Ukraine-Krieg

Moskau verkündet die Eroberung der Donbass-Stadt Soledar

Smoke rises from strikes on the frontline city of Soledar
Smoke rises from strikes on the frontline city of SoledarREUTERS
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Aus Kiew kam vorerst ein dünnes Dementi. Die sehr heikle Lieferung westlicher Leopard-2-Kampfpanzer an die Ukraine wird derweil wahrscheinlicher.

Das russische Verteidigungsministerium erklärte am Freitag, dass die Donbass-Stadt Soledar (einst 10.000 Einwohner) nach langer Zuspitzung der Kämpfe seit November erobert worden sei. Die letzten Ukrainer seien tot, gefangen oder verschwunden.

Seitens Kiews kam vorerst nur ein dünnes Dementi: „Unsere Leute sind noch dort." Allerdings hatten westliche Beobachter einen Fall Soledars schon vor zwei Tagen als wahrscheinlich gewertet.

Es wäre die erste Eroberung eines Ortes nennenswerter Größe durch die Russen seit Juli. Die Kämpfe hatten im August begonnnen und stehen im engen Konnex mit jenen um die nahe größere Stadt Bachmut. Ab Ende Dezember erreichten sie einen neuen Höhepunkt, als Männer der Söldnerarmee „Wagner" die wichtigen Salz- und Gipsbergwerke stürmten. Im Einsatz sind unter anderen auch Kräfte des 2. Armeekorps aus Donezk sowie aus Tschetschenien. Die Ukrainer hatten bei Soledar zuletzt zwei Luftlandebrigaden und Milizeinheiten, allerdings stehen größere Kräfte bei Bachmut.

Hin und Her wegen Rolle der Söldner

Die Rolle der Söldner wurde in der Siegesmeldung zunächst interessanterweise nicht erwähnt. Wenig später regte sich Wagner-Chef Jewgeni Wiktorowitsch Prigoschin deswegen via sozialer Medien ziemlich auf: Er klagte „Ränke, Korruption, Bürokratie und Sesselkleber“ im russischen Militär an, sowie Versuche von dieser Seite, Wagner „den Sieg zu stehlen“. Später am Freitag gab das Ministerium eine zweite Erklärung heraus, in der man „die Sache klären" wolle und die Rolle der Söldner lobtr: Die Eroberung des Zentrums von Soledar sei „durch die mutigen und selbstlosen Aktionen Freiwilliger der Wagner-Sturmeinheiten" erfolgt.

Seit langem gibt es Berichte über wachsende Machtkämpfe zwischen Wagner-Chef Prigoschin (61) und Tschetschenen-Kriegsherr Ramsan Kadyrow (46) mit dem Kreml bzw. dem offiziellen Militärapparat. Beide werfen den regulären Streitkräften, darunter namentlich Offizieren bis hinauf zu Generalstabschef Waleri Gerassimow, immer wieder Unvermögen vor. Außerdem wollen sie in einem künftigen Russland autarker werden. Von Putin werden beide bisher nach außen hin hofiert und toleriert, er braucht sie auch - aber es ist durchaus möglich, dass sich hier einmal ein interner Krieg größeren Ausmaßes entwickeln wird.

Die Presse/GK

Die Verluste in dem albtraumhaften Gefechtsfeld, das an die Westfront im Ersten Weltkrieg in Kombination mit Stalingrad erinnert, sind offenbar extrem: Es gibt keine klaren Zahlen, es dürften aber jeweils Tausende Tote plus Verwundete sein. Es handle sich um die brutalste Schlacht des Krieges bisher, heißt es vielfach.

Der russische Ansturm auf Soledar/Bachmut hat grundsätzlich durchaus Sinn, da dort wichtige Verkehrswege vorbeiführen und das letzte große Ballungszentrum des Teils der Region Donezk, der noch ukrainisch beherrscht ist, in greifbarer Nähe ist, ca. 40 Kilometer im Westen. Dennoch wurde das monatelange Anrennen oft kritisiert: Man müsse andere Wege suchen, hieß es. Womöglich war es auch wegen einer psychologischen Falle: Ein Erfolg, der sich zunächst nicht einstellt, soll erzwungen werden, eben weil man schon viel investiert hat (hier Verluste an Menschen und Material). Man geht also steigende Kosten ein, obwohl sie den Nutzen übersteigen.

Finnland unterstützt polnische Panzer-Initiative

Im Westen bahnt sich derweil eine folgenschwere Entscheidung an: Nach Polen schlug am Freitag auch Finnland (inoffiziell) vor, dass mehrere europäische Staaten, die deutsche Leopard-2-Kampfpanzer haben, jeweils einige davon für ein größeres Leopard-Paket für Kiew abstellen. Also sozusagen eine Bündelung. Das sind etwa auch Griechenland, Schweden, Spanien, Dänemark und natürlich Deutschland.

Finnish defence Force

Berlin sträubt sich seit langem, weil man durch diese symbolisch stark aufgeladenen Waffen eine massive Eskalation seitens Moskaus fürchtet, und kann Lieferungen anderer aus rechtlichen Gründen blockieren. In einer Woche wird in Ramstein (Deutschland) bei einem internationalen Treffen über dieses brandheiße Thema beraten. Vielfach wird dem Leo 2 und anderen West-Kampfpanzern (die Briten ventilierten kürzlich sogar Challenger 2) eine grundsätzliche Überlegenheit auf dem Schlachtfeld zugeschrieben - was allerdings unter Umständen nicht so sein muss.

(wg)

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