"Endlich wieder Kälte": Wo man den Winter cool findet

(c) AP (Timo Jaakonaho)
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Während man in Mittel- und Südeuropa oft so tut, als sei ein strenger Winter etwas ganz Neues, nehmen die Skandinavier die angeblichen Wetterkapriolen gelassen hin. Und so werden die Radwege zuerst geräumt.

Helsinkis Stadtverwaltung hat dieser Tage ein Problem. So viel Schnee wie die 70 Zentimeter vom vorigen Wochenende gab es in Finnlands Hauptstadt seit fast 100 Jahren nicht mehr, und nun sind alle Hafenbecken, in die man ansonsten die Schneeberge kippt, hoffnungslos überfüllt.

In vielen dänischen und schwedischen Gemeinden wiederum sind die Schneeräumbudgets für den gesamten Winter schon vor Weihnachten aufgebraucht, und wer sein Auto starten will, muss es oft erst unter meterhohen Schneewechten hervorgraben. Und es schneit schon wieder! Das europäische Winterwetterchaos reicht tatsächlich bis in den hohen, natürlich kühleren Norden. Nur: Panik und Katastrophenstimmung wie sonst in Europa herrschen hier deswegen noch lange nicht.

Zwar fahren die Züge in Skandinavien etwas langsamer (und manchmal tatsächlich gar nicht), zwar stockt auch hier der Autoverkehr, und wer fliegt, muss wie etwa derzeit in Großbritannien und Deutschland mit stundenlangen Verspätungen rechnen – doch irgendwie kommt man trotzdem ans Ziel und nimmt's gelassen.

Endlich wieder Normalzustand

Und so werden in Kopenhagen die Radwege zuerst geräumt. Auf den Flughäfen vom norwegischen Oslo bis zum nordfinnischen Rovaniemi ist man mit Enteisungsanlagen und Räummaschinen auf strenge Winter vorbereitet, und im Gegensatz zu Brüssel geht auch das Enteisungsmittel nicht aus. Und in Helsinki erwidert selbst der Taxifahrer auf die Frage, ob ihm die Schneemassen beim Fahren nicht lästig seien: „Lästig? Ich bin froh, dass es endlich wieder Schnee, Eis und Kälte gibt!“ Schließlich galten die letzten paar Winter, als sich kaum ein Flöckchen zeigte, als abnormal. Nun herrscht also wieder Normalzustand.

In der schwedischen Einöde lassen die Schneemengen zwar manchmal die Stromleitungen bersten, aber darauf ist man vorbereitet: Jedes Haus hat noch einen alten, holzgefeuerten Kamin und Herd und Petroleumlampen. Kein Fernsehen? Auch kein Problem. Der Strom kommt schon wieder, auch wenn's manchmal Wochen dauert. Liest man halt. Und Schneeschaufeln ist gut für die Kondition – mit anständiger Pelzmütze, wattierten Fäustlingen und guten Stiefeln friert man auch bei 30Minusgraden nicht und jammert erst gar nicht, wie das etwa viele urbane Österreicher schon bei vier Grad plus tun.

Und in Kopenhagen jubelt Asger Mølgaard, Mitglied des nationalen Langlaufteams, der sonst immer zum Trainieren nach Norwegen musste: „Jetzt brauch ich nur die Skier anschnallen und kann vor der Haustür direkt auf die Loipe.“

Grönland „schwitzt“

Aus dem nördlichen „Eisreich“ Grönland wird unterdessen von für die Jahreszeit ungewöhnlicher Wärme berichtet. Dort liegen die Temperaturen in den bewohnten Küstenregionen um den Nullpunkt, weit über dem üblichen Durchschnitt. Statt des Schneefalls gibt es im Süden der Insel für den Dezember ungewohnten Regen. In der Hauptstadt Nuuk werden für den 24.Dezember Schneeregen und ein Grad plus erwartet.

Der grönländische Rundfunk KNR meldete Wetterrekorde aus der Arktisregion. Im benachbarten Nunavik, dem Nordteil der kanadischen Halbinsel Labrador, habe es in den ersten Dezemberwochen tagsüber meist Plusgrade gehabt. Und im Ort Kuujjuaq regnete es am 1.Dezember erstmals seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2010)

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