Klimakonferenz

Klima: "Globale Steuern, Schuldenerlass"

November 12, 2022, Madrid, Spain: Protesters hold a banner that says Cop27 stop greenwashing , during the demonstration
November 12, 2022, Madrid, Spain: Protesters hold a banner that says Cop27 stop greenwashing , during the demonstration(c) IMAGO/ZUMA Wire (IMAGO/Luis Soto)
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Das Ziel, die Erhitzung der Atmosphäre auf 1,5 Grad zu beschränken, ist „in weiter Ferne“, aber doch noch erreichbar – das ist eine Bilanz österreichischer Wissenschaftler nach dem Ende der Klimakonferenz in Ägypten.

Die Minus-Punkte überwiegen, die Analyse der am Wochenende zu Ende gegangenen Klimakonferenz in Sharm-El-Scheikh ist sehr kritisch, enthält aber auch Lichtblicke. Für Renate Christ, die zehn Jahre lang das Sekretariat des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) geleitet und 25 Klimakonferenzen besucht hat, steht auf der positiven Seite, dass es das Bekenntnis zu Klimagerechtigkeit gegeben hat. Damit sei zu Beginn der COP 27 gar nicht zu rechnen gewesen. Aus ihrer Perspektive ist dies zu diesem Zeitpunkt vor allem als vertrauensbildende Maßnahme zu werten.

Auf der Veranstaltung von „Science for Future“ und „Diskurs. Das Wissenschaftsnetz“ übt Christ heftige Kritik an der Verhandlungsführung durch Ägypten: „Es ist zu wenig Gewicht auf die Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen gelegt worden. Hier hatte die Konferenzführung zu wenig Nachdruck ausgeübt. Es gab zu wenig Transparenz.“

Und weiter: „Es ist gut – und war längst überfällig -, dass es jetzt ein Bekenntnis zu einem Finanzierungsinstrument gibt, mit dem Schäden und Verluste in den Ländern abgegolten werden können, die in den am stärksten betroffenen Ländern auftreten. Aber wir dürfen nicht vergessen: Wer von „Schäden und Verlusten“ spricht, spricht auch von Menschen. Und die sind mit Geld nicht auszugleichen.“

Renate Christ erläutert, dass auf dem Niveau von 2010 die Treibhausgas-Emissionen 2030 bei 66 Gigatonnen wären, nach dem Pariser Abkommen (2015) würde das Ausmaß auf 58 gesunken. „Nach Vorliegen der Pläne bewegen wir uns bei etwa 55 Gigatonnen. Notwendig ist aber nicht ein Minus von acht oder elf Gigatonnen, sondern 25.“

Außer Reichweite sei jedenfalls das Ziel, bis 2025 die Spitze an emittierten Treibhausgasen zu erreichen. Dies wäre notwendig, um zu vermeiden, dass Kipppunkte (wie etwa das Schmelzen des arktischen Eises) erreicht werden. Aufgrund der derzeitigen Zusagen dürfte die globale Durchschnittstemperatur um 2,4 Grad Celsius steigen (bis 2100).

Christ: „Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind eindeutig: Das wäre eine Katastrophe.“ Vor diesem Hintergrund sei es bemerkenswert gewesen, dass sich viele Delegationen in Sharm-El-Sheikh vom 1,5 Grad-Ziel de facto hatten verabschieden wollen. Hier war letztlich der Druck der Industriestaaten entscheidend, dass derartige Bestrebungen nicht erfolgreich waren.

Ins Schlussdokument sind relativierende Formulierungen gelangt, die hinter dem 1,5 Grad zurückblieben. „Das 1,5 Grad-Ziel ist noch möglich, aber es ist sehr weit weg. Greifbar ist es derzeit nicht“, sagt der Risikoforscher Reinhard Mechler. Er forscht an sozio-ökonomischen Aspekten der Klimakrise und ist Lead-Autor mehrerer IPCC-Berichte. Derzeit leitet er die Forschungsgruppe für Systemrisiko und Resilienz des IIASA.

Regeln sollen in zwei Jahren stehen

Die nächsten beiden Jahre werden jedenfalls entscheidend – bis 2024 sollen die Regeln stehen, nach denen die Loss & Damage-Finanzierung ausgeschüttet werden kann. Gefordert ist sie von 134 Staaten worden, Bezieher sind in erster Linie 58 Länder im globalen Süden, die lediglich für fünf Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. In ihnen leben 1,5 Milliarden Menschen. „Sie bilden die verwundbarste Gruppe, die die Auswirkung der Klimakrise bereits heute zu spüren bekommen.“ Je stärker die Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur, desto größer wird diese Gruppe.

Mechler glaubt, dass die nächsten Jahre in der Klima-Diskussion entscheidend werden. Die konkreten Regeln der Finanzierung des Loss & Damage-Topfes sollen in zwei Jahren stehen. Der Wissenschaftler sieht die Entscheidung für das neue Finanzierungsinstrument, auch die Möglichkeit, dass andere, globale Ideen dazukommen.

Welche? „Schuldenerlass ist da zu nennen“, so Melcher, „oder eine globale CO2-Steuer.“ Er fordert auch, dass Weltbank und Internationaler Währungsfonds oder Entwicklungsbanken sich mit den Anforderungen des Klimawandels auseinandersetzen.

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