Die Turbulenzen rund um den Rücktritt von Liz Truss sind nur ein Teil einer breiteren Krise des britischen Staatsgefüges. Steht das stolze Königreich kurz vor dem Kollaps?
Die vergangenen Wochen, die wohl zu den bizarrsten in der politischen Geschichte Großbritanniens zählten, boten immerhin jede Menge Stoff für Scherze. Manche sind heiter, zum Beispiel dieser: Der Schauspieler Hugh Grant, der in der Romanze „Tatsächlich Liebe“ (2003) den Premierminister gab, war länger Regierungschef als Liz Truss – die Dreharbeiten dauerten etwa drei Monate, also doppelt so lang wie Truss in der Downing Street verbrachte. Andere Witze sind eher der düsteren Sorte: In gerade einmal sechs Wochen habe Liz Truss geschafft, was Möchtegern-Revolutionären in Jahrzehnten nicht gelungen ist, nämlich auf einen Schlag die Queen, das britische Pfund und die Konservative Partei ins Grab zu bringen.
Galgenhumor scheint eine durchaus angemessene Reaktion auf die Turbulenzen der vergangenen sechs Wochen. Zuweilen hatte man das Gefühl, in Westminster werde gerade eine Komödie aufgeführt, oder vielleicht eher eine Tragikomödie. Auf jeden Fall wird die kurze Ära Truss als eine der absurdesten Episoden in die britische Geschichte eingehen. Seit Juli hat Großbritannien vier Finanzminister und drei Innenminister gesehen, und bald wird das Land einen dritten Premierminister in diesem Jahr haben. Das Pfund ist zeitweise auf einen historischen Tiefstand gesunken, und die Notenbank sah sich zu einer Intervention gezwungen, damit die Regierung nicht die ganze Wirtschaft gegen die Wand fährt.