Sexismus

Fünf Jahre MeToo - Die Bilanz eines Hashtags

Der Hasthag #MeToo ging 2017 viral. Was ist seither passiert?
Der Hasthag #MeToo ging 2017 viral. Was ist seither passiert?(c) AFP or licensors
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Vor fünf Jahren ging der Hashtag #MeToo viral. Millionen Betroffene sprachen öffentlich darüber, belästigt oder missbraucht worden zu sein. Was hat sich seither geändert?

US-Schauspielerin Alyssa Milano, die das Schlagwort #MeToo in der Debatte um Alltagssexismus und Missbrauch bekannt machte, hat am Samstag an ihren vor fünf Jahren viral gegangenen Tweet erinnert. Sie postete den Original-Tweet vom 15. Oktober 2017 mit dem Hashtag #MeToo in ihren sozialen Medien. Damals twitterte die Schauspielerin: „Wenn du sexuell belästigt oder angegriffen worden bist, schreibe ,ich auch' (englisch: me too) als Antwort auf diesen Tweet.“ 

Damals meldeten sich hunderttausend Betroffene auf der ganzen Welt und erzählten von ihren Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt. Der Begriff, den die Aktivistin Tarana Burke ursprünglich bereits im Jahr 2006 benutzte, um auf die Gewalterfahrungen von Schwarzen Frauen aufmerksam zu machen, löste eine Lawine von Reaktionen im Netz aus: Eine internationale Bewegung entstand. Nach Angaben des Pew Research Center wurde der Hashtag nach Milanos Tweet binnen eines Jahres mehr als 19 Millionen Mal verwendet.

Weinstein, Cosby, Spacey

Milanos Tweet erfolgte etwa zeitgleich mit den ersten Zeitungsberichten mit Vorwürfen zahlreicher Frauen über sexuelle Übergriffe des Filmproduzenten Harvey Weinstein. Dieser wurde 2020 in New York unter anderem wegen Vergewaltigung zu 23 Jahren Haft verurteilt. Er blieb nicht der einzige prominente Fall. Auch Prozesse gegen andere prominente Männer wie Kevin Spacey, Bill Cosby und R. Kelly machten in den darauffolgenden Jahren Schlagzeilen. Nicht alle aber wurden verurteilt.

Zahlreiche Betroffene auf der ganzen Welt erkannten sich in den Berichten und Erzählungen der (teilweise prominenten) Anklagenden wieder.  In weiterer Folge wurden in einigen Ländern Gesetze gegen sexuelle Gewalt verschärft, zahlreiche Unternehmen führten neue Mechanismen ein, um sexuelles Fehlverhalten zu verhindern und Vorwürfe umfassend aufzuklären. In der Filmbranche setzt die Anti-Missbrauchs-Gruppe Times Up auf Expertinnen und Experten, die Vorwürfe unabhängig prüfen sollen.

Während Weinstein gerade zum wiederholten Male wegen sexueller Übergriffe vor Gericht steht, ist demnächst eine Verfilmung der Causa im Kino zu sehen. Carey Mulligan und Zoe Kazan spielen darin die „New York Times“-Reporterinnen Megan Twohey und Jodi Kantor, die im Herbst 2017 nach schwierigen Recherchen Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen den Filmproduzenten Harvey Weinstein öffentlich machten.

Kritik an der Bewegung

Die richtige Balance zu finden - ein entschiedenes Vorgehen gegen sexuelle Gewalt ohne vorschnelle öffentliche Vorverurteilungen - ist häufig schwierig, zumal die Justiz in vielen Fällen unter anderem wegen Verjährungsfristen nicht zuständig ist. Trotz vieler Fortschritte, beklagen einige, #MeToo habe im Verlauf der Zeit an Schwung verloren.

Der weltweit medial verfolgte Prozess zwischen Amber Heard und Johnny Depp, der mit einem deutlich größeren Schadenszuspruch für Depp endete, führte dazu, dass die „New York Times“ gar das Ende der MeToo-Bewegung ausrief.

Österreichs MeToo-Debatten

Auch in der österreichischen Öffentlichkeit folgten heftige Diskussionen im Zuge der MeToo-Debatte. Noch 2016 war die Einführung des sogenannten „Pograpsch-Paragrafen“, der das ungewollte Berühren ebendort als sexuelle Belästigung definierte, umstritten. Nur zwei Jahre später sorgte ein Verfahren gegen die Klubobfrau der Grünen, Sigrid Maurer, für großes Aufsehen. Diese wurde, nachdem sie einem Lokalbesitzer unterstellt hatte, ihr obszöne und sexualisierte Nachrichten auf Facebook geschickt zu haben, von ihm wegen übler Nachrede angeklagt und in erster Instanz auch verurteilt. Erst eine Wiederholung des Prozesses führte dazu, dass die Klage zurückgezogen und Maurer schließlich freigesprochen wurde. Dass derselbe Mann noch ein Jahr später zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurde, weil er seine Ex-Freundin vorsätzlich getötet hatte, zeigt, dass es von der Belästigung zur tatsächlichen Gewalttat oft nur wenig braucht. Die durch den Vorfall angeregte Debatte um „Hass im Netz“ trug wohl maßgeblich zum 2021 beschlossenen Gesetzespaket bei, das insbesondere Frauen besonders vor Hasspostings im Internet schützen soll.

Ex-Skirennfahrerin Nicola Werdenigg, erhob schwere Vorwürfe wegen systematischem sexuellen Missbrauchs in der Skiszene der 1970er-Jahre. So soll es zu Übergriffe durch „Trainer, Betreuer, Kollegen und Serviceleute“ gekommen sein. Sie selbst sei mit 16 Jahren von einem Mannschaftskollegen vergewaltigt worden. Auch eine weitere Betroffene aus dem Spitzen-Skisport meldete sich zu Wort, sie wollte anonym bleiben.

Die österreichische Filmbranche erlebte ihren MeToo-Moment mit deutlicher Verspätung. Erst diesen Sommer stieß die österreichische Regisseurin Katharina Mückstein in den sozialen Medien eine Debatte über Übergriff in der Filmbranche und am Theater an. Anders als Jahre zuvor in Hollywood blieben die Anklagen in Österreich weitgehend anonym. Mutmaßliche Täter wurden nicht namentlich genannt. Die entsprechende Anlaufstelle „#We_do!“ berichtete danach von deutlich mehr Meldungen.

Tarana Burke über MeToo

Jene Aktivistin, von der sich Milano die Formulierung MeToo geborgt hatte, Tarana Burke, zog in einem kürzlich im Magazin „Time“ veröffentlichten Essay Bilanz über die Erfolge und Misserfolge der MeToo-Bewegung. Der Fokus, den die Öffentlichkeit auf jene individuellen Fälle lege, die im großen Stil in den Gerichtssälen ausgefochten werden, lenke davon ab, was die MeToo-Bewegung wirklich sei und verändern wolle. Nach dem Wachrütteln und der Bewusstseinsbildung, die durch den viralen Hashtag gelungen sei, sei es nun an der Zeit eine Welt ohne sexuelle Gewalt möglich zu machen. Das könne nur gelingen, wenn sexuelle Gewalt als eine Frage der Menschenrechte, als eine Frage der sozialen Gerechtigkeit betrachtet würde - und eben nicht im Kontext individueller Fälle, über die ein Gericht oder die Öffentlichkeit sich ein Urteil bilden könne.

Die Möglichkeit, so Burkes Resümee, an einer Welt ohne sexueller Gewalt zu arbeiten, habe sich erst dadurch aufgetan, dass Millionen Betroffene lautstark zu Wort gemeldet haben. Sie sei als Auftrag zu verstehen - an uns alle.

(chrima/ag. )

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