Geldpolitik

Baut die EZB ab 2023 Anleihen ab?

In den vergangenen Jahren hat die Zentralbank massiv Staatsanleihen gekauft. Nun drängen viele auf Verkäufe.

Washington/Frankfurt. Die Europäische Zentralbank (EZB) kann nach Einschätzung des slowakischen Notenbankchefs, Peter Kazimir, mit dem Abbau ihrer durch die jahrelangen Anleihenkäufe angeschwollenen Bilanz noch bis nächstes Jahr warten, sagte das Ratsmitglied der EZB am Rande des Jahrestreffens des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington.

Das Abschmelzen der Anleihenbestände sei zwar ein unvermeidbarer Bestandteil der geldpolitischen Normalisierung und der geldpolitischen Straffung, „aber das wird nicht in diesem Jahr beginnen“, fügte er hinzu. Der Abbau der Notenbankbilanz über ein Herunterfahren der Anleihenbestände wird in der Fachwelt als quantitative Straffung – kurz QT – bezeichnet.

Die Euro-Wächter hatten sich unlängst erstmals mit diesem Thema beschäftigt. Mit den Diskussionen vertraute Insider hatten gesagt, dass ihnen dabei ein vorläufiger Zeitplan für den Bilanzabbau vorgelegt wurde. Dieser sehe vor, dass die EZB das Vorhaben im Dezember oder im Februar detailliere, wobei das Abschmelzen der Anleihenbestände dann womöglich im zweiten Quartal 2023 starten könne.

Für die anstehende Zinssitzung am 27. Oktober hält Kazimir einen erneuten XXL-Zinsschritt von 0,75 Prozentpunkten wie im September für angemessen. Weitere Erhöhungen könnten notwendig sein, merkte er an. „Wir werden beim neutralen Zins nicht stoppen, wir müssen weiter durchpowern.“ Unter dem neutralen Zinsniveau wird ein Niveau verstanden, bei dem die Wirtschaft weder angeheizt noch gebremst wird. Auch andere Währungshüter hatten argumentiert, dass die EZB die Zinsen womöglich darüber hinaus anheben müsse. Auf dem Finanzmarkt wird aktuell das neutrale Zinsniveau beim Einlagensatz zwischen 1,5 und 2,0 Prozent angesiedelt. Zurzeit liegt der Einlagenzins bei 0,75 Prozent.

Die Falken unter den Ratsmitgliedern der Europäischen Zentralbank (EZB) wollen informierten Kreisen zufolge schon Anfang 2023 mit dem Abbau des 5,1 Billionen Euro schweren Bergs an Wertpapieren beginnen, die die Notenbank angehäuft hat. Unter einigen EZB-Ratsmitgliedern zeichnet sich den Angaben zufolge ein Konsens darüber ab, dass die Schrumpfung der Bilanz im Hintergrund ablaufen sollte, während sich die EZB auf die Zinssetzung konzentriert.

Die Frage, wie die EZB mit der Veräußerung der Anleihen beginnen soll, die sie über mehrere Jahre hinweg im Rahmen von Stimulusprogrammen erworben hat, gilt als heikel. Eine restriktivere Gangart bei der Geldpolitik könnte die Probleme mit Italiens Staatsverschuldung verschärfen. Im Juni hatte ein Abverkauf von italienischen Bonds die EZB gezwungen, ein neues Instrument zur Krisenbekämpfung zu entwickeln.

Turbulenzen in London

Die Turbulenzen auf den Finanzmärkten, mit denen die Bank of England (BoE) in den vergangenen Wochen konfrontiert war, haben gezeigt, wie der Bilanzabbau auch schiefgehen kann. Der niederländische Gouverneur, Klaas Knot, hatte aber diese Woche darauf hingewiesen, dass die EZB anders als die BoE nicht aktiv verkaufen muss, sondern das Portfolio abreifen lassen kann. „Es stellt sich natürlich die Frage, wie die Nettokäufe von Vermögenswerten, die jetzt gestoppt wurden, rückgängig gemacht werden sollen: mit welchem Zeithorizont, in welchem Tempo“, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde.

(Reuters/Bloomberg)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.