Sanktionen

Schweiz friert Oligarchen-Milliarden ein - doch Kritik bleibt

(c) REUTERS (ARND WIEGMANN)
  • Drucken

Kritiker sagen, die Schweiz könne viel mehr tun. Russisches Vermögen im Wert von umgerechnet mehr als 200 Milliarden Dollar liegt angeblich bei Schweizer Banken.

Die von der Schweiz verhängten Sanktionen gegen russische Oligarchen haben bisher zur Beschlagnahmung von 7,5 Milliarden Franken an Vermögenswerten geführt. Das ist wohl nur ein Bruchteil der Gelder, die Russen über die Schweiz verwalten lassen - und doch stößt das Land an seine Grenzen.

Bislang hat sich die Regierung darauf verlassen, dass Banken die Gelder der sanktionierten Personen melden. Etwa zehn Immobilien wurden durch das Staatssekretariat für Wirtschaft, Seco, konfisziert, melden lokalen Medien. Führende Vertreter mitregierenden Sozialdemokraten sagen jedoch, das Seco verfüge nicht über die Mittel, um diese Aufgabe zu bewältigen.

Kritiker sagen, die Schweiz könne viel mehr tun. Russisches Vermögen im Wert von umgerechnet mehr als 200 Milliarden Dollar liegt angeblich bei Schweizer Banken. Wieviel davon unter die Sanktionen fällt, ist unklar. Erst vor etwas mehr als einem Monat gab die Schweiz wegen des Ukrainekriegs überraschend ihre Neutralität auf und erklärte ihre volle Unterstützung für die Maßnahmen der EU gegen Wladimir Putins Russland.

“Das Seco hat nicht verstanden, dass es einen kompletten Paradigmenwechsel gibt. Es hat nicht einmal die notwendigen Ressourcen, um seine neuen Aufgaben zu erfüllen”, sagte Carlo Sommaruga, Anwalt und Politiker der Sozialdemokraten, gegenüber Le Tribune de Geneve.

Komplexe Fälle

Das Seco argumentiert, dass es alle bisherigen Sanktionsrunden der Europäischen Union voll umgesetzt habe. Die Komplexität der einzelnen Fälle mache dies jedoch zeitaufwändig. Bei einem regulären Ukraine-Briefing auf Beamtenebene könnte heute möglicherweise eine aktualisierte Zahl der bisher beschlagnahmten oder eingefrorenen Vermögen genannt werden.

Die bisher gemeldeten sechs Milliarden Dollar an sanktionierten Vermögenswerten stehen im Vergleich zu rund 800 Millionen in Italien festgesetzten Euros russischer Oligarchen, darunter diverse Luxusyachten. In Deutschland wurden zuletzt gerade einmal 95 Millionen Euro an eingefrorenen Oligarchengeldern gemeldet.

Die Schweiz prüfe ihre mögliche Beteiligung an einer internationalen Task Force zum Aufspüren russischer Gelder und stehe in engem Kontakt mit den USA, sagte Bundespräsident Ignazio Cassis diese Woche in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger. Es sei nicht angebracht, das Vorgehen als “passiv” zu bezeichnen.

Die Schweiz hält sich bedeckt

Freilich hält sich die Schweiz bedeckt dazu, wessen Vermögen beschlagnahmt wurde. Diese Diskretion ist einer der Gründe, der das Land zu einem der weltweit führenden Zentrum für russische Vermögen gemacht hat. Im Gegensatz zu Großbritannien und Italien, wo Yachten oder Luxuswohnungen mit großem Medienecho beschlagnahmt wurden, hat das Seco keine solchen Aktionen mitgeteilt.

Die Schweizer Bankenaufsichtsbehörde Finma sagt, die Banken des Landes leisteten bei der Einhaltung der Sanktionen gute Arbeit, sprach jedoch von einer nie dagewesenen Komplexität.

Der Umgang mit diesen Sanktionen “ist für die Institute keineswegs neu, aber der Umfang und die Komplexität haben stark zugenommen”, sagte Finma-Chef Urban Angehrn und fügte hinzu, dass seine Institution mit der Credit Suisse Group AG und der UBS Group AG sowie den anderen Schweizer Großbanken zu diesem Thema in Kontakt steht. “Die korrekte Durchsetzung von Sanktionen erfordert höchste Sorgfalt.”

Erste Sanktionen bereits 2014 verhängt

Dass nur das Seco und nicht die Finma mit der Durchsetzung der Sanktionen beauftragt wurde, war ein echtes Versäumnis der Schweizer Regierung, sagt Mark Pieth, ehemaliger Rechtsprofessor an der Universität Basel und Experte für Korruptionsbekämpfung. Die ersten Sanktionen gegen Russen mit Vermögen in der Schweiz, darunter Viktor Vekselberg und Gennadi Timtschenko, wurden bereits 2014 verhängt.

“Wie kommt es, dass ein Land wie die Schweiz, das so stark exponiert ist bei russischen Vermögenswerten, darauf so unvorbereitet ist?”, fragte Pieth. “Natürlich konnte niemand das Ausmaß des aktuellen Krieges vorhersehen, aber andere Länder waren anscheinend besser vorbereitet.”

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.