#MeToo

Geschichte der Ex-Skiläuferin Nicola Werdenigg wird verfilmt

INTERVIEW: WERDENIGG
INTERVIEW: WERDENIGG(c) APA (EVA MANHART)
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Vor fünf Jahren erzählte Werdenigg, dass sie während ihrer Karriere sexuell missbraucht und vergewaltigt wurde. Regisseur Antonin Svoboda dreht einen Film darüber mit Gerti Drassl in der Hauptrolle.

Vor fünf Jahren rüttelte Ex-Skiläuferin Nicola Werdenigg Österreich mit einem Interview auf: Sie erzählte darin von jahrelangem Machtmissbrauch, sexuellem Missbrauch und dass sie als 16-Jährige von einem Mannschaftskollegen missbraucht wurde. Der Fall beschäftigte Gerichte und brachte andere Fälle ins Rollen. Nun wird die Geschichte auch verfilmt: Regisseur und Drehbuchautor Antonin Svoboda, der Werdenigg zufällig in einer griechischen Taverne kennenlernte, verfilmt Werdeniggs Geschichte in "Persona Non Grata", der 2023/24 ins Kino kommen soll. Gedreht wird u.a. in Wien, Südtirol und Griechenland. "Das Thema gehört transportiert", sagte Werdenigg am Set in Wien.

Gerti Drassl spielt die an Werdenigg angelehnte, jedoch fiktionale Andrea. Bereits im Zuge ihrer Rolle in der Volkstheater-Inszenierung "Heldenplätze" musste sie sich mit der Thematik auseinandersetzen: Sie spielte eine Frau, deren Held Skirennläufer Toni Sailer ist, gegen den es Vergewaltigungsvorwürfe gab. Nun wird nun zu einer Frau, die gegen Machtmissbrauch im Skiverband ankämpft. Skifahren musste sie da wie dort nicht, sagt die Schauspielerin. Ihre Begabungen, so Drassl lägen woanders.

"Je näher der Skilift, desto größer waren die Anfeindungen"

Es werde schnell be- und verurteilt, niemand frage sich jedoch, wie es der Person dahinter gehe, meinte Svoboda. Gemeint sind damit die Nachwehen von Werdeniggs Interview. Persona non grata war diese damals vor allem in Bergnähe: "Je näher der Skilift, desto größer waren die Anfeindungen", erzählte sie. Die Menschen hätten nicht verstanden, dass es ihr nicht darum gehe, ihren Sport anzupatzen, sondern um eine notwendige Veränderung im System. "Es war schon arg. Manche haben gemeint: 'Wieso kommt sie jetzt damit?' Aber ich habe auch irrsinnig schöne Reaktionen erlebt. In Wien haben mich wildfremde Frauen in der Straßenbahn umarmt. Da habe ich gemerkt, dass das gut und richtig ist."

Wie es dem Menschen dahinter geht, will Svoboda nun zeigen. Die Fiktionalisierung biete außerdem die Möglichkeit, mit der Figur einer Tochter (gespielt von Maya Sarah Unger) zu erzählen, wie Traumata in Familien weitergegeben werden, meinte der Regisseur. Andrea verliert im Film außerdem ihren Mann, muss sich im Leben neu orientieren. "Was bedeutet es, Zweifel und Ängste zu durchleben und dann anzufangen, zu sprechen?", beschreibt Drassl die inneren Konflikte ihrer Rolle. Diese sei ambivalent, authentisch, "ein Mensch aus Fleisch und Blut mit vielen Facetten", der etwas erreichen will und nicht aufgibt.

Von einem "sehr intensivem Charakter-Kino" mit einer mutigen, modernen Frau um die 50 spricht Svoboda. Und kritisiert, dass bei Streamingdiensten vor allem junge Menschen gezeigt werden: "Ab der zweiten Lebenshälfte beginnen so viele neue Geschichten."

"Das bin nicht ich"

"Gerti (Drassl, Anm.) spielt Andrea, das bin nicht ich", insistierte Werdenigg. Das reale Vorbild und die Filmfigur unterscheiden sich vor allem in ihrem Innenleben. Fast klingt es, als besäße Werdeniggs Geschichte zu wenig Drama für die Leinwand: Sie habe beim Interview keine Zweifel gehabt, sei nicht einsam gewesen, habe eine tolle Familie und einen Coach gehabt, mit dem sie darüber reden konnte.

Das Interview hatte auch juristische Folgen: In der Skihauptschule Neustift in Tirol wurde etwa ein Pädagoge schuldig gesprochen. Heute setzt sich die Ex-Skifahrerin etwa mit ihrer Initiative #WeTogether für Sportlerinnen und Sportler in ähnlichen Situationen ein, auch bei der Gründung der Vertrauensstelle vera*, die für Sport, Kunst und Kultur zuständig ist, habe sie mitgearbeitet. Ziel sei, dass Menschen, die sich öffnen, keine Benachteiligungen im Job erfahren müssen, und das Gespräch am Laufen zu halten, sagte Werdenigg. Mit dem ÖSV und seiner ersten Präsidentin Roswitha Stadlober habe sie jetzt eine Gesprächsbasis, und auch Problembewusstsein sei da. "Niemand kann sich mehr leisten, über solche Probleme hinwegzusehen."

Insgesamt brauche der von politischen und wirtschaftlichen Kräften getriebene Sport einen Paradigmenwechsel, sagt Werdenigg, die auch auf die Fußball-WM in Katar anspielt. In Österreich wünscht sie sich an Kodizes geknüpfte Fördergelder, sowohl in Kunst und Kultur als auch im Sport. Drassl spricht die individuelle Ebene an: Man könne Kindern nicht früh genug Selbstbewusstsein wie das Stecken von Grenzen beibringen. Auch im Filmbereich kam es in der Vergangenheit zu Fällen von Machtmissbrauch. Trotz steiler Hierarchien setzt Svoboda an seinen Sets auf Begegnungen auf Augenhöhe.

(APA)

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