Gerichtsverfahren

Prozessauftakt in Wien: Der Terror und die Unwissenden

Am Dienstag fand der Auftakt des Terrorprozesses um den Anschlag vom 2. November 2020 statt. Im Gerichtssaal des Straflandesgerichts Wien herrschte Fotografierverbot.
Am Dienstag fand der Auftakt des Terrorprozesses um den Anschlag vom 2. November 2020 statt. Im Gerichtssaal des Straflandesgerichts Wien herrschte Fotografierverbot.APA/GEORG HOCHMUTH
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Sechs Islamisten sollen dem Attentäter von Wien geholfen haben. Doch beim Prozessauftakt will keiner der Männer auch nur irgendetwas mit Terrorismus zu tun haben.

Der schwerste Vorwurf der Anklage lautet auf teils vollendeten, teils versuchten mehrfachen Terrormord. Den vier Männern, die zur Tatzeit schon über 21 Jahre alt waren, droht lebenslange Haft. Den beiden jüngsten Angeklagten, einer 21, einer 22 Jahre alt (zur Tatzeit im Jahr 2020 sogenannte junge Erwachsene) drohen bis zu 20 Jahre Freiheitsentzug.

Insofern gibt es aus Sicht der Verteidigung keine Kompromisse. Entweder oder. Ein bisschen schuldig geht nicht. Und so erklären alle sechs Männer unisono mit dem Wien-Terror nicht das Geringste zu tun zu haben.
Dienstagvormittag. Schwarz maskierte, schwer bewaffnete Justizwachebeamte bringen fünf der sechs Angeklagten in den Großen Schwurgerichtssaal des Straflandesgerichts Wien. Unter regem Publikumsinteresse werden den Männern, die sich teilweise seit knapp zwei Jahren in U-Haft befinden, die Handfesseln abgenommen. Nur einer, der Kosovare A. F. (23) kommt als freier Mann in den Saal. Bei ihm war die U-Haft nach 17 Monaten beendet worden.

Die Staatsanwältin stimmt die Geschworenen ein. Erzählt von den blutigen Anschlägen, die es in Frankreich gab, erklärt dass die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS), zu denen sie auch die Angeklagten zählt, „für die Ermordung von Ungläubigen“ stehe. Und für den Versuch „ein Kalifat auf Grundlage der Scharia zu errichten.“
Dann kommt sie zum Terror in der Wiener Innenstadt, der am 2. November 2020 das Land erschütterte; mit vier Toten und zwei Dutzend, teils schwer verletzten Opfern. Damals wurde der Attentäter K. F., 20 Jahre alt, in Österreich geboren – mit Wurzeln, die nach Nordmazedonien, in die dortige Volksgruppe der Albaner reichen, von der Polizei erschossen. Mit den Worten „Jeder weiß noch, was er am Abend des 2. November gemacht hat“, weckt die Anklägerin düstere Erinnerungen.

„Erinnere mich an die Angst“

Und bringt sich selbst ein: „Ich erinnere mich an meine Fassungslosigkeit. An die Angst und die Panik, die ich verspürt habe.“ Den Anschlag von Wien nennt sie „hinterhältig, geradezu bestialisch.“ Und zählt schließlich die Todesopfer auf. Danach handelt sie mittels Power Point Präsentation die einzelnen Vorwürfe ab. Vieles dreht sich um die Beschaffung der Tatwaffen, als da waren: ein Sturmgewehr, ein Kalaschnikow-Nachbau (mit der Waffe kann man 620 Schuss pro Minute abfeuern), eine Pistole und eine Machete. Bis auf einen Mann sollen die Angeklagten in die Beschaffung der Schusswaffen bzw. der Munition verwickelt gewesen sein. Einem Beschuldigten wird vorgeworfen, die geplante Flucht des Attentäters vorbereitet zu haben. Allen sechs wird IS-Mitgliedschaft angelastet.

Letzteres ist für zwei Angeklagte nicht neu, weisen sie doch bereits frühere Verurteilungen wegen dieses Terrorismus-Tatbestandes auf. Schlussendlich appelliert die Staatsanwältin an die Geschworenen der Anklage zu folgen. Und sie erinnert noch einmal daran, dass es um Indizien gehe. „Das Zusammensetzen der Puzzlesteine ergibt ein klares, ein untrügliches Bild, ein unverrückbares Bild.“

Namens der Angeklagten, A. F. (23), I. B. (21), B. K. (23), H. Z. (28) A. M. (32) und I. S. (22), die bisher ruhig dasitzen und den Worten „ihrer“ Anklägerin lauschen, gehen nun die Verteidiger in die Gegenoffensive. Es gibt keinerlei Zugeständnisse an die Anklagebehörde. Sondern immer wieder die beiden Worte „nicht schuldig“. Und auch als einer nach dem anderen der hochkarätigen Verteidiger-Riege in die Details geht, bleibt die Linie doch immer die gleiche. Mag sein, dass es keine Musterschüler sind, die da sitzen(Stichwort: Vorstrafen), mag sein, dass es sich um streng religiöse Leute handle, mag sein, dass diese den späteren Attentäter persönlich gekannt haben – mit dem Terroranschlag vom 2. November 2020 habe aber keiner auch nur das Geringste zu tun.

Shopping statt Terror

So erklärt etwa Verteidiger David Jodlbauer für A. F., letzterer sei zwar dabei gewesen, als der spätere Attentäter versuchte in Bratislava Munition zu kaufen, aber nur als Randfigur. Eigentlich hätte die Reise in ein Einkaufszentrum führen sollen.

Rudolf Mayer, der Anwalt des 23-jährigen B. K. (ein Österreicher mit türkischen Wurzeln) kritisiert, dass die Anklageschrift Inhalte aufweise, die sich nicht mit den Ermittlungsergebnissen decken würden. Und: Es fehle an einer durchgängigen Indizienkette.

Anwalt Elmar Kresbach, dessen afghanisch-stämmiger Klient H. Z. durch DNA-Spuren an den Schusswaffen und der Munition schwer belastet wird, warnt davor die jungen Männer zu Sündenböcken zu machen. Die Anklage sei „nur ein Gedankenspiel“.

Anfang Dezember wird weiterverhandelt.

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