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„Knives Out 2: Glass Onion": Schade, dass dieser Film nur auf Netflix ist

Für James Bond wäre dieser Porsche zu klein – Benoit Blanc (Daniel Craig) hingegen liebt Kuriositäten.
Für James Bond wäre dieser Porsche zu klein – Benoit Blanc (Daniel Craig) hingegen liebt Kuriositäten.(c) Netflix
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Im zweiten Teil des Krimi-Hits „Knives Out“ gibt Daniel Craig erneut den pfiffigen Schnüffler mit Südstaatenakzent. Ein gewitzt inszenierter, unaufdringlich woker Spaß.

Benoit Blanc mag Cluedo nicht. Das kultige Krimi-Brettspiel sei einfach nur dumm, so der Meisterdetektiv – und Dummheit wiederum seine Achillesferse. Kasterl abhaken, Zimmer durchsuchen, schrecklich! Je simpler ein Sachverhalt, desto schwerer tut sich die Intelligenzbestie damit: Auch am beliebten Online-Deduktionsgame „Among Us“ verzweifelt Blanc in „Glass Onion: A Knives Out Mystery“. Was er brauche, klagt er seinen ältlichen Mitspielern – darunter auch die kürzlich verstorbene Angela Lansbury („Mord ist ihr Hobby“) – sei ein richtig kniffliger neuer Fall.

Zu Blancs Glück sehen das auch viele Zuschauer so, weshalb der US-Autorenfilmer Rian Johnson schon kurz nach dem Großerfolg seines Retro-Krimis „Knives Out – Mord ist Familiensache“ (2019) grünes Licht für eine üppig dotierte Fortsetzung bekam. Somit kann auch Daniel Craig seinen fliegenden Wechsel aus James Bonds grauen Maßanzügen in Blancs weitaus buntere Schale mit einer Telemarklandung abschließen: Der zweite „Knives Out“-Teil feierte bereits im September beim Filmfestival von Toronto Weltpremiere, von der Kritik wurde er dort begeistert aufgenommen. In Deutschland startete „Glass Onion“ Ende November in den Kinos. In Österreich nicht – ein Versäumnis. Dafür versüßt er ab Freitag, 23. Dezember, Netflix-Abonnenten die Streaming-Weihnachtszeit.

Rätselrallye in der Kristallzwiebel

Die Kristallzwiebel aus dem Titel ist nicht nur eine Hommage an ein wenig bekanntes Beatles-Lied, sie beschreibt auch den zentralen Schauplatz dieses „Whodunit“-Schmuckstücks: Eine gläserner, palastartiger Prunkbau auf einer griechischen Insel, der auch einem Bond-Bösewicht gut anstehen würde. Hier versammelt der weltberühmte Tech-Milliardär Miles Bron (Edward Norton) eine illustre Schar seiner vermeintlich liebsten Freunde samt Gefolgschaft: Wissenschaftler Lionel (Leslie Odom Jr.), Politikerin Claire (Kathryn Hahn), Modeikone Birdie (Kate Hudson) und ihre leidende Assistentin Peg (Jessica Henwick), YouTube-Star Duke (Dave Bautista) und seine fesche Freundin Whiskey (Madelyn Cline). Wider Erwarten hat auch Andi (Janelle Monáe), Miles‘ geschröpfte Ex-Geschäftspartnerin, die Einladung des selbsternannten „Disruptors“ angenommen.

Dass sich Blanc – Benoit Blanc! – ebenfalls unter den Gästen befindet, lässt indes alle, einschließlich seiner Wenigkeit, stutzig werden. Denn wo der pfiffige Schnüffler mit der Schalkrawatte und dem breiten Südstaatenakzent auftaucht, ist Mord in der Regel nicht weit. Bis sich in „Glass Onion“ ein solcher ereignet, vergeht zwar eine nicht unbeträchtliche Weile: Doch als die Tat vollbracht ist, schaltet das gut geölte Krimi-Uhrwerk rasch in höhere Gänge – ganz wie es Fans des Vorgängerfilms gefällt. Johnson hat ein Händchen für clever gefertigte dramaturgische Zauberwürfel, die er vor unseren Augen geschickt ihrer unausweichlichen Lösung zuführt: voller wilder Wendungen, lustvoll angetäuschter falscher Fährten und ausführlicher Rückblenden, die weitere Rückblenden lostreten. Zugleich sind der 49-jährige und sein Team der auf elegante Weise komplexen Rätselrallye auch inszenatorisch gewachsen, verleihen ihr mit pointierter Montage (Bob Ducsay), launigen Kostümen (Jenny Eagan) und detailverliebter Ausstattung (Elli Griff) den nötigen ästhetischen Esprit.

Wider die Blender und Selbstdarsteller!

Fraglos wird auch dieser Blanc-Fall wieder dankbare Abnehmer finden. Was die „Knives Out“-Reihe so populär macht, ist – abseits von ihrem Anschluss an den anhaltenden Krimi- und Mystery-Boom in der Popkultur – auch Johnsons Gespür für die Tagesdiskurse seines linksliberalen Zielpublikums. Die sanfte Wokeness des Drehbuchs wird dabei, wie in Teil eins, vor allem über den Plot wirksam, statt sich mit schnöden Gardinenpredigten aufzudrängen. So übt „Glass Onion“ beiläufige, aber überlegte Kritik an eitler Image-Versessenheit, aufgeblasenen Männerrechtlern, zynischen Karrieristinnen. Und, nicht zuletzt, am Budenzauber dampfplaudernder Selbstdarsteller, deren gefährliche Blendungen uns oft erst bewusst werden, wenn der Hut längst brennt. Die Antwort darauf kann, ganz genregemäß, nur die Wahrheit sein. Und ein bombastischer Spektakel-Showdown, ohne den heutzutage offenbar nicht einmal Krimis auskommen. Sei’s drum: Wir sind hier ja nicht bei Cluedo!

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