Libyen/Italien

Geheimdienste: Russland will Italiens Wahlkampf durch Migrationsdruck beeinflussen

Migrants rescued by the Libyan Coast Guards in the Mediterranean Sea arrive in Garaboli
Migrants rescued by the Libyan Coast Guards in the Mediterranean Sea arrive in GaraboliREUTERS
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Libysche Milizen und Söldner der russischen Wagner-Gruppe treiben angeblich verstärkt Menschen auf Flüchtlingsboote Richtung Italien. Dahinter könnte auch der größere Plan stecken, ganz Westeuropa durch einen neuerlichen Migrantenansturm zu destabilisieren.

Beunruhigende Nachrichten im Zusammenhang mit dem Migrantenansturm auf Europa: Libysche Milizen um den mächtigen General Khalifa Haftar, unterstützt von russischen Söldnern der berüchtigten Wagner-Gruppe, fördern angeblich die illegale Migration auf Booten Richtung Italien und sekundär Malta.

Sie wollten damit Italien und Europa unter Druck setzen, berichtet die römische Zeitung „La Repubblica“ am heutigen Freitag, wobei sie sich auf Quellen in den italienischen Geheimdiensten bezieht. Ziel sei auch eine Beeinflussung der Wahlkampagne für die Parlamentswahl in Italien.

„Libyen ist eine Kanone gegen Italien"

„Libyen ist eine Kanone, die gegen Italien gerichtet ist. Die Einwanderung ist in Hinblick auf den italienischen Wahlkampf die mächtigste Waffe für diejenigen, die die Parlamentswahl im September beeinflussen wollen", zitierte das Blatt eine Quelle der Geheimdienste.

Mit einer starken Zunahme der Migrationsbewegungen aus Afrika in Richtung Südeuropa wolle Russland den Sieg der ausländerkritischen Mitte-Rechts-Parteien bei der Parlamentswahl am 25. September begünstigen, die Russland gegenüber freundlich eingestellt seien, heißt es es im „La Repubblica"-Bericht. Allein heuer sind fast 39.000 Migranten nach Seefahrten übers Mittelmeer in Italien eingetroffen. Im Juli hat die Zahl stark zugenommen.

Als Favorit im Wahlkampf gilt die ausländerkritische Partei „Fratelli d'Italia" (Brüder Italiens) im Bündnis mit der Lega um Ex-Innenminister Matteo Salvini und der rechtskonservativen Forza Italia von Ex-Premier Silvio Berlusconi. Italienische Medien haben zuletzt immer wieder über eine mögliche Einmischung Moskaus in die Regierungskrise in Rom spekuliert, die vor einer Woche zum Rücktritt von Premier Draghi geführt hatte. Die drei Regierungsparteien Lega, Fünf Sterne und Forza Italia, die Draghi ihr Vertrauen entzogen hatten, hätten alle gute Verbindungen zu Moskau und sich kritisch gegen weitere italienische Waffenlieferungen an die Ukraine geäußert. Forza Italia-Chef Berlusconi sei seit Jahren als enger Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin bekannt.

Bei seiner letzten Ansprache vor dem Parlament hatte Premier Draghi "Versuche" beklagt, "die Unterstützung der italienischen Regierung für die Ukraine, unseren Widerstand gegen Präsident Wladimir Putins Pläne zu schwächen".

Moskau benützt Migrationsdruck als Waffe

Dass Russland Migrationsströme etwa aus Afrika, Nahost und Zentralasien nach Westeuropa verstärken will, um es zu destabilisieren, wird schon seit langem beobachtet. Dabei baut der Kreml zugleich auf die interne Fraktionierung in Ländern speziell wie Deutschland und Österreich, wo er laute, prononciert migrationsfreundliche politisch-aktivistische Minderheiten gegen die migrationskritische, aber eher stille Mehrheit ausspielen kann, wie Beobachter kommentieren.

Das gleiche hatte Belarus 2021 praktiziert, als Diktator Alexander Lukaschenko aufgrund der EU-Sanktionen gegen sein Land regelrechte Luftbrücken etwa aus der Türkei, dem Nordirak, Syrien und Dubai über Minsk organisiert bzw. ermöglicht hatte, wobei die dabei transportierten Menschen großteils an die Grenzen zu Polen, Lettland und Litauen weiterreisten bzw. mit staatlicher Hilfe befördert wurden. Daraus resultierte ein monatelanger Belagerungszustand an der dortigen EU-Außengrenze samt zahlreicher „hässlicher Szenen", weil Tausende Asylfordernde vor den schwer bewachten Grenzanlagen hängenblieben. Nur einem kleinen Teil gelang die Weiterreise primär nach Deutschland.

Im Vorjahr blieb Europa hart

Im August 2021 bezeichnete Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki das Vorgehen Lukaschenkos sogar als „hybriden Krieg". Letztlich blieben die Sicherheitskräfte und Regierungen der betroffenen östlichen EU-Staaten aber hart, zugleich waren die Forderungen nach humanitären Grenzöffnungen, die andere EU-Länder und NGOs erhoben, diesmal anders als während der sogenannten „Völkerwanderung" 2015 recht verhalten. Auch entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass Menschen, die mit Gewalt versuchen, EU-Grenzen zu überschreiten, pauschal zurückgewiesen werden dürfen - Ausgangsfall war einer der zahlreichen Migrantenanstürme auf die spanische Exklave Melilla in Nordafrika.

Die Belarus-Migrationskrise endete dann im Winter allmählich und relativ unauffällig, nachdem die EU auf die Transit- und Herkunftsländer der Migranten auf der Belarus-Achse Druck ausgeübt hatte und diese Länder offenkundige „Migrantenjets" nach Minsk nicht mehr gestatteten. Tausende in Belarus Gestrandete reisten zudem zurück.

(APA/red.)

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