Unter welchen Bedingungen steuerliche Maßnahmen zur Investitionsförderung - wie etwa Sonderabschreibungen und Verlustrückträge - im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld wirklich helfen.
Investitionen sind der Motor der Wirtschaft und damit auch die Basis für Wachstum und Wohlstand. Steuern gelten dabei als wichtiges Instrument zur Gestaltung der Rahmenbedingungen. Allerdings ist die Besteuerung von Unternehmen komplex und die steuerlichen Regeln und Rahmenbedingungen ändern sich häufig. Daher drängen sich folgende Fragen auf: Können steuerliche Maßnahmen zur Investitionsförderung wie etwa Sonderabschreibungen und Verlustrückträge im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld wirklich helfen? Stehen steuerliche Komplexität sowie Länderrisiken den beabsichtigten Wirkungen entgegen?
Jede Woche gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.
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Sonderabschreibungen als Investitionsanreiz?
In etlichen Ländern werden Sonderabschreibungen oder auch sogenannte Superabschreibungen diskutiert oder implementiert, um die Investitionstätigkeit von Unternehmen zu stimulieren. So führten beispielsweise Großbritannien, Italien und Frankreich Superabschreibungen, d. h. Abschreibungen mit Sätzen über 100 % ein. Durch diese Superabschreibungen soll nicht nur eine temporäre Entlastung, sondern eine tatsächliche Förderung erfolgen. Häufiger als diese Superabschreibungen werden Sonderabschreibungen genutzt, die nicht über die Anschaffungs- und Herstellungskosten hinausgehen. Sonderabschreibungen sind weniger belastend für den Staatshaushalt und können dennoch als vielversprechender Anreiz angesehen werden, wenn der Staat bewusst Investitionen fördern möchte. Empirische Studien liefern Evidenz dafür, dass Sonderabschreibungen etwa zielgerichteter als Steuersenkungen wirken und der investitionsfördernde Effekt dann besonders stark ist, wenn sie temporär eingeführt werden. Befragungsstudien verdeutlichen zudem, dass Sonderabschreibungen unter den denkbaren steuerlichen Fördermaßnahmen besonders geschätzt werden. In jüngsten Umfragen unter deutschen Unternehmen unterschiedlicher Größe und Branche geben 46 % der Befragten an, dass Sonderabschreibungen nützlich bzw. besonders nützlich seien, um Investitionen zu fördern. In der COVID19-Pandemie stieg dieser Anteil sogar auf über 70 % an.
Umfassende Verlustrückträge wesentlich?
Je nachdem, wie Sonder- bzw. Superabschreibungen ausgestaltet werden, ist allerdings eine umfassende Verlustverrechnung Voraussetzung dafür, dass sich der angestrebte investitionsfördernde Effekt einstellen kann. Angesichts der wirtschaftlichen Herausforderungen durch die Pandemie und den Ukraine-Krieg ist damit zu rechnen, dass viele Unternehmen zukünftig steuerliche Verluste ausweisen werden. Diese Unternehmen würden von dem Abzug einer Sonderabschreibung als Betriebsausgabe kurzfristig nicht profitieren können. Bei einem umfassenden Verlustrücktrag können heute erzielte Verluste mit Gewinnen aus mehreren vergangenen Jahren verrechnet werden. Steuern, die in der Vergangenheit auf Gewinne gezahlt wurden, werden somit im Verlustjahr erstattet und Unternehmen werden so finanziell gestärkt. Einige Länder haben die Verlustverrechnung bereits verbessert und bspw. den maximal verrechenbaren Betrag sowie den Rücktragszeitraum erweitert. Das ist ein wichtiger Baustein einer Investitionsförderung in Krisen.
Verhindern Länderrisiken Investitionsanreiz?
Es kann jedoch Konstellationen geben, in denen Verlustrückträge nicht investitionsfördernd wirken. Eine länderübergreifende Studie zum Investitionsverhalten von knapp 26.000 börsennotierten Unternehmen liefert Evidenz, dass Verlustrückträge grundsätzlich die Bereitschaft fördern, riskante Investitionen durchzuführen. Allerdings kann es steuerspezifische Länderrisiken geben, die das Vertrauen in die Erstattung von Steuern beeinträchtigen, den stimulierenden Effekt eines Verlustrücktrags schwächen oder diesen sogar vollständig aushebeln. Solche Länderrisiken können bspw. in einer ausgeprägten Staatsverschuldung, kurzfristigen Beeinträchtigungen der Zahlungsfähigkeit eines Staates oder einer schlecht funktionierenden Finanzverwaltung liegen. Eine solche Beeinträchtigung der Wirksamkeit steuerlicher Anreize tritt nicht nur in wirtschaftlich und politisch instabilen Ländern, sondern auch in wirtschaftlich starken und politisch stabilen Ländern auf. Auch dort können bereits vorrübergehende Länderrisiken investitionsfördernde Steuerreformen ins Leere laufen lassen.
Eine internationale Befragungsstudie (siehe auch: https://www.taxcomplexity.org) zu multinationalen Unternehmen und zur Komplexität von Steuersystemen sowie administrativen Prozessen verdeutlicht die Relevanz bestimmter steuerspezifischen Länderrisiken. Steuerkomplexität und bspw. die Rückzahlung überzahlter Steuern (u. a. im Zusammenhang mit Verlustrückträgen) stellen in vielen Ländern ernstzunehmende Probleme dar. So klagen z. B. in Südafrika, Brasilien, Italien, Indien und Mexiko zwischen 75 und 100 % der Befragten über Probleme mit der Rückzahlung von Steuern. Aber auch in Österreich, USA und im Vereinigten Königreich werden hier von ca. 20 % der Befragten Probleme gesehen.
Investitionsförderung im Paket
Die Kombination erweiterter Abschreibungsmöglichkeiten mit erweiterten steuerlichen Verlustrückträgen bildet einen vielversprechenden Investitionsanreiz, insbesondere in wirtschaftlichen angespannten Zeiten. Für die Wirksamkeit dieser Maßnahmen sind allerdings klare und einfache Regeln, verlässlich administrierte steuerliche Prozesse sowie Vertrauen in den Staat, etwa in dessen Zahlungsfähigkeit, wesentlich. Die Wirkungen von Steuerreformen hängen damit von weit mehr ab als von den steuerlichen Regelungen selbst: Hilfestellung im Umgang mit steuerlicher Komplexität sowie ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Steuerpflichtigen und Staat sind essenziell.
Die Autorin
Caren Sureth-Sloane ist seit 2004 Professorin für BWL, insbes. Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Universität Paderborn und Gastprofessorin an der Wirtschaftsuniversität Wien. Sie forscht zu den Wirkungen der Besteuerung auf unternehmerische Entscheidungen und Steuerkomplexität. Sie ist Sprecherin des DFG-geförderten Sonderforschungsbereiches SFB „TRR 266 Accounting for Transparency“, Stellvertretende Vorsitzende des Vereins für Socialpolitik, Vizepräsidentin der Schmalenbach-Gesellschaft und erhielt das Ehrendoktorat der Universitäten Graz und Bremen.

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