Der ökonomische Blick

Klimaschutz und Recycling: Kann Österreich EU-Richtlinien effektiv umsetzen?

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In der österreichischen Politik wird die heimische Abfallwirtschaft häufig als Vorreiter präsentiert, was aktuell durchaus eine fragwürdige Sichtweise ist. Österreich hat deutlichen Nachholbedarf.

Die österreichische Regierung hat mit der brandneuen Klima- und Transformationsoffensive [1] ein Zeichen zur Förderung von Unternehmen hin zu klimafreundlicher Produktion gesetzt. Wie sieht es jedoch beim anderen Ende der Wertschöpfungskette, der Abfallwirtschaft aus? Hier lohnt es sich, am Beispiel der aktuell gültigen Verpackungsrichtlinie, die Wirkung einer einheitlichen EU-Gesetzgebung sowie deren Umsetzung in nationales Recht zu beleuchten.

Jede Woche gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.

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Was schreibt die EU mit ihrem Kreislaufwirtschaftspaket vor?

Ein großer Schritt der letzten Novelle des Kreislaufwirtschaftspaketes 2018 [2] war unter anderem die klare Zielsetzung von Recyclingquoten, sowie deren EU-weit vereinheitlichte Berechnungsmethode. Bis zu diesem Zeitpunkt oblag es nämlich jedem Staat selbst, für sich zu definieren, wie eine Recyclingquote berechnet wird, was zu Schwierigkeiten bei der Vergleichbarkeit führte. Für Kunststoffabfälle schreibt die EU demnach ab 2025 eine Recyclingquote von 50 Prozent vor und ab 2030 eine sogar noch höhere Quote von 55 Prozent. Seit Beginn 2021 wird EU-weit außerdem eine Plastiksteuer eingehoben, welche pro Kilogramm nicht recyceltem Plastik 80 Cent beträgt und direkt ins EU-Budget geht.

Österreich als Vorreiter in der Abfallwirtschaft?

In der österreichischen Politik wird die heimische Abfallwirtschaft häufig als Vorreiter präsentiert, was aktuell durchaus eine fragwürdige Sichtweise ist. Tatsächlich hat Österreich, historisch gesehen, beispielsweise im Bereich der Deponiegesetzgebung und der anschließenden weitgehenden Umstellung von Deponierung auf Verbrennung eine Vorreiterrolle eingenommen. In der jüngeren Geschichte jedoch kann Österreich dieser Vorreiterrolle in weiten Bereichen leider nicht mehr gerecht werden. Das lässt sich aus den jährlichen Veränderungen der Recyclingquoten von Kunststoffverpackungen erkennen. Diese sind im EU-Schnitt seit 2010 von 34,1 Prozent, fast jedes Jahr leicht angestiegen und liegen 2019 bei 40,6 Prozent. Spanien zum Beispiel hat ganz gezielt jedes Jahr eine deutliche Steigerung der Quote erreicht und sie von 29,2 Prozent im Jahr 2010 auf 51,5 Prozent in 2019 gesteigert und damit bereits das EU-Ziel für 2025 überschritten. Ganz im Gegensatz dazu verbleibt Österreich bereits ab 2011 unterhalb des EU-Durchschnitts und hat sogar eine rückläufige Recyclingquote von 34,1 Prozent im Jahr 2010 auf 30,8 Prozent in 2019 bei einem Sollwert von 50 Prozent in 2025. (siehe Abbildung 1)

Abbildung 1: Jährlicher Verlauf der Verwertungsquoten von Kunststoffverpackungsabfällen in Deutschland, Spanien, Österreich sowie dem EU-Schnitt. Quelle: Eurostat

Umsetzung der Verpackungsrichtlinie in Österreich

Wie bei EU Richtlinien üblich, werden diese nicht direkt in nationales Recht übernommen, sondern geben lediglich Ziele vor, die für Mitgliedsstaaten bindend sind. Es steht dann jedem Mitgliedsstaat frei, Mittel und Wege zu definieren, wie die Ziele der Richtlinie zu erfüllen sind oder sich selbst höhere Ziele zu stecken.

Zurück zur bereits erwähnten „Plastiksteuer“, welche ja seit Jänner 2021 gilt. Sie zielt primär darauf ab, die Hersteller der Kunststoffverpackungen dazu zu bewegen, ihre Produkte dementsprechend zu gestalten, dass ein möglichst hoher Anteil davon tatsächlich recycelt werden kann. Dieser recycelte Anteil ihrer Verpackungskunststoffe ist dann frei von besagter Plastiksteuer. Die Lenkungswirkung dieser Steuer kann aber nur greifen, wenn die Verpackungshersteller diese auch selbst begleichen. Allerdings entschied der damalige Finanzminister Blümel noch 2020, dass aufgrund der dadurch entstehenden hohen Kosten für die Industrie, diese Abgabe in Österreich durch Steuergeld aus dem allgemeinen Budget beglichen wird, anstatt diese Abgabe direkt an Industrie und Endverbraucher weiterzugeben. Die logische Konsequenz dessen waren eine fehlende Lenkungswirkung der Steuer, da der Recyclinganteil tendenziell sinkt [4] sowie Kosten für den Staat Österreich von bis dato insgesamt 220 Millionen Euro [5].

Ende 2021 hat das österreichische Bundesministerium für Klimaschutz als Maßnahme beschlossen, ab 2025 ein Einwegpfand für Plastikflaschen (und Getränkedosen) einzuführen, um nach Möglichkeit die EU-Ziele doch noch zu erreichen. Eine Studie [6], die ein solches System in Deutschland einer kritischen Betrachtung unterzieht, kommt zu dem Ergebnis, dass dieses zwar wirkt aber nicht alleine stehen sollte. Idealerweise gibt es demnach parallel dazu noch Maßnahmen, die Mehrwegprodukte begünstigen.

Am Beispiel der Umsetzung der Verpackungsverordnung vom EU-Recht in das österreichische Recht lässt sich einerseits erkennen, dass die EU sehr ambitionierte Ziele im Bereich Nachhaltigkeit und Klimaschutz gesetzt hat. Andererseits zeigt sich, dass Österreich trotz neuer nationalen Gesetze, was Kreislaufwirtschaft angeht, noch deutlichen Nachholbedarf hat.

Der Autor

Philip Krukenfellner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Lehrstuhls für Aufbereitung und Veredlung an der Montanuniversität Leoben. Aktuell schreibt er seine Dissertation über Digitalisierung in der Roh- und Reststoffaufbereitung und leistet damit einen Beitrag zur Prozessoptimierung im Recycling.

Philip Krukenfellner
Philip Krukenfellner

Quellen:

[1] Link zum Artikel: https://www.diepresse.com/6201417/gruene-milliarden-aus-den-budgets-von-uebermorgen
[2] Quelle: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_18_3846
[3] Quelle: https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/ENV_WASPACR__custom_3396719/default/line?lang=en
[4] Quelle: https://www.diepresse.com/6125401/oesterreich-bei-plastiksteuer-unter-den-spitzenreitern
[5] Quelle: https://greenpeace.at/news/plastikmuell-kostet-steuerzahlerinnen-bisher-schon-220-mio.-euro/
[6] Quelle: https://doi.org/10.15358/0340-1650-2018-1-49

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