Umfrage: Österreicher halten Kreisky für besten Kanzler

59 Prozent der Österreicher halten Bruno Kreisky für den besten Regierungschef der Nachkriegszeit. Dahinter folgt Leopold Figl. Werner Faymann liegt abgeschlagen.

Bruno Kreisky überstrahlt seine Vorgänger und Nachfolger im Amt des Bundeskanzlers nicht nur in punkto Regierungszeit (1970 bis 1983), sondern auch in den Augen der Bevölkerung. Nach Ansicht von 59 Prozent der Österreicher war der Sozialdemokrat der beste Regierungschef der Nachkriegszeit. Das hat eine am Dienstag veröffentlichte Umfrage des Linzer Meinungsforschungsinstituts IMAS ergeben.

Als zweitbester Regierungschef wurde Leopold Figl, der von 1945 bis 1953 die Geschicke der Republik lenkte, genannt. Er liegt mit 27 Prozent aber bereits deutlich hinter Kreisky. An dritter Stelle folgt Kurzzeitkanzler Karl Renner (April bis Dezember 1945) mit 24 Prozent vor Julius Raab (1953 bis 1961) mit 23.

Faymann für zwölf Prozent bester Kanzler

Als erster Vertreter der jüngeren Zeit taucht Franz Vranitzky (1986 bis 1997) mit 17 Prozent auf. Ihm folgen Wolfgang Schüssel (2000 bis 2007/14 Prozent), Amtsinhaber Werner Faymann mit zwölf Prozent sowie ex aequo mit zehn Josef Klaus (1964 bis 1970) und Alfred Gusenbauer (2007 bis 2008). Ebenfalls gleichauf mit acht Prozent liegen Alfred Sinowatz (1983 bis 1986) und Viktor Klima (1997 bis 2000). Schlusslicht ist Alfons Gorbach (1961 bis 1964/sechs Prozent).

20 Prozent der Befragten sahen sich außerstande, die Frage nach dem besten Kanzler zu beantworten. In der Gruppe der unter 30-Jährigen waren es 42 Prozent.

Persönlichkeit Kreiskys entscheidend

Laut den Meinungsforschern ist Kreiskys Popularität nicht auf den Eindruck einer gelungenen sozialdemokratischen Politik zurückzuführen, sondern weit eher auf seine parteiübergreifende Persönlichkeitswirkung. Er werde auch von sehr vielen Anhängern der Volkspartei als herausragend empfunden, obwohl diese ihren eigenen Repräsentanten Figl und Raab höchsten Respekt zollen, so IMAS. Umgekehrt würden Sozialdemokraten mit Präferenz für Kreisky in sehr großer Zahl auch die beiden ÖVP-Kanzler loben.

Bruno Kreisky wird 1911 als zweitältester Sohn einer wohlhabenden jüdischen Familie in Wien-Margareten geboren. Mit 15 schließt er sich der sozialistischen Arbeiterjugend an, sehr zum Missfallen seiner Familie. Er studiert Rechts- Wissenschaften, "denn die Partei braucht gute Juristen". Bild von Hjanko unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation in der freien Enzyklopädie Wikipedia veröffentlicht.

Gemeinsam mit Franz Olah gründet Kreisky 1935 die Revolutionäre Sozialistische Jugend. Von 1935 bis 1936 sowie 1938 ist er politischer Häftling des totalitären Ständestaates unter Dollfuß. (c) M. Leckel/APA-Archiv/picturedesk (M. Leckel)

Die NS-Jahre muss der Jude Kreisky im Exil in Schweden verbringen. Nach dem Krieg bleibt er bis 1949 als Diplomat in Stockholm. Bild: Mitglieder der Volkshilfe tragen T-Shirts und verteilen Karten mit einem Bildnis Bruno Kreiskys anlässlich des Asylgesetz-Ausschusses 2003. (c) APA (Barbara Gindl)

Von 1951 bis 1953 ist er Berater von Bundespräsident Theodor Körner, ab 1956 Abgeordneter zum Nationalrat. 1967 wird er als Nachfolger von Bruno Pittermann Bundesvorsitzender der SPÖ. Im Bild: Staatssekretär Kreisky (links) mit Vizekanzler Bruno Pittermann und Bundeskanzler Alfons Gorbach bei der Angelobung von Innenminister Franz Olah 1963. (c) APA (Archiv Olah)

1970 triumphiert Kreisky bei den Nationalratswahlen und kann als Bundeskanzler eine SPÖ-Alleinregierung unter Duldung der FPÖ anführen. 1971 kann die SPÖ die absolute Mehrheit erlangen - und dies später noch zwei Mal wiederholen. Kreisky bleibt 13 Jahre an der Spitze der Regierung. Im Bild: Angelobung der Minderheits-Regierung durch Bundespräsident Franz Jonas. (c) APA (Votava)

Kreisky ist fortan der mit Abstand beliebteste Politiker Österreichs und. In den 70iger-Jahren eilt er von Wahlsieg zu Wahlsieg, sodass er bald den Spitznamen "Sonnenkönig" verpasst bekommt. Er verfolgt den Leitspruch: "Ich bin 24 Stunden am Tag für meine Bürger erreichbar." In diesem Sinne steht seine Telefonnummer im öffentlichen Telefonbuch. Helmut Zilk, Erwin Lanc und Bruno Kreisky am 1. Mai auf der Tribüne vor dem Wiener Rathaus. (c) ORF

Mit Kreisky wird Politik TV-Politik. Nahezu täglich ist er in den Fernsehnachrichten zu sehen. Seine bevorzugte politische Bühne wird das sogenannte Pressefoyer nach dem wöchentlichen Ministerrat, wo die eine oder andere Anekdote her rührt ("Lernen'S Geschichte, Herr Reporter!"). (c) APA (Bissuti Kristian/Kurier)

In die Regierungsperiode Kreiskys fallen eine ganze Menge an Reformen, die sich als nachhaltig erwiesen. So werden beispielsweise das Familienrecht und der Strafvollzug reformiert, die Fristenlösung eingeführt und die Homosexualität legalisiert. Unter Kreisky kommt es zu einem Ausbau des Sozialstaats. Legendär die Maxime: "Ein paar Milliarden Schulden mehr bereiten mir weniger schlaflose Nächte als ein paar hundert Arbeitslose." (c) Die Presse

Zahlreiche außenpolitische Initiativen (vor allem im Nahen Osten), machen Kreisky weit über Österreichs Grenzen hinaus bekann. Selbst Jude, ist Kreisky ein Gegner des Zionismus und pflegt gute Beziehungen zu arabischen Politikern wie Anwar as-Sadat oder Muammar al-Gaddafi sowie zur PLO. Im Bild: Kreisky und PLO-Chef Yasser Arafat in Wien. (c) APA (Robert Jäger)

Mit einem anderen Juden ist Kreisky Zeit seines Lebens verfeindet: Nazi-Aufspürer Simon Wiesenthal. Dieser protestiert 1970 wegen ihrer NS-Vergangenheit gegen vier Minister der SPÖ-Minderheitsregierung. Später präsentiert Wiesenthal Material über die SS-Vergangenheit von FPÖ-Obmann Friedrich Peter - Kreisky verteidigt Peter und verdächtigt Wiesenthal, selbst Nazi-Kollaborateur gewesen zu sein. (c) Die Presse (Hofmeister)

Im Jahr 1978 erleidet Kreisky eine der bittersten Niederlagen: Eine knappe Mehrheit der Österreicher entscheidet gegen die Inbetriebnahme des AKW Zwentendorf. Beobachter führten das Ergebnis aber nicht zuletzt auf einen taktischen Fehler Kreiskys zurück. Der Kanzler, damals auf dem Höhepunkt seiner Popularität, hatte wenige Tage vor der Abstimmung seine persönliche Zukunft an das AKW geknüpft. (c) APA (Votava)

Auch sein eigener Sohn Peter sowie seine Schwiegertochter Eva sind bei diesem Thema anderer Meinung als der Bundeskanzler. Eva Kreisky erzählt Jahre später, dass Bruno Kreisky sie aufgrund dieser Kontroverse sogar aus der SPÖ ausschließen wollte. (c) APA (Herbert Pfarrhofer)

Anfang der 80iger beginnt Kreiskys Stern zu sinken. Der Bau des Konferenzzentrums in der Wiener UNO-City 1982 (trotz 1,3 Millionen Unterschriften dagegen) kostet ihn Popularität. (c) APA (Harald Schneider)

Als die SPÖ bei der Nationalratswahl 1983 nicht mehr die absolute Mehrheit bekommt, lehnt Kreisky eine weitere Kanzlerperiode ab. Er handelt noch eine "Kleine Koalition" mit der FPÖ aus und zieht sich dann ins Privatleben zurück.1987 überwirft er sich mit der SPÖ. Von einer Niereninsuffizienz gezeichnet, stirbt Kreisky drei Jahre später. Er wird bei einem Staatsakt auf dem Wiener Zentralfriedhof (Ehrengruppe 32 C, Nummer 21 B) beigesetzt. (beba) (c) APA (Robert Jäger)

Für die Umfrage hat IMAS im November und Dezember 1.007 Personen, statistisch repräsentativ für die österreichische Bevölkerung ab 16 Jahren, in persönlichen Interviews befragt.

(APA)