Studie

Personalmangel: Unternehmen sind offener, Geflüchtete einzustellen

APA/EVA MANHART
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Mit Ende November 2022 sind in Österreich rund 100.000 Anträge auf Asyl eingegangen. Auch 2023 wird kein Abbruch dieser Tendenz erwartet. Wie gelingt es, Menschen mit Fluchthintergrund am österreichischen Arbeitsmarkt zu integrieren?

Der Fach- und Arbeitskräftemangel bringt viele heimische Unternehmen in eine schwierige Situation. Zusätzlich haben sie mit einer hohen Wechselbereitschaft und der Energiekrise zu kämpfen. Vier von fünf Unternehmen beschreiben die derzeitige Lage als herausfordernd, deutlich mehr als die Hälfte geht davon aus, dass es zu einer weiteren Verschlechterung kommen wird, zeigt eine aktuelle Deloitte Studie, die analysiert, welche ungenutzte Potenziale unbeachtet bleiben.

Dazu zählen unter anderem Menschen mit Fluchthintergrund. Rund 100.000 Asylanträge sind laut Statistik Austria vergangenes Jahr in Österreich eingegangen. Zusätzlich haben sich mit Stand August 2022 rund 80.000 Ukrainer in Österreich registriert. Diese haben auch Zugang zum Arbeitsmarkt. Doch der Zugang alleine reiche nicht aus, es werde vernachlässigt, wie sie zu integrieren sind, sagen die Initiatoren der Studie.

Denn auch die Motivation, Menschen mit Fluchthintergrund einzustellen, hat sich stark gewandelt: Waren Arbeitgeber vor sechs Jahren noch hauptsächlich aus sozialer Verantwortung dazu motiviert, Geflüchtete aufzunehmen, ist es heute ein Schlagwort: Fach- und Arbeitskräftemangel. Jedes zweite Unternehmen rückt den wirtschaftlichen Aspekt in den Vordergrund.

Welche Integrationsmaßnahmen umzusetzen sind

Die Vorstellungen, welche Integrationsmaßnahmen nützlich sind, gehen zwischen Betroffenen und Arbeitgebenden durchaus auseinander: Menschen mit Fluchthintergrund wünschen sich von Vorgesetzten in erster Linie, Mentoring-Programme in Anspruch nehmen zu können und von Mitarbeitenden die Bereitschaft, sensibler mit Vorurteilen und Stereotypen umzugehen. Aus Unternehmenssicht sei hingegen ein Mix aus personenzentrierten und strukturellen Maßnahmen wirksam, um Ungleichheiten auszugleichen – wie etwa Buddysysteme, strukturiertes Onboarding und das Angebot von Deutschkursen.

Jedes zweite Unternehmen sieht die Zusammenarbeit mit Arbeitsmarktorganisationen als eine der am besten geeigneten Maßnahmen, um Menschen mit Fluchthintergrund für ihren Betrieb zu
gewinnen. Doch nur ein Drittel gibt an, solche Kooperationen auch zu nutzen oder zu planen. Bei Menschen mit Fluchthintergrund kommt die Zusammenarbeit mit diesen Institutionen ebenfalls gut an. Sie wünschen sich, dass Unternehmen stärker von deren Angeboten Gebrauch machen.

Ungleichbehandlung seitens der Arbeitgeber spüren Menschen mit Fluchthintergrund oft auf persönlicher Ebene. Tatsächlich stecken dahinter häufig aber strukturelle Diskrepanzen. Um diesen zu begegnen, müsse bei der Sensibilisierung von Führungskräften oder dem Beheben struktureller Ungleichheiten angesetzt werden, um eine Ursachen- und keine Symptombehandlung zu betreiben.

Die Bereitschaft, Geflüchtete einzustellen, steigt

In jedem dritten Unternehmen steigt im Vergleich zu 2015 die Bereitschaft, Menschen mit Fluchthintergrund einzustellen. In konkreten Zahlen spiegele sich diese Wahrnehmung aber nicht wider: Nur zwei Fünftel der Firmen geben an, aktuell tatsächlich Menschen mit Fluchthintergrund zu beschäftigen, ein Viertel hat dies zumindest unter gewissen Rahmenbedingungen geplant.

Sowohl Unternehmen als auch Menschen mit Fluchthintergrund stoßen am Arbeitsmarkt auf zahlreiche Hürden. Viele Betriebe haben damit zu kämpfen, keine passenden Bewerbungen zu bekommen oder durch den hohen Aufwand für Integration und Schulungen abgeschreckt zu sein. Umgekehrt liege für Betroffene die größte Herausforderung darin, sprachliche Barrieren aufzubrechen und ausländische Ausbildungen nicht anerkannt zu wissen. Im Vergleich zu 2015 sei es laut ihnen nicht einfacher geworden, einen Job zu finden.

Unter den rund 43 Prozent der Unternehmen, die derzeit Menschen mit Fluchthintergrund beschäftigen, planen fast alle, noch weitere Menschen mit Fluchthintergrund einzustellen. Dafür seien meist Positionen, wie Fachkraft, Hilfskraft oder Lehrlinge vorgesehen.

Ukrainer einzustellen sei beliebter

Ein deutlicher Unterschied zeige sich in der Bereitschaft, Ukrainer einzustellen: 69 Prozent der Befragten haben bemerkt, dass ihre Akzeptanz höher sei als im Vergleich zu Menschen mit Fluchthintergrund aus anderen Herkunftsländern. Ausschlaggebend dafür sei vor allem die empfundene kulturelle Nähe (63 Prozent) und zugeschriebene höhere Qualifikationen (58 Prozent). Wie eine Studie des UNHCR zeigt, bringen 70 Prozent der erwachsenen geflüchteten Ukrainer einen universitären Abschluss mit. Doch auch unter ihnen gäbe es laut AMS mit Stand November 2022 an die 25.000 Menschen, die noch in den Arbeitsmarkt integriert werden könnten.

„Integration funktioniert dann, wenn man auf die Personen individuell eingeht. Oft gelingt das mit Kleinigkeiten – etwa durch Rücksichtnahme bei der zeitlichen Abstimmung von bestehenden Meetings. Gerade an den Tagesrandzeiten könnten diese zum Beispiel mit Sprachkursen kollidieren. Manchmal braucht es aber auch ein größeres Investment, beispielsweise ein Inhouse-Mentoringprogramm zur Vermittlung impliziter Werte und Unternehmenskultur. Das lohnt sich in den meisten Fällen und zeigt sich in erfolgreicher Integration sowie loyalen Mitarbeitenden“, sagt Deloitte-Partnerin Elisa Aichinger.

Keine merklichen Verbesserungen seit 2015

Im Vergleich zu 2015 gebe es heute einige Faktoren, die eine Beschäftigung von Menschen mit Fluchthintergrund erleichtern könnten: Auf unternehmensinterner Ebene ist es der steigende Bedarf, Fach- und Arbeitskräften einzustellen. Auch das Bewusstsein für Vielfalt hat sich bei 37 Prozent der Unternehmen stark weiterentwickelt. Hinsichtlich der Einflussfaktoren, wie Arbeitsmarkt oder Politik, habe sich in den letzten acht Jahren in manchen Bereichen etwas getan: 34 Prozent nehmen eine bessere Verfügbarkeit von Menschen mit Fluchthintergrund am Arbeitsmarkt wahr, 30 Prozent heben die besseren Qualifikationen hervor. Jedoch: Nahezu die Hälfte gibt an, im Vergleich zu 2015 keine erleichternden externen Faktoren erkennen zu können.

Diese Einschätzung der Unternehmen deckt sich mit der individuellen Wahrnehmung der befragten Menschen mit Fluchthintergrund. Im Vergleich zu 2015 sehen sie keine merklichen Verbesserungen. Besonders herausfordernd wird die Jobsuche in Wien erlebt. Im Westen hingegen sei nicht nur die Tourismus-Branche stärker ausgeprägt, man könne als Person mit Fluchthintergrund in ländlicheren Regionen offenbar auch schneller sozialen Anschluss finden und so leichter integriert werden.

Insgesamt sind sich die Unternehmen einig: Es müsse vereinfacht werden, die Integration Geflüchteten voranzutreiben. Bereits 2016 wünschten sich 58 Prozent der Arbeitgeber mehr Transparenz hinsichtlich der Qualifikationen, die Hälfte forderte klarere sowie einfachere rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen, während 46 Prozent darauf hofft, eine einfachere Vermittlung zu erleben.

(red/est)

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