Scheitern von Kopenhagen kostete eine Billion Dollar

(c) AP (Israel Leal)
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Das Zwei-Grad-Ziel dominiert seit einem Vierteljahrhundert die globale Klimadebatte. Die Internationale Energieagentur (IEA) hat berechnet, dass das Erreichen des Ziels immer teurer wird, je länger man damit zuwartet.

Wien/Cancún. Die Festlegung des „Zwei-Grad-Ziels“ ist der einzige konkrete Beschluss, der beim gescheiterten UN-Klimagipfel in Kopenhagen vor einem Jahr getroffen wurde. Dieses Zwei-Grad-Ziel ist seit einiger Zeit so etwas wie der „Heilige Gral“ der Klimapolitik: Eine globale Erwärmung in diesem Ausmaß seit Beginn der Industrialisierung um 1850 herum ist, so der Konsens unter Mainstream-Klimaforschern, noch halbwegs verträglich für das Leben auf der Erde. Stärkere Erwärmung führe hingegen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu unabsehbaren Schäden.

Um dieses Ziel zu erreichen, müsse der CO2-Gehalt der Atmosphäre bei 450 ppm (Teilchen CO2 pro Million Luftmolekülen) stabilisiert werden. Vor Beginn der industriellen Revolution lag die CO2-Konzentration bei rund 280ppm, im Vorjahr lag sie bei 387 ppm (was einer Erwärmung um seither 0,8Grad entspricht). Die – nicht bindenden – Versprechungen, die die Staaten heuer an die UN gemeldet haben, reichen nach einhelliger Einschätzung nicht aus, um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. Ohne die Einführung „grüner“ Technologien würde der Treibhausgas-Gehalt der Luft auf 650ppm ansteigen. Das würde laut gängigen Klimamodellen eine Erhöhung der globalen Temperatur um rund 3,5Grad bedeuten.

Hohe Investitionen

Das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen ist aber teuer: Laut Internationaler Energieagentur (IEA) sind dazu zusätzliche Investitionen in Höhe von 11,6Billionen Dollar bis zum Jahr 2030 nötig. Und: Jede Verzögerung kostet Geld, weil die CO2-Einsparungen dann umso größer ausfallen und umso rascher durchgeführt werden müssten. In Zahlen: Vor dem Gipfel von Kopenhagen hat die IEA die nötigen zusätzlichen Investitionen auf 10,6Billionen Dollar geschätzt. Der Schluss daraus: „Der gescheiterte Gipfel in Kopenhagen hat uns mindestens eine Billion Dollar gekostet“, so die Experten der IEA.

Villach als Geburtshelfer

Das Zwei-Grad-Ziel bestimmt bereits seit einem Vierteljahrhundert die globale Klimapolitik. Es wurde Anfang der 1980er-Jahre von Wissenschaftlern formuliert, den „Elfenbeinturm der Forschung“ verlassen hat es Mitte der 1980er – und Österreich spielte dabei eine Schlüsselrolle: In Villach fand damals eine Reihe von Konferenzen statt, die vom UN-Umweltprogramm UNEP, der Weltwetterorganisation WMO und dem International Council for Science (ICSU) organisiert wurde, ein weiterer Workshop wurde im italienischen Bellagio abgehalten.

1987 wurden die „Villach-Bellagio-Normen“ beschlossen – darunter das Zwei-Grad-Ziel sowie eine als „verträglich“ angesehene Erhöhung des Meeresspiegels um 20 bis 50Zentimeter. Diese Normen fanden rasch Eingang in große internationale Klimakonferenzen, etwa in die UN-Gipfel von 1988 in Toronto und 1992 in Rio.

Villach war übrigens der Ort einer zweiten weitreichenden Weichenstellung: 1987 wurde dort die Grundstruktur des Weltklimarates IPCC beschlossen. Dieses Expertengremium, in das auch alle Regierungen der Welt eingebunden sind, erstellte seither vier „Sachstandsberichte“, die das etablierte Wissen der Klimaforschung zusammentragen. Nun starten die Arbeiten am fünften IPCC-Report. 13 der 831 beteiligten Wissenschaftler kommen aus Österreich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2010)

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