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FPÖ-Chats über ORF: „Dazu muss wer rausgeschmissen werden!“

20210810 Election of the new General Director of ORF VIENNA, AUSTRIA - AUGUST 10: Foundation board member Peter Steger (
20210810 Election of the new General Director of ORF VIENNA, AUSTRIA - AUGUST 10: Foundation board member Peter Steger ((c) imago images/SEPA.Media (Martin Juen via www.imago-images)
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In Chats besprach die frühere FPÖ-Spitze, darunter Heinz-Christian Strache, wie mit dem ORF zu verfahren sei. Man wünschte sich mehr Einfluss und konstatierte dem amtierenden Generaldirektor, ein „strammer Schwarzer“ zu sein.

Die publik gewordenen Chats, welche die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in einem 166-seitigen Auswertungsbericht zusammengefasst hat, erschütterten nicht nur „Die Presse“, sondern auch den ORF. TV-News-Chefredakteur Matthias Schrom ist zurückgetreten, am Donnerstag findet im ORF eine Redaktionsversammlung statt. Nun hat das „Profil“ noch weitere Chat-Nachrichten aus den Jahren 2018 und 2019 veröffentlicht: In diesen besprach die frühere FPÖ-Spitze, wie mit dem ORF zu verfahren sei. Thema war unter anderem die GIS: Die mitregierende FPÖ forderte deren Abschaffung mittels Novellierung des ORF-Gesetzes. Der ORF sollte künftig aus dem Bundesbudget finanziert werden – was für Kritik sorgte, hätte es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk so doch abhängiger von der Politik gemacht.

Viel ging es in den Chats freilich um Personal. Harald Vilimsky legt eine „ORF-Chatgruppe“ an, der die FPÖ-Spitze sowie blaue Stiftungsräte angehörten. Der damalige ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz sei „nicht der richtige Mann“, schrieb Norbert Hofer in dieser Gruppe am 14. April 2018. Vilimsky stimmte zu und konstatierte: „Wrabetz darf nicht verlängert werden“. Wenige Tage später beschwerte sich Strache in der Gruppe, dass der türkise Koalitionspartner beim ORF-Gesetz bremse und erklärte das so: „ÖVP bekommt von Wrabetz alle Redaktionswünsche. Haben daher kein Interesse weitere Schritte zu setzen.“ Am 25. April schrieb Vilimsky dann, dass für 2019 ein ORF-Gesetz in Planung sei, dass die Wünsche der FPÖ berücksichtigen soll.

„Weißmann, ein korrekter Schwarzer“

Im November 2018 debattierten Strache und Norbert Steger, damals Vorsitzender des Stiftungsrats, die Möglichkeit, einen Generalsekretär in der Generaldirektion zu installieren. Dieser Posten müsse, so Steger, nicht vom Stiftungsrat abgesegnet werden. Er nannte Roland Weißmann, damals Vize-Finanzdirektor, der im August 2021 zum Generaldirektor gewählt wurde: „Die VP macht derzeit einen Vorstoß für Weißmann, ein korrekter Schwarzer.“

Im Jänner 2019 besprachen Strache, Steger und Vilimsky erst die Abschaffung der GIS, ehe es um Personalfragen ging. „Ohne Personelles wird trotzdem kein einziger FP-Beitrag objektiver und freundlicher werden“, schrieb Steger. „Dazu muss wer rausgeschmissen werden!“ Strache antwortete: „Deshalb brauchen wir ein ORF-Gesetz, wo totale Personalrochaden, Neubesetzungen möglich werden.“ Doch so, Steger, der damalige Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) blockiere und wolle die Wien-Wahl (die im Oktober 2020 stattfand) abwarten. Das wollte Strache nicht, er schrieb im Jänner mehrfach an die Koalitionspartner, dass er eine Reform des ORF-Gesetzes bis Juni fordere.

Im Februar konstatierte Strache: „Der ORF war uns gegenüber nie schlimmer“, schrieb er. „Und alle Umfragen in den Medien sind von der VP bestellt und werden nach Auftrag veröffentlicht.“ Im Februar beschwerte er sich bei Blümel: „Die Berichterstattung ist ein Irrsinn!“

„Schalko gestern im ORF zeigt Handlungsbedarf“

Für Unmut in der FPÖ sorgte auch David Schalkos Mehrheiler „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“. Darin kommt die Figur eines rechtspopulistisches Politikers vor, der sich an dem damaligen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und damaligen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) orientierte. „Schalko gestern im ORF zeigt Handlungsbedarf“, so Strache an Blümel.

Im März 2019 schien das ORF-Gesetz konkreter zu werden, Strache teilte in der Chat-Gruppe seine Vorstellungen für die künftige Führungsstruktur. Steger erinnerte: „Bitte, bitte bei Verhandlungen nicht vergessen: Betriebsräte müssen das Stimmrecht bei Personalentscheidungen im Stiftugnsrat verlieren! Wrabetz wäre ohne deren Stimmen nicht GD (Generaldirektor, Anm.)!“ Zu einer Novelle des ORF-Gesetzes sollte es schließlich nicht mehr kommen. Im Juni wurde das Ibiza-Video veröffentlicht, wenig später war die türkis-blaue Regierung Geschichte.

Weißmann spricht von „verheerender“ Optik

Bereits seit vergangener Woche bekannt sind die Chats von Schrom mit Strache, in denen sich die beiden zur inhaltlichen Ausrichtung der ORF-Berichterstattung und Personalwünschen der FPÖ austauschten. Weißmann hielt am Montag fest, dass die Optik „verheerend“ sei, sieht aber die Glaubwürdigkeit der ORF-Nachrichten außer Zweifel. Dieter Bornemann, Vorsitzender des ORF-Redakteursrats, hielt fest: „Viele Kolleg:innen sind fuchsteufelswild, weil sie hier in eine Sache hineingezogen werden, mit der sie absolut nichts zu tun haben.“

Weder inhaltliche noch personelle Wünsche vonseiten der Politik seien akzeptabel, so Bornemann. „Die Redaktionsvertretung fordert seit langem, den ORF aus den Fängen der Politik zu befreien und ein Ende der parteipolitischen Postenbesetzungen“.

Eine Nachschärfung des Redaktionsstatuts brauche es nicht. „Es weist auf das Recht zur Unabhängigkeit hin, aber auch auf die Pflicht zur Unabhängigkeit. Aber wir sollten darüber diskutieren, ob der ORF-interne Verhaltenskodex nicht mit strengeren Regeln für den Umgang von Journalistinnen und Journalisten mit Politiker:innen nachgeschärft werden muss“, regte Bornemann an. Es gebe zwar Gesetze und Regelungen für den Umgang miteinander, die seien im vorliegenden Fall aber ignoriert worden. „Berufliche Kontakte für das persönliche Weiterkommen zu verwenden, ist eine rote Linie, die nicht überschritten werden darf“, sagte der ORF-Redakteursratvorsitzende.

>> Bericht im „Profil"

(APA/Red.)

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