Innovation

Bundesrat-Enquete sucht Zukunftschancen für Peripherie

EU-Landwirtschaftskommissar a.D. Franz Fischler meint, es brauche zunächst eine genaue Definition.
EU-Landwirtschaftskommissar a.D. Franz Fischler meint, es brauche zunächst eine genaue Definition.APA
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Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher will regionale Arbeitsmärkte künftig über Ländergrenzen hinweg betrachten. Umweltministerin Gewessler sieht Potenzial in der Energiewende.

Periphere Regionen haben es nicht nur in Österreich schwer: Fehlende Kinderbetreuungsangebote führen zur Abwanderung junger Familien, Homeoffice ist in Regionen ohne Breitband erschwert, die Vereinbarkeit von Job und Familie wird immer entscheidender im Wettbewerb um Arbeitskräfte, so der Problemaufriss der Bundesratsvorsitzenden Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP). Bei der Enquete "Die Zukunft dezentraler Lebensräume" wird am Mittwoch in der Länderkammer über Lösungen diskutiert.

Wenn man gezielt die peripheren Regionen unterstützen wolle, müsse man diese zunächst konkret definieren. "Sonst bleibt das Ganze ein Torso", warnte der frühere EU-Landwirtschaftskommissar Franz Fischler (ÖVP) in seiner Keynote. Dabei ortete er Handlungsbedarf sowohl bei weit von wirtschaftlichen oder politischen Zentren entfernten als auch bei schwach entwickelten Regionen. Entscheidend für eine erfolgreiche Weiterentwicklung ist für ihn die Einbindung der Bevölkerung. "Wenn wir es nicht schaffen, dass die Leute das zu ihrer Sache machen, hilft auch eine Förderung nichts."

Für Problemregionen brauche es Entwicklungspläne, und dabei dürfe man nicht allein auf eine zukunftsfähige Landwirtschaft setzen. "Ohne Landwirtschaft geht es nicht, aber Landwirtschaft allein ist auch zu wenig." In der EU-Strategie für das Jahr 2040 sei etwa die Stärkung der Gemeinden und Kommunen vorgesehen, u.a. durch Verbesserung der Entscheidungsstrukturen, bessere Anbindungen an den öffentlichen Verkehr, mehr Breitbandanschlüsse und bessere Vernetzung von Peripherie und Zentren - und das auch über Grenzen hinweg. "Es braucht Innovation auch in den peripheren Zonen", betonte er, auch wenn das mangels Infrastruktur schwieriger zu organisieren sei. Er wünscht sich auch in der Peripherie Voraussetzungen, um internationale Arbeitskräfte anzuziehen. Ein wichtiger Faktor seien dabei Bildungseinrichtungen.

Kocher ortet „regionalen Mismatch"

Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) nannte den höchst unterschiedlichen "regionalen Mismatch" bei Arbeitsplätzen und Arbeitssuchenden als große Herausforderung bei Personalsuche und Unterstützung von Arbeitslosen. So reiche die Arbeitslosigkeit von 3,6 Prozent in Oberösterreich bis zu 10,2 in Wien. In der Bundeshauptstadt gebe es die Hälfte der Lehrstellen-Suchenden, aber nur ein Zehntel der Lehrstellen. Gleichzeitig gebe es in Oberösterreich fünf offene Lehrstellen pro Lehrstellensuchendem und erstmals seit Langem auch mehr gemeldete offene Stellen als Arbeitslose. Angesichts so unterschiedlicher Herausforderungen brauche es eine regional abgestimmte Arbeitsmarktpolitik, betonte Kocher, der Österreich hier mit den Regionalstellen des Arbeitsmarktservice (AMS) allerdings bereits gut aufgestellt sieht. In Zukunft sollte man noch stärker in regionalen Arbeitsmärkten über Grenzen hinaus denken, als Beispiel nannte er Vorarlberg, die Schweiz und Liechtenstein. Im Wettbewerb um Fachkräfte müssten zudem die Arbeitsbedingungen attraktiver werden.

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) betonte die Energiewende als Zukunftschance der peripheren Regionen. In ihr stecke enormes Potenzial nicht nur bei der Lebensqualität und Unabhängigkeit (Stichwort Ukraine-Krieg), sondern auch für den Wirtschaftsstandort und den Arbeitsmarkt in den peripheren Regionen. Immerhin brauche es für alternative Energiegewinnung etwa durch Windräder viel Fläche, und diese gebe es eben in der Peripherie. Dort würden dann auch die lokalen Investitionen getätigt, die Umsetzung erfolge durch regionale Betriebe. Als Beispiel nannte sie die "Wärmewende", immerhin seien Geothermie, Wasser und Holz lokale Güter. Würde in der Region um Hartberg zu 100 Prozent auf fossile Wärmeversorgung gesetzt, bringe das sechs Vollzeitstellen in der Region, bei einer komplett erneuerbaren Wärmeversorgung hingegen 61, rechnete Gewessler vor. Hier brauche es freilich gute Zusammenarbeit, um auch die benötigten Fachkräfte vor Ort zu haben. "Das macht einen riesigen Unterschied für die Regionen." Auch Kreislaufwirtschaft und nachhaltigen Tourismus nannte die Ministerin als Entwicklungschancen für die Regionen.

(APA)

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