Ivo Sanader führte sein Land an die EU heran. Sein eigener Weg brachte ihn ins Gefängnis.
Er war viele Jahre die große Hoffnung des Westens. Ivo Sanader war der Mann, der seine Partei aus der düsteren Tudjman-Ära herausführte. Und der maßgeblich mithalf, dass das einstige Kriegsland Kroatien die Straße in Richtung EU nahm. Nun führte ihn sein persönlicher Weg in eine Zwei-Mann-Zelle in der Justizanstalt Salzburg. Auf sehr viel Mitleid kann Sanader in Kroatiens Öffentlichkeit nicht hoffen. Denn trotz seiner politischen Verdienste wurde der Ex-Premier zuletzt zur Symbolfigur für Korruption und politischen Machtmissbrauch.
„Wer den Rechtsstaat will, muss die Konsequenzen tragen. Alle sind vor dem Gesetz gleich, ohne Ausnahme.“ Trocken kommentiert der frühere kroatische Präsident, Stipe Mesić, im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“ die Verhaftung Sanaders. „Wenn ein ehemaliger Premier vor Gericht steht, wird das Image Kroatiens im Ausland dadurch beschädigt.“
Das Verhältnis zwischen Mesić und Sanader war nicht immer einfach: Ursprünglich gehörten sie derselben Partei an, der „Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft“ (HDZ) des Kriegspräsidenten Franjo Tudjman. Mesić trat jedoch aus der Partei aus. Und er ging deutlich auf Distanz zum rechten Flügel der HDZ. Das tat später auch Sanader – auf seine Weise.
Nach Tudjmans Tod 1999 wurde Sanader neuer HDZ-Chef. Mit dem Ableben von Kroatiens altem autoritären Staatschef und dem Sturz des serbischen Machthabers Slobodan Milošević im Jahr danach, begannen sich auf dem Balkan die Zeiten zu ändern. Nun galt es nicht mehr, Schlachten mit Kalaschnikows auszufechten. Die neuen Kämpfe waren diplomatischer Natur – zwischen den Balkanstaaten und Brüssel, um möglichst rasch den Weg in Richtung EU einschlagen zu können.
Ivo Sanader erkannte das. Er entmachtete die Rechtsaußen-Elite der HDZ und ging daran, die Bewegung in eine moderne Mitte-rechts-Partei umzuwandeln. 2003 wurde er Premier. Um seinem obersten außenpolitischen Ziel – dem EU-Beitritt – näherzukommen, setzte er Schritte, die nationalen Zirkeln so gar nicht gefielen: etwa die Zusammenarbeit mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag bei der Jagd nach kroatischen „Kriegshelden“.
Der Weg bergab. Mit seiner Politik erwarb sich Sanader Anerkennung in Kroatien und in der EU. Bis zu dem Zeitpunkt, als erste Gerüchte über unlautere Machenschaften auftauchten, erste Medienberichte über Sanaders teure Armbanduhrenkollektion, die er mit seiner Premiersgage allein kaum hätte erwerben können. Dann sein plötzlicher Rücktritt 2009 und sein ebenso überraschender – vergeblicher – Versuch, erneut in Partei und Regierung die Macht zu übernehmen. Von da an ging es bergab: Sanader wurde aus der HDZ ausgeschlossen, die kroatische Justiz begann sich mit Korruptionsvorwürfen gegen ihn zu beschäftigen.
„Das war ein Schock für die Öffentlichkeit“, meint der Politikwissenschaftler Žarko Puhovski. Nun könne Kroatien zeigen, dass der Rechtsstaat funktioniert. „So lange es einen Berlusconi in der EU gibt, kommt Kroatien mit der Causa Sanader noch gut weg.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2010)