Buchklub-Geschäftsführer Gerhard Falschlehner rät den Eltern, ihre Vorbildwirkung ernst zu nehmen. Kinder sollen ihren Buchgeschmack selbst entdecken dürfen.
Die Presse: Sie behaupten, dass immer mehr Kinder „spracharm“ in die Schule kommen. Warum ist das so?
Gerhard Falschlehner: Wir haben das große Problem, dass es in vielen Familien keine Lesekultur mehr gibt. Man kann davon ausgehen, dass 30Prozent der Eltern lesefern sind. Den Kindern wird nicht mehr vorgelesen und außerdem fehlen ihnen die Rollenvorbilder. Wenn sie die Eltern nicht lesen sehen, dann ist die Lust, selbst lesen zu lernen, auch gering.
Eltern mit 40-Stunden-Jobs fehlt aber oft die Zeit.
Das ist richtig. Man muss mit Schuldzuweisungen sehr vorsichtig sein. Aber gerade Leseförderung ist keine zeit- und kostenintensive Aufgabe. Um ein Kind optimal zu fördern, reicht es aus, zehn bis 15 Minuten pro Tag gemeinsam zu lesen. Und ich denke, diese Viertelstunde für das eigene Kind ist auch dann möglich, wenn man gestresst ist. Auch die eigene Vorbildwirkung darf nicht vergessen werden. Ein Kind sollte seine Eltern nicht nur vor dem Fernseher sitzen sehen, sondern auch beim Lesen beobachten können. Diese Vorbildwirkung sollte man nicht unterschätzen.
Die Mediennutzung hat sich grundlegend verändert. Wie könnte man Bücher wieder attraktiver machen?
Kinder sollen ihren eigenen Geschmack entdecken und verwirklichen können. Ich würde allen Eltern empfehlen, dem Kind nicht irgendwelche Bücher zu schenken, sondern das Kind in eine Buchhandlung oder Bibliothek mitzunehmen und selbst aussuchen zu lassen. Die wichtigste Leseerfahrung für ein Kind ist: Das, was mich interessiert, kann ich in einem Buch finden. Dass das beim Fernsehen klappt, wissen die Kids. j.n.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2010)