Das jüngste rechtsextreme Attentat und ein Appell aus Asien haben die Debatte neu entfacht. Aber sie verdeckt die erzielten Fortschritte. Und ethnische Minderheiten selbst sehen sich der Mitte der Gesellschaft viel näher als gedacht.
Wie ist das möglich? Ein junger Mann schießt zehn Schwarze tot und filmt sich dabei, angestachelt von der irren Idee weißer Überlegenheit und dem Wahn von einem „großen Austausch“ der Bevölkerung. Das Entsetzen über das Blutbad von Buffalo Mitte Mai einte die Amerikaner, ausnahmsweise. Am gestrigen Mittwoch besuchten die Stars der Popband BTS aus Südkorea Präsident Biden im Weißen Haus und zeigten sich bestürzt über den jüngsten Anstieg fremdenfeindlicher Attacken auf Asiaten. Beides wirft die Frage neu auf: Wie virulent ist Rassismus in den USA?
Dass es um die Beziehungen zwischen den Ethnien „schlecht“ oder „eher schlecht“ bestellt sei, meinten im Vorjahr 57 Prozent der Amerikaner – der höchste Wert seit zwei Jahrzehnten. Aber spannt man zeitlich den großen Bogen, zeigt sich bei den Einstellungen ein anderes Bild. 1958 lehnten noch 94 Prozent der Weißen Mischehen mit Farbigen ab, heute sind es zehn Prozent. Gewiss, das sind zehn Prozent zu viel, aber doch ein gewaltiger Fortschritt. Ähnlich bei schwarzen Opfern von Polizeigewalt: Ihre Zahl ist um rund 70 Prozent niedriger als in den 1960er-Jahren. Im Jahr 2019 wurden 13 unbewaffnete Afroamerikaner von der Polizei getötet, und doppelt so viele Weiße. Das Verhältnis entspricht nicht den Bevölkerungsanteilen, auf Schwarze schießen Polizisten also überproportional oft. Aber dass die Demokraten den Rassismus als politisches Thema so ins Zentrum gerückt haben, ist als Reaktion auf Trump zu erklären – und aus der Ungeduld, dass es nach so langem Kampf überhaupt noch Thema ist.