Klimakonferenz

Klima: Ein Zehntel verursacht fast die Hälfte der Treibhausgase

September 3, 2022, Richmond, British Columbia, Canada: A Turkish Airlines Boeing 777-300ER jetliner (TC-JJU) takes off
September 3, 2022, Richmond, British Columbia, Canada: A Turkish Airlines Boeing 777-300ER jetliner (TC-JJU) takes off(c) IMAGO/ZUMA Wire (IMAGO/Bayne Stanley)
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Das reichste Hundertstel der Welt ist für ein Achtel der Klimabelastung verantwortlich. Das zeigt der Bericht „Global Carbon Inequality“.

Auf der Klimakonferenz in Ägypten wird über ein entscheidendes Thema überhaupt nicht gesprochen, geschweige denn verhandelt: die Verursacher des stetigen Befeuerns des Treibhauseffekts. Bei der Benennung derer, die verursacht haben, dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre in den vergangenen 100 Jahren um gut 50 Prozent und die Durchschnittstemperatur um 1,15 Grad Celsius gestiegen sind, steht die nationale Betrachtung im Vordergrund. Historisch betrachtet sind es Nordamerika und Europa, die die Klimakrise verursacht haben. Diese Berechnung ist nicht falsch.

Richtig ist sie deshalb noch nicht. Denn es gibt noch einen anderen Zugang, der einen völlig anderen Blickwinkel eröffnet. Der macht nicht an den Grenzen der Nationalstaaten Halt, sondern schaut auf die soziale Verteilung. Lucas Chancel, Forscher im „World Inequality Lab“ der Paris School of Economics, hat im Februar eine Arbeit veröffentlicht, die genau diesen Blickwinkel eingenommen hat: „Global Carbon Inequality, 1990 – 2019“. Gearbeitet wurden dabei mit Daten aus den Jahren 1990 bis 2019.

Demnach hat das reichste Hundertstel 1990 exakt 14% des Ausstoßes von Treibhausgasen verursacht. Die ärmste Hälfte der Menschen verursachen hingegen 12%, und das reichste Zehntel ist für 48% der Treibhausgase verantwortlich.

Und noch eine Zahl hat Chancel errechnet: 2019 hat das reichste ein Prozent der Bevölkerung schon 17% der Treibhausgase verursacht – um ein Fünftel mehr innerhalb von drei Jahrzehnten.

Reiche Asiaten emittieren mehr als reiche Europäer

Auch die ärmste Hälfte der Weltbevölkerung hat beim Verbrauch zugelegt, von 9,5 auf 12%. In beiden Fällen um ein Fünftel mehr, allerdings in absoluten Zahlen weniger. Und außerdem geht es in der einen Gruppe um siebzig bis achtzig Millionen Menschen, in der anderen um vier Milliarden.

Auf die einzelnen Erdteile umgelegt, ergibt sich allerdings ein sehr unterschiedliches Bild: In Europa verursacht das reichste Zehntel 30 Tonnen Treibhausgase, während die ärmste Hälfte fünf Tonnen verursacht. In den USA sind die Unterschiede zwischen Superreichen (70 Tonnen) und den Ärmsten (weniger als zehn Tonnen) größer.

In Ostasien liegt die Diskrepanz zwischen drei und 40 Tonnen. In Süd- und Südost-Asien gehen auf das Konto des reichsten Zehntels weniger als elf Tonnen, die ärmste Hälfte liegt bei einem Verbrauch von einer Tonne. Die Mengenangaben beziehen sich auf den Verbrauch pro Jahr und Person.

Den Umstand, dass die arme Hälfte der US-Bevölkerung beim CO2-Verbrauch ungefähr auf dem gleichen Niveau wie die Mittelklasse in Europa liegt, führt der Forscher darauf zurück, dass es in den USA eine wesentlich ineffizientere Energiewirtschaft gebe. Auffällig ist auch, dass das reichste Zehntel in Ostasien und im Mittleren Osten mehr emittiert als die reichsten zehn Prozent in Europa.

Auf eine Strecke von drei Jahrzehnten vergleichend kommt der Forscher zum Schluss, dass 1990 die Ungleichheit im Verbrauch vor allem durch die Ungleichheit zwischen den einzelnen Ländern zu begründen gewesen ist. Am Ende des Untersuchungszeitraum gibt es die Trennlinien entlang von Staatsgrenzen kaum noch: Die Unterschiede liegen innerhalb der Staaten zwischen den sozialen Schichten der Bevölkerung.

Und auf die vergangenen 100 Jahre betrachtet „hat die Ungleichheit zwischen den 1920er und 1970er Jahren tendenziell abgenommen, während sie in den vergangenen 50 Jahren wieder zugenommen hat“, heißt es in der Arbeit.

Interessant ist auch, bei den Superreichen zu differenzieren: 0,01 Prozent der Weltbevölkerung (knapp weniger als 800.000 Personen; ein Hundertstel des wohlhabendsten Hundertstels) sind für den Ausstoß von 3,9% des Kohlendioxids verantwortlich. Jährlicher Pro-Kopf-Verbrauch: 569 Tonnen CO2.

Steuer-Berechnung für Großbritannien: 143 Mrd. Euro

Global betrachtet ist eine Milliarde Menschen für weniger als eine Tonne (wieder: pro Kopf und Jahr) CO2 verantwortlich; drei Mrd. Menschen finden sich zwischen 3,1 und 13 Tonnen wieder und sieben Millionen bei etwa 130 Tonnen. Der globale Durchschnittsverbrauch: zwischen 1,5 bis acht Tonnen, wobei sich die untere Grenze gegen zwei Tonnen schiebt. Der entscheidende Faktor, der den Klima-Footprint vergrößert, ist das Investment (in Projekte, die den Ausstoß von Treibhausgasen verursachen); der Konsum ist nur zu einem Drittel der Treiber auf dem Treibhaus-Konto der Superreichen.

Der Berechnung zugrunde liegen Statistiken und deren Verknüpfung – etwa der Weltbank, Statistiken über Konsum, Haushaltseinkommen und auch – sofern verfügbar – Steuerdaten. Eine solide Datenbasis besteht für mehr als 170 Länder.

Auf diese Erkenntnisse setzt der unabhängige britische Thinktank „Autonomy.work“ auf. Dort haben Luiz Garcia und Will Stronge Berechnungen angestellt und kommen zur (hypothetischen) Frage: „Wenn Großbritannien eine Steuer auf den überproportionalen CO2-Verbrauch des wohlhabenden Hundertstels eingehoben hätte: Wie hoch wären dann in den vergangen zwei Jahrzehnten die Einnahmen gewesen?“

Zur Beantwortung haben die beiden Wissenschaftler den CO2-Preis herangezogen, den das schwedische Finanzministerium in die diesbezügliche Diskussion in Skandinavien eingebracht hat: 130 Euro pro Tonne CO2. Hätte eine solche Steuer auf dieser Basis ausschließlich die 670.000 Superreichen in Großbritannien betroffen, so wären in den zwei Jahrzehnten 143 Mrd. Euro zusammengekommen – pro Kopf und Monat weniger als 1000 Euro. Die 143 Milliarden entsprechen, so die Autoren, dem fünffachen Betrag, der derzeit für die britischen Off-shore-Windparks aufgewandt wird oder dem Dreifachen der Kosten für die britische Photovoltaik-Kapazität.

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