Klimapolitik

Treibhausgase 2022 – Jubelergebnis ohne Grund zu jubeln

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Diesel(c) APA/dpa/Bodo Marks (Bodo Marks)
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Trotz Rückgangs von Emissionen wird die Bilanz des Treibhausgas-Ausstoßes für das Vorjahr nur auf den ersten, oberflächlichen Blick Anlass zur Freude geben. Bei genauem Betrachten der Zahlen wird sich ein anderes Bild zeigen.

Gerade eben hat das Umweltbundesamt die Treibhausgas-Bilanz für 2021 veröffentlicht. Die Berechnungen sind eindeutig: Gegenüber dem Corona-Jahr 2020, das durch viele Beschränkungen für die Wirtschaft und insbesondere für die Mobilität gekennzeichnet und in dem mehrere Lockdowns und Teil-Lockdowns verhängt worden sind, sind in allen Sektoren größere Mengen von Kohlendioxid und fünf anderen Treibhausgasen ausgestoßen worden als 2020. Für 2022 lässt sich vorerst nur eine grobe Abschätzung geben: Die Emissionen dürften leicht sinken.

Ein klimapolitischer Erfolg wird damit nicht zu feiern sein. Denn der Rückgang wird vor allem auf zwei Faktoren zurückzuführen sein. Zunächst hat ein mildes Wetter die Heizperiode verkürzt, in ihrer Intensität gebremst und vor allem den Gasverbrauch unter den Erwartungen gehalten. Und andererseits müssen die zu erwartenden Rückgänge im Mobilitätssektor genauer betrachtet werden.

Ausgeprägt gestaltende Kraft für die Klimabilanz des Individual- und Frachtverkehrs auf der Straße kommt nämlich dem Preis der Treibstoffe zu. Sind sie niedrig, dann sind österreichische Tankstellen ein Magnet für so genannte „Tanktouristen“. Sind die Treibstoffpreise hingegen hoch, dann tritt der umgekehrte Effekt ein: Autofahrer und Lkw-Chauffeure tanken im Ausland.

Dabei gibt es zwei Gruppen – jene, die sich auf einer längeren Fahrt befinden und ihren Tankstopp ausschließlich an den Treibstoffpreisen ausrichten. Und die zweite, deutlich kleinere Gruppen, deren Vertreter in Grenznähe leben und regelmäßig zu einer ausländischen Tankstelle in Grenznähe fahren. Für die Berechnung der Emissionsbilanzen im Verkehr werden jedenfalls die Mengen herangezogen, die an Treibstoffen im Inland verkauft werden. Wo die Kilometer dann tatsächlich verfahren werden, ließe sich nicht erfassen und findet deshalb in die Bilanz keinen Eingang. Was in einem einzelnen Jahr zu einer Verzerrung führen kann, gleicht sich auf lange Sicht derzeit aus.

Tanktourismus: Bis zu einem Fünftel der Treibstoffmenge

Bis zu einem Fünftel des gesamten Treibstoffes, der in Österreich getankt wird, unterliegt der Volatilität des Tanktourismus. Diesbezüglich ist Österreich im Vorjahr wenig attraktiv gewesen: Die Preise für Benzin und Diesel sind hierzulande auf Rekordniveau: Bedingt durch die Energiekrise, die durch den Krieg in der Ukraine ausgelöst worden ist, musste an heimischen Zapfsäulen sehr hohe Preise in Kauf genommen werden.

Anzunehmen ist deshalb, dass viele Tanktouristen ins Ausland ausgewichen sind. „Die Fahrleistung der einzelnen Fahrzeuge hat sich nicht verändert“, berichtet Günther Lichtblau, Experte des Umweltbundesamtes und Koordinator der Klimabilanz-Rechnungen, die alljährlich angestellt und nach international akkordierten Regeln durchgeführt werden. Seit den 1970er Jahren nehmen die Fahrleistungen pro Fahrzeug um 1,2 bis 1,5% pro Jahr zu. Heute werden pro Fahrzeug jährlich etwa 10.000 bis 14.000 Kilometer zurückgelegt – wobei diese Zahl bei gewerblich genutzten Fahrzeugen deutlich höher ist. Die Fahrleistung bleibt relativ unbeeindruckt von Krisen und Preissprüngen.

Aber: Geändert hat sich vorerst das Tempo – auch in Jahren von Pandemie und Energieverknappung wird nicht weniger gefahren, aber etwas langsamer. Das zeigen erste Auswertung von Zählstellen und anonymisierten Handy-Daten. Derzeit nicht beantwortet werden kann, ob der etwas geringere Verbrauch durch das etwas geringere Tempo durchschlägt, wenn andererseits der Zug zur Zulassung größerer Autos (die tendenziell mehr Treibstoffe verbrauchen) ungebrochen ist.

Klar ist, dass 2022 die Rekordpreise viele Tankvorgänge ins benachbarte Ausland verlagert haben. Die Treibhausgasbilanz wird dadurch aufpoliert und behübscht. Das ist ein externer Effekt, der weder eine Trendwende einläutet, geschweige denn einen klimapolitischen Erfolg darstellt.

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