Kroatiens Ex-Premier in Salzburg verhaftet

Kroatiens ExPremier Salzburg verhaftet
Kroatiens ExPremier Salzburg verhaftet(c) AP (Darko Bandic)
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Ivo Sanader, der in die Hypo-Affäre verstrickt sein soll, wird in Kroatien wegen Amtsmissbrauchs und Bildung einer kriminellen Vereinigung gesucht.

Wien/Eid/Ag. Er gilt als eine der schillerndsten Politikerpersönlichkeiten auf dem Balkan. Auch hierzulande sorgte er zuletzt für Schlagzeilen – im Zusammenhang mit der Affäre um die Hypo Alpe Adria. Freitagabend klickten auf Grund eines internationalen Haftsbefehls die Handschellen: Kroatiens früherer Premierminister wurde auf der Tauernautobahn im Land Salzburg verhaftet. Der Zugriff der Polizei erfolgte bei der Mautstelle St. Michael. Sanader war in Begleitung seines Bruders und behauptete, er sei unterwegs zu seinen Rechtsanwälten.

Die kroatische Justiz wirft dem Politiker Amtsmissbrauch in mehreren Fällen vor. Sanader, dessen Haus Freitagfrüh von der Polizei durchsucht wurde, bestreitet alle Anschuldungen. Es gilt die Unschuldsvermutung. Kroatischen Medienberichten zufolge wollte Sanader offenbar in die USA fliegen. Er soll bei seiner Verhaftung ein Flugticket von München nach Washington mitgehabt haben. Sein Anwalt versicherte jedoch am Freitag, dass sich der Politiker auf der Rückreise nach Kroatien befunden habe. Sanader hielt sich in den vergangenen Monaten oft in den USA auf, da er einen Arbeitskreis an der Columbia University leitet.

Sanader befindet sich nicht in U-Haft, wie kroatische Medien umgehend vermeldeten, sondern in Auslieferungshaft. Kroatien muss binnen 30 Tagen die Fakten vorbringen, auf Grund derer der Ex-Premier ausgeliefert werden soll. Darüber entscheidet ein österreichischer Richter. Sanader kann natürlich auch selbst seiner Auslieferung zustimmen.

Der 57-jährige Politiker hat gute Kontakte in Österreich. Er studierte in Innsbruck Literaturwissenschaft. Im Vorjahr gründete er in Tirol die Firma „Prima Consulting“. Schon in den 80er-Jahren soll Sanader unbestätigten Meldungen zufolge in Tirol Firmen besessen und auch eine politische Vereinigung gegründet haben. Aus dieser Zeit sollen die ersten Kontakte zum späteren Hypo-Chef Wolfgang Kulterer stammen. Kulterer und Sanader sollen sich regelmäßig getroffen haben, behauptete im Zuge der Hypo-Ermittlungen der ehemalige Leiter der Treasury-Abteilung der Bank, Christian Rauscher.

Sanader gilt als eine der Schlüsselfiguren im Hypo-Skandal: Er soll Geschäftsfreunden Kredite der Hypo vermittelt und dabei selbst mitgeschnitten haben. So etwa soll er von einer Firma „Globus Grupa“ 410.000 Euro erhalten haben, um sicherzustellen, dass das Unternehmen von der Hypo einen Kredit bekomme. Außerdem soll Sanader nach einem Treffen mit dem ehemaligen bayrischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber Druck auf den Chef der kroatischen Nationalbank,  Eljko Rohatinski, ausgeübt haben, damit dieser dem Verkauf der Hypo an die BayernLB zustimme. Sanader streitet alles ab: „Ich habe niemals Provisionen angenommen.“ Es seien auch keine sonstigen illegalen Zahlungen an ihn gegangen, ließ der Politiker ausrichten.

Kroatiens Generalstaatsanwalt Mladen Bajic scheint anderer Meinung zu sein. Er soll schon im Jänner amerikanischen Diplomaten gesagt haben, dass gegen Sanader in mehreren Korruptionsfällen ermittelt werde, besonders im Zusammenhang mit der Hypo. Dies geht aus Depeschen der US-Botschaft in Zagreb hervor, die von WikiLeaks veröffentlicht worden sind.

„Schwarzer Fonds“ der Partei

Jetzt geht es den kroatischen Behörden um den Verdacht des Amtsmissbrauchs und der Bildung einer kriminellen Vereinigung im Zusammenhang mit drei Fällen: Über die Medienfirma „Fimi Media“ sollen Gelder aus öffentlichen Unternehmen entwendet worden sein. An die Aluminiumfirma TLM soll Strom billig verkauft worden sein. Und das staatliche Stromunternehmen HEP soll in Millionenhöhe geschädigt worden sein.

Alle führenden Vertreter der genannten Firmen sollen schon gegen Sanader ausgesagt haben. Mit dem Geld, das in einen „schwarzen Fonds“ der Regierungspartei „Kroatische Demokratische Gemeinschaft“ (HDZ), dessen Chef Sanader war, eingezahlt worden war, sollen teure Wahlkampagnen finanziert worden sein. Auch zahlreiche Parteikollegen sollen bedient worden sein. Sanader, der von 2003 bis 2009 Ministerpräsident war, wurde nach dem gescheiterten Comeback in die Politik 2010 aus der HDZ ausgeschlossen.

Bereits am Donnerstag verhaftete die Polizei den Unternehmer und deutschen Honorarkonsul in Rijeka, Robert Jezic. Er besitzt die Chemieholding „Dioki“, die unbestätigten Berichten zufolge von der HEP billigen Strom gekauft haben soll. Jezic ist offenbar auch in die Hypo-Affäre verwickelt. In einem Brief soll Kulterer Jezic als Hypo-Lobbyisten und engen Vertrauten Sanaders bezeichnet haben.

Auf einen Blick

Ivo Sanader, der per internationalem Haftbefehl wegen Amtsmissbrauchs und Bildung einer kriminellen Vereinigung gesucht wird, wurde am Freitagabend in Salzburg gefasst. Der ehemalige kroatische Premier ist eine Schlüsselfigur in der Affäre um die Hypo Alpe Adria. Der 57-Jährige hatte am Donnerstag eine „Dienstreise“ ins Ausland angetreten.

Der Politiker studierte in Rom und Innsbruck. Sanader wurde nach dem Tod Franjo Tudjmans Chef der Regierungspartei HDZ. Weil er die ultrarechten Kreise in der Partei entmachtete, wurde er „Drachentöter“ genannt. 2003 wurde Sanader Premier, 2009 trat er überraschend zurück. 2010 wurde er aus der HDZ ausgeschlossen. [AP]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2010)

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