Die Verhaftung des kroatischen Ex-Premiers in Salzburg lässt manch einen Vertreter der Polit- und Wirtschafts-Prominenz auch in Österreich nervös werden. Wenn er auspackt, könnte das neuen Stoff für die Justiz geben.
Sie werden viel zu besprechen haben. Wenn Kroatiens Ministerpräsidentin Jadranka Kosor am Montag bei ihrem Besuch in Wien Bundeskanzler Werner Faymann trifft, wird es nicht nur um die guten Beziehungen und den EU-Beitritt des Balkanstaates gehen. Nach der Verhaftung von Kosors Vorgänger Ivo Sanader auf der Tauernautobahn im Land Salzburg dürfte Sanaders Zukunft– aber noch mehr seine Vergangenheit – viel Gesprächsstoff bieten. Zumal Sanader eine Schlüsselrolle in der Affäre um die Hypo Alpe Adria spielt und Kosor sich dem Kampf gegen die Korruption verschrieben hat.
In Österreich endete nicht nur die Karriere des aus Split gebürtigen Politikers. Hierzulande, genau genommen in Tirol, begann auch seine Laufbahn. Sein Bruder lebt noch heute in Tirol. Bis in die Studienzeit in Innsbruck reichen die Ursprünge des umfangreichen Netzwerks, das der Kroate über die Jahre aufgebaut und verfeinert hat. Die Namen, die dabei auftauchen, lesen sich wie ein Auszug aus dem Who's who der heimischen Politik und Wirtschaft – wenn auch der eine oder andere nicht mehr ganz so strahlt.
Mit Ex-Hypo-Chef Wolfgang Kulterer, den er in den achtziger Jahren über die Hypo Tirol kennengelernt haben soll, teilt Sanader jetzt nicht nur die – eher zweifelhafte – Erfahrung, wie es so ist, im Gefängnis zu sitzen. Kulterer ist nach drei Monaten U-Haft vor Kurzem entlassen worden. Über Sanader wurde am Samstag die Auslieferungshaft verhängt. Sie dauert mindestens 14 Tage.
Mann der ersten Stunde. Sanader gilt als einer der Männer der ersten Stunde, als es galt, für die junge Republik Kroatien Investoren zu finden – und eine Bank, die Kredite für Infrastrukturprojekte vom Hotel bis zur Yacht-Marina vergibt. Da kam die Hypo, die ohnedies Expansionsgelüste hegte, gerade recht. Und noch etwas war offenbar wichtig: „Die politische Spitze Kroatiens entschied sich für die Hypo, weil sie mitmilfe dieser Bank mehr als eine Mrd. Dollar abgezweigtes kroatisches Geld in Umlauf brachte, das wiederum kontinuierlich durch für die Hypo zweckmäßige ,Parainvestitionsfonds‘ in die Republik Kroatien, nach Italien, Liechtenstein, in die Schweiz sowie andere Staaten der ehemaligen Republik Jugoslawien floss“, heißt es in dem der „Presse am Sonntag“ vorliegenden Bericht des kroatischen Parlaments zur Hypo. Bei den „heißen“ Geschäften zwischen Kärnten und Kroatien ging es oft um die Vermittlung von Krediten, wo Sanader kräftig mitgeschnitten haben soll. Ein konkreter Fall, in den sich die Staatsanwaltschaft in Zagreb offenbar verbeißt: ein Kredit an den kroatischen Tycoon Miroslav Kutle, wo für Sanader 410.000 Euro herausgesprungen sein sollen. Er selbst hat alle Vorwürfe wiederholt bestritten, es gilt die Unschuldsvermutung.
Benko: „Keine Geschäfte“.Sanader unterhielt aber nicht nur zu Kulterer enge Kontakte. Und er hatte und hat hierzulande auch nicht nur mit der Hypo zu tun. Weshalb einige Damen und Herren zwischen Wien, Zagreb und Innsbruck etwas nervös werden, wenn sie daran denken, dass Sanader aus dem Nähkästchen plaudern könnte. Schließlich könnte das auch neuen Stoff für die Justiz geben.
Zurück nach Tirol: Dort wollte es der Zufall, dass Sanader einen jungen Mann kennenlernte, der mit Immobilien ein Vermögen machte: René Benko. Der Investor macht kein Hehl aus dem Kontakt. „Ich bin früher viel mehr in Tirol gewesen, da haben wir einander kennengelernt“, sagt Benko zur „Presse am Sonntag“. Geschäfte habe er aber nie mit Sanader gemacht, dementiert Benko Gerüchte, dass ihm der kroatische Politiker bei einem Bürohaus in Zagreb „geholfen“ habe. „Wir haben das Bürohaus fertig von einer Bank gekauft, Mieter ist die kroatische Telekom.“ Zudem sei Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer Vorsitzender des Beirats seiner Signa-Holding. „Die (Gusenbauer und Sanader, Anm.) kennen sich ja aus ihrer Zeit als Regierungschefs“, sagt Benko. Auch Ex-Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer sitzt im Benko-Beirat. Mit Michael Passer hatte Sanader unbestätigten Meldungen zufolge auch eine Firma in Innsbruck.
Sanader und die hohe österreichische Politik: Da kommt auch Wolfgang Schüssel ins Spiel. Der ehemalige ÖVP-Kanzler traf mehrfach mit seinem Amtskollegen aus dem Süden zusammen. Unter anderem war Sanader 2004 Gast Schüssels auf dem Opernball.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2010)