Prozess

Terror-Prozess in Wien: "Auf den öffentlichen Frieden abgezielt"

APA/GEORG HOCHMUTH
  • Drucken

Die sechs Angeklagten sollen der Staatsanwältin zufolge „ursächlich zur Tat beigetragen haben“. Die Verteidigung spricht von fehlenden Beweisen.

Unter regem öffentlichen Interesse hat am Dienstag am Landesgericht der Prozess gegen mutmaßliche Unterstützer des Attentäters von Wien begonnen. Er hatte am 2. November 2020 in der Wiener Innenstadt vier Passanten getötet und 23 Menschen teilweise schwer verletzt. Der Attentäter K. F. (20) – er bekannte sich zur Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) – wurde von der Polizei erschossen. "Es geht um die Frage, wie es überhaupt so weit kommen konnte", hielt die Staatsanwältin in ihrem Eröffnungsplädoyer fest, um dann die Namen der vier Getöteten zu erwähnen.

"Ich bin davon überzeugt, dass jeder Einzelne von Ihnen weiß, was er am Abend des 2. November 2020 gemacht hat", hatte sich die Anklägerin zu Beginn ihren Ausführungen direkt an die Geschworenen gewandt. Sie räumte ein, sie habe damals selbst "Angst und Panik verspürt". Dem Attentäter und seinen Beitragstätern sei es gerade darauf angekommen: "Ein IS-Mann hat im Namen der IS-Miliz einen Terroranschlag verübt und damit nicht nur die Angehörigen, die Familie und die Freunde der Opfer, sondern uns alle, ganz Österreich ins Herz getroffen."

„Ursächlich zur Tat beigetragen"

Die fünf der sechs Angeklagten waren den Verfassungsschützern seit vielen Jahren als Anhänger der radikalislamistischen Terror-Miliz IS bekannt. Sie hätten "ursächlich zur Ausführung der Tat beigetragen" und damit "auf den öffentlichen Frieden abgezielt". Die Anklägerin begleitete ihre rund einstündigen Ausführungen mit einer Powerpoint-Präsentation. Auch ein vom Attentäter vor dem Anschlag aufgenommenes Bekennervideo, das einer der Angeklagten weitergeleitet und das dann IS-Medien übernommen hatten, wurde im Verhandlungssaal abgespielt.

Eine Spezialeinheit der Justizwache brachte fünf Angeklagte um Punkt 10.00 Uhr in den fast bis auf den letzten Platz gefüllten Großen Schwurgerichtssaal gebracht. Ein weiterer Angeklagter befindet sich auf freiem Fuß. Die sechs Männer im Alter zwischen 22 und 32 Jahren waren laut Staatsanwaltschaft zwar nicht direkt am Terror-Anschlag beteiligt, sollen dem Attentäter im Vorfeld aber geholfen haben. Ihnen werden im Wesentlichen die Verbrechen der Beteiligung an terroristischen Straftaten in Verbindung mit Mord, terroristische Vereinigung und kriminelle Organisation vorgeworfen. Es drohen bis zu 20 Jahre (zwei der jungen Männer waren zur Tatzeit noch sogenannte junge Erwachsene) bzw. bis zu lebenslange Haft.

Zu Waffen verholfen

Die sechs Männer sollen dem Attentäter geholfen haben, an Waffen und Munition zu kommen. Zudem hätten sie ihn in ihren terroristischen Absichten bestärkt. Ein 32-Jähriger tschetschenischer Abstammung soll ein vollautomatisches Sturmgewehr samt passender Munition sowie eine Pistole besorgt und dem Attentäter übergeben haben. Nur wenige Stunden vor dem Anschlag sollen der 32-Jährige und ein 24-jähriger Afghane dem Attentäter bei den letzten Vorbereitungen zum Anschlag, insbesondere bei der Aufbereitung und Munitionierung der Tatwaffen sowie der Herstellung einer Sprengstoffgürtelattrappe zur Hand gegangen sein.

Keiner der Angeklagten - für sie gilt die Unschuldsvermutung - hatte sich im Vorfeld des Prozesses zu den vorgeworfenen Taten bekannt. Im Gegensatz zum Attentäter K. F., der unmittelbar vor seiner Tat ein Bekennervideo ins Netz gestellt hatte.

Verteidiger: „Es ist kein einziger Beweis da"

Die Verteidiger wiesen die Vorwürfe der Anklagebehörde zurück. "Es ist kein einziger Beweis da. Es sind nur Indizien. Aber die Indizienkette ist nicht schlüssig, sie bröckelt da und da", stellte Rechtsanwalt Manfred Arbacher-Stöger fest. Er vertritt einen Angeklagten, der den Attentäter begleitet haben soll, als diesem das bei der Tat verwendete Sturmgewehr übergeben wurde. Sein Mandant habe den Attentäter gekannt ("Sie sind im selben Gebäude aufgewachsen"). Es gebe aber keinen Beweis, dass er je in dessen Wohnung war. Er habe Videos bekommen und weiter verbreitet, "mehr" sei aber nicht da.

Dessen ungeachtet sitze sein Mandant inzwischen seit fast zwei Jahren "unschuldig im Gefängnis", monierte Arbacher-Stöger. Dieser sei mit 19 Jahren in U-Haft genommen worden und werde seither im Gefängnis "abgesondert. Nicht einmal seine Mutter darf ihn besuchen".

„Der Rechtsstaat muss Beweise liefern"

Verteidiger Rudolf Mayer vertritt einen 24-Jährigen, der gemeinsam mit dem späteren Attentäter vom Wiener Landesgericht wegen terroristischer Vereinigung zu 22 Monaten Haft verurteilt worden war. Die beiden hatten IS-Propagandamaterial verbreitet und versucht, nach Syrien zu gelangen, um dort zu kämpfen. Im Dezember 2019 wurden beide Männer unter Anrechnung der U-Haft aus dem Gefängnis entlassen. Mayer stellte in Abrede, dass sein Mandant danach weiterhin - wie von der Anklage inkriminiert - treuer Anhänger des IS gewesen sei.

APA/GEORG HOCHMUTH

Mayer warf der Staatsanwältin vor, insofern unsauber gearbeitet zu haben, als sich in ihrer Anklage wesentliche Punkte anders wiedergegeben fänden als im Abschlussbericht der Ermittler. "Es gibt keine geschlossene Indizienkette", betonte auch Mayer. Eine solche sei aber für einen Schuldspruch erforderlich: "Wir befinden uns in einem Rechtsstaat. Und der Rechtsstaat muss Beweise liefern."

Die Hauptverhandlung wird sich über mehrere Monate erstrecken. Zunächst steht nur ein Verhandlungstag an. Die nächsten folgen im Dezember. Urteile wird es frühestens im Februar 2023 geben.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Einschusslöcher nach dem Anschlag in der Wiener Innenstadt.
Prozess

Waffen für den Wien-Terror - erste Aussagen vor Gericht

Jene Männer, die dem Attentäter von Wien die Kalaschnikow und die Pistole besorgten, wurden als Angeklagte befragt.
Gericht

Terrorprozess: "Wenn ich im Gefängnis jeden Schwachsinn melde, kommt da nie jemand raus"

Der Prozess gegen sechs mutmaßliche Unterstützer des Wiener Attentäters wird fortgesetzt. Ein Tschetschene gab zu, ihm zu dem Sturmgewehr verholfen zu haben. Einem 22-Jährigen soll er im Gefängnis von seinen Plänen erzählt haben.
Die Tatorte in der Wiener Innenstadt wurden nach dem Terror zu Gedenkstätten.
Wiener Anschlag

Terror-Prozess: Waffen im Gefängnis organisiert

Am Dienstag beginnt die Verhandlung gegen sechs Islamisten, die den Attentäter von Wien im Vorfeld unterstützt haben sollen.
Andreas Wiesinger kehrte für „Die Presse“ an den Tatort, ins „Bermudadreieck“, zurück. Er wurde bei dem Anschlag verletzt. Nach Rache ist ihm aber nicht zumute.
Anschlag

Die bittere Aufarbeitung des Wien-Terrors

Ab Dienstag stehen sechs junge Islamisten vor den Geschworenen. Sie sind angeklagt, den Terroristen, der am 2. November 2020 in der Wiener Innenstadt zuschlug, im Vorfeld tatkräftig unterstützt zu haben. Eine Bestandsaufnahme.
Elmar Kresbach
Interview

Wenn Kommissar DNA ermittelt: Die Spuren des vierten Angeklagten

Gemäß DNA-Gutachten wird vor allem H. Z. (28) massiv belastet. Sein Verteidiger Elmar Kresbach winkt dennoch ab: „Kommissar DNA sagt uns nicht, wie es wirklich war.“

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.