österreichische Schlaferhebung der Medizinischen Universität Wien gibt Aufschluss über krankhafte Schlaflosigkeit und das Verhalten bei der Suche nach Hilfe.

Schäfchen zu zählen statt einfach einzuschlafen – das könnte ein erster Hinweis auf Schlafprobleme sein. Wer über drei Monate hinweg mehrmals pro Woche eine schlechte Schlafqualität wahrnimmt, also nur schwer ein- oder durchschlafen kann und untertags beeinträchtig ist, könnte an Insomnie leiden. Ein Begriff, der für chronische Schlaflosigkeit steht und von der 7,8 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen zwischen 18 bis 67 Jahren betroffen sind. Das besagt eine aktuelle Studie der Medizinischen Universität Wien unter der Leitung von Stefan Seidel, der auch die Schlaflabors und die Ambulanz für Schlafstörungen an der Universitätsklinik für Neurologie Wien leitet. Aufgrund von Tagesereignissen kann man schnell einmal schlecht schlafen und sich schlapp fühlen. Als chronisch gelten die Beschwerden erst, wenn sie trotz bester Schlafumgebung häufig sind und den Alltag durch Müdigkeit, Stimmungsschwankungen, Arbeitsunfähigkeit und Konzentrationsstörungen beeinträchtigen.

Ein Viertel ist betroffen. Die Forscher der MedUni Wien haben Schlafprobleme von 1004 Personen (507 weiblich) mit einem Durchschnittsalter von 42 Jahren repräsentativ erhoben. Die Daten wurden 2017 mittels Online-Umfrage erfasst und nach der ICSD-3 Klassifizierung ausgewertet. Sie gilt weltweit in den Schlaflaboren als Standard für die Diagnostik. Fasst man die Definition der Insomnie etwas weiter, sind rund 17 Prozent der Befragten von klinisch relevanten Schlafproblemen betroffen. Für die Diagnose Insomnie muss die Tagesfunktion „sehr stark“ bis „stark“ beeinträchtigt sein, wohingegen bei der breiteren Definition diese nur „etwas“ eingeschränkt ist.

Grundsätzlich klagen 35 Prozent über mehrwöchige Schlaflosigkeit. „Über die Ergebnisse der letzten Jahrzehnte kann man eine Faustregel legen: Ein Viertel der österreichischen Bevölkerung ist unzufrieden mit ihrem Schlaf, was generell auch für andere Länder der westlichen Hemisphäre gilt. Unter ihnen leidet knapp die Hälfte seit einem Jahr an Schlafproblemen“, sagt Gerhard Klösch, Schlaf- und Traumforscher an der Universitätsklinik für Neurologie Wien.

Mentale und körperliche Ursachen. Jüngere Teilnehmer zeigen primär Einschlafprobleme, während bei Personen über 30 Jahren eher nächtliches oder verfrühtes Aufwachen eintritt. „Bis zum 60. Lebensjahr ist die Situation zwischen beiden Geschlechtern vergleichbar, danach sind Frauen überpräsentiert. Dabei handelt es sich primär um Alleinstehende mit geringem Einkommen“, sagt Klösch. Generell scheinen die Gründe für Schlafprobleme fast immer persönliche zu sein oder lassen sich auf private oder politische Tagesereignisse zurückführen. „An dritter Stelle stehen Schmerz und Krankheit, gefolgt von Sorge um Kinder und zu pflegende Angehörige. Schnarchende Partner stehen an letzter Stelle“, weiß Klösch. Neben Lebensumständen ist der Lebensstil auschlaggebend.

Sowohl Rauchen, erhöhter Alkoholkonsum und unausgewogene Ernährung als auch anatomische Veränderungen können den Schlaf beeinflussen. „Beispielsweise sollte bei der Differentialdiagnose an die Schlafapnoe, häufige kurze Atemstillstände während des Schlafs, gedacht werden. Bei Frauen mit chronischem Eisenmangel kann das Restless Legs Syndrom für Einschlafprobleme sorgen. Blutarmut und Depression fallen beispielsweise bei der Tagesmüdigkeit ebenso ins Gewicht“, sagt Seidel.

Weitere Krankheitsbilder. Jedoch gibt es Beeinträchtigungen fernab der klassischen Insomnie. „Bei erhöhtem Schlafdruck, der Exzessiven Schläfrigkeit, schlafen Betroffene bei monotonen Tätigkeiten ungewollt ein, wie beispielsweise bei einer langen Fahrt auf der Autobahn“, sagt Seidel. Das sei nicht zu verwechseln mit der Tagesmüdigkeit oder Fatigue, bei der man sich geistig und körperlich erschöpft fühlt, aber nach einer Ruhepause vorübergehend Besserung eintritt.

Eine weitere Schlafstörung ist die Narkolepsie, von der bereits Kinder und Jugendliche betroffen sein können. Die Erkrankten schlafen tagsüber wiederholt ungewollt ein und leiden unter Kataplexien, die sich durch einen vorübergehenden Verlust der Muskelspannung im Gesicht, Hals oder den Gliedmaßen äußern. Sie werden durch starke Emotionen wie Lachen oder Erschrecken ausgelöst. Fällt die Muskelgruppe aus, kann es beispielsweise zu Stürzen kommen.

Besserung braucht langen Atem. Letztlich stehen Vulnerabilitätssymptome wie Depression oder Sucht an erster Stelle, wenn es um Insomnie geht. Sie können durch einen Berufswechsel oder kritische Ereignisse wie Krankheit, Scheidung und Arbeitslosigkeit verstärkt werden.

Während Personen mit Insomnie zu 53 Prozent Hilfe suchen, sind es bei der breiteren Definition nur mehr 26 Prozent. Deshalb wünscht sich Klösch, den Schlaf wieder in das Bewusstsein aller zu rücken und Seidel, dass mehr in die Erkenntnis der Verhaltenstherapie bei Insomnie investiert wird, um die Patiententreue zu stärken und bei dem Weg aus der Schlaflosigkeit zu helfen.

Zwar starten viele Patienten mit einer Verhaltenstherapie, aber scheitern auf dem langen Weg bis zu einem spürbaren Ergebnis. Hier wäre auch hinsichtlich der Forschung interessant, welche idealen Therapien je nach Subgruppe erfolgreich sein könnte. Medikamente haben häufig noch zu viele Nebenwirkungen, um als Patient der Behandlung treu bleiben zu wollen. Viele Untersuchungen, auch jene im Schlaflabor, können nicht zur Gänze einer gewohnten Schlafbedingung entsprechen. Als Alternative wären „remote“-Techniken wie die Videometrie in Zukunft wünschenswert, die den Schlaf im eigenen Schlafzimmer mittels Künstlicher Intelligenz beobachten und auswerten können.

Es sind viele Faktoren, an denen geschraubt werden kann, um mit der Ein-Viertel-Faustregel zu brechen. Wünschenswert wäre, für die Patienten ein neues Schlafgleichgewicht zu etablieren, mit dem sie gelegentlich Schlafbeeinträchtigungen erfahren, aber im Großen und Ganzen ruhig durchschlafen können. Daher ist es wichtig, jede subjektive Art der Schlaflosigkeit wahrzunehmen und umgehend darauf zu reagieren.

Dieser Artikel stammt aus dem Gesundheitsmagazin April 2022. Hier können Sie das gesamte Magazin lesen.

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