Uni-Ministerin Beatrix Karl fordert mehr Leistungsorientierung im Schulsystem. Die Budgetforderungen der FH will sie nicht erfüllen. Über die Ergebnisse der PISA-Studie will sie sich noch nicht äußern.
Die Presse: In Ihrer Partei heißt es, Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) sei allein für die angeblich so schlechten PISA-Ergebnisse verantwortlich. Sehen Sie das auch so?
Beatrix Karl: Ich halte es nicht für sinnvoll, bereits jetzt über einen Test zu sprechen, dessen Ergebnisse noch gar nicht vorliegen. Warten wir doch die Ergebnisse ab.
Es geht nicht nur um die Ergebnisse, sondern um die Verantwortung dafür. Liegt diese allein bei Schmied?
Nein. Verantwortlich ist das Schulsystem. Die entscheidende Frage ist, wie wir es verbessern können.
Kritiker sagen, eigentlich sei die ÖVP, namentlich die frühere Bildungsministerin Elisabeth Gehrer, verantwortlich.
Ich halte wenig davon, Vergangenheitsbewältigung zu betreiben. Gerade wenn die Ergebnisse schlecht sind, müssen wir doch in die Zukunft blicken.
Also der Blick in die Zukunft: Was muss sich ändern, damit Österreich nicht ständig schlechte Ergebnisse bei Studien befürchten muss?
Von ganz zentraler Bedeutung ist natürlich die Lehrerbildung. Mit den Lehrerinnen und Lehrern steht und fällt jede Reform. Wenn die Lehrer nicht gut ausgebildet sind, hilft die beste Reform nicht. Wir brauchen die besten, motiviertesten Lehrer.
Bei einem derart schlechten Image und so niedrigen Einstiegsgehältern: Wollen „die Besten“ denn da überhaupt Lehrer werden?
Angesichts der schlechten Gehälter ist es dringend notwendig, das neue Lehrerdienstrecht auszuarbeiten. Wir müssen die Gehaltskurve jetzt verflachen, da uns eine Pensionierungswelle bevorsteht. Nur so ist das auch leistbar. Und wir benötigen natürlich ein leistungsorientiertes Dienstrecht.
Sind denn Österreichs Lehrer nicht leistungsorientiert?
Wir müssen Anreize schaffen und Belohnungen für Leistung in Aussicht stellen. Wir haben motivierte Lehrer. Aber wenn alle über einen Kamm geschoren werden, egal was sie leisten, sind sie irgendwann demotiviert. Ich denke an finanzielle Anreize und an bessere Karrieremöglichkeiten. Derzeit haben wir starre Systeme, die einen Wechsel zwischen Lehrberuf und Privatwirtschaft erschweren. Daher benötigen wir ein modernes, einheitliches Dienstrecht.
ÖVP-Chef Josef Pröll will plötzlich die Lehrerkompetenzen in die Hände der Länder legen. Das entspricht nicht der ursprünglichen Bundesposition. Warum dieser Kniefall vor den Ländern?
Das ist kein Kniefall. Er gibt keine Kompetenzen ab. Die Bildungsziele, Lehrpläne, Schultypen werden weiter auf Bundesebene festgelegt.
Jeder Jurist und Bildungsexperte sagt, dass die Länder in der Praxis tun können, was auch immer sie wollen, sobald sie die Ausführungsgesetzgebung bekommen.
Die werden sie auch nicht bekommen. Den Wunsch der Länder, die Ausführungsgesetzgebung zu bekommen, werden wir nicht erfüllen können.
Und wer soll dann die Kompetenz über die Lehrer haben?
Auch das Dienstrecht soll künftig bundeseinheitlich ausgestaltet sein. Die Frage, wo die Lehrer angestellt werden – beim Bund oder bei den Ländern –, halte ich für nebensächlich.
Ihre Kollegin Schmied sagt aber, es gebe einen Konsens, dass alle Lehrer zum Bund sollen.
Das halte ich nicht für die zentrale Frage.
Ganz unabhängig davon gibt es aber eine Vereinbarung.
Es gibt ein Papier zwischen Wissenschafts- und Unterrichtsministerium, das hat mein Vorgänger gemeinsam mit Ministerin Schmied erarbeitet.
Und was steht da drinnen? Bundes- oder Länderkompetenz?
Da steht die Bundeskompetenz im Zentrum. Das Papier ist aber nicht im Ministerrat beschlossen, sondern Grundlage für Verhandlungen mit den Ländern, die erst geführt werden müssen. Was mir wesentlich wichtiger ist als die Kompetenzfrage, ist, dass in der Schule mehr auf Leistung abgestellt und nach Leistung differenziert wird. Kinder haben unterschiedliche Begabungen und Schwächen. Darauf muss der Unterricht aufbauen.
Diese Differenzierung kann aber auch in einer gemeinsamen Schule der Zehn- bis 14-Jährigen funktionieren.
Die Differenzierung kann in jeder Schulform funktionieren.
Zu Ihrem Konzept des „Gymnasiums für alle“, das ÖVP-intern heftig kritisiert wurde, stehen Sie also weiter?
Ja, wenn es eine starke Leistungsorientierung gibt. Der Name ist zweitrangig.
Zur Uni-Politik: Der Hochschulsektor erhält ab 2011 jährlich 80 Millionen Euro zusätzlich. Die Unis fordern nun den gesamten Betrag für sich.
Die Unis werden einen Großteil der Summe erhalten.
Die Fachhochschulen (FH) fordern ein Drittel der Summe, also rund 25 Millionen Euro im Jahr, um die Studienplätze ausbauen zu können. Werden Sie die FH enttäuschen?
Unis und FH haben unterschiedliche Ausgangspositionen. Während die FH ausbauen wollen, benötigen die Unis das Geld, um überhaupt den Betrieb aufrechterhalten zu können. Zweiteres ist natürlich vordringlich wichtig. Die FH werden einen Teil des Geldes bekommen, dazu stehe ich. Aber nicht in der geforderten Höhe.
Ab 2013 soll es eine Studienplatzfinanzierung geben. Die Unis erhalten einen Fixbetrag pro Studenten. Das ist nur möglich, wenn der Zugang flächendeckend beschränkt wird, wogegen sich die SPÖ immer gewehrt hat. Wie ist es Ihnen gelungen, den Koalitionspartner umzustimmen?
Die Regierungsspitze wird mir wohl kaum ein nach oben offenes Budget zur Verfügung stellen, also müssen wir die Kapazitäten natürlich berücksichtigen. Kanzler Werner Faymann hat sich klar zu diesem Konzept bekannt.
Zur Person
Beatrix Karl (ÖVP) ist seit Jänner dieses Jahres Wissenschaftsministerin. Die 42-jährige Juristin war zuvor Professorin für Arbeitsrecht an der Uni Graz und Generalsekretärin des ÖVP-Arbeitnehmerbundes ÖAAB. Bei Koalitionspartner SPÖ sorgt die Ministerin mit der Forderung nach Studiengebühren an den Unis für Ärger. Sie bekundete Sympathie für ein Gesamtschulmodell, was ihr innerparteilich Probleme einbrachte.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27. November 2010)