Der ökonomische Blick

Subventionswettlauf mit den USA? Keine gute Idee

European Commission President Ursula presents a 'communication' detailing the EU's 'Green Deal Industrial Plan' in Brussels
European Commission President Ursula presents a 'communication' detailing the EU's 'Green Deal Industrial Plan' in BrusselsREUTERS
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Der Staat ist nach der Coronakrise als handelnder Akteur in der Wirtschaftspolitik weit stärker zurückgekommen als er in die Pandemie hineinging.

Regierungen vieler Länder haben im Kampf gegen die Corona-Pandemie stark in verschiedene Märkte eingegriffen. Die Inflation zu bekämpfen und die gröbsten Auswirkungen abzufedern wurde direkt danach von ihnen verlangt, wobei in der EU direkte Eingriffe in die Energiemärkte nicht nur gefordert wurden sondern teils auch unvermeidlich waren. Die Regierungen taten das nie zur Zufriedenheit aller, was in einer ausdifferenzierten Gesellschaft auch unmöglich ist, aber doch mit einigem Erfolg. Der Staat ist als handelnder Akteur in der Wirtschaftspolitik weit stärker zurückgekommen als er in die Pandemie hineinging. Markteingriffe haben weit weniger Rechtfertigungszwang als sie sie vor einer Dekade (oder gar vor zwei) gehabt hätten. Die gesellschaftliche Unterstützung dafür ist weit größer.

Jede Woche gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften. Ab sofort liefert auch die seit 2019 in Wien ansässige CEU ("Central European University") Beiträge zum Blog. 

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Mit der empfundenen Erwartungshaltung wachsen dann auch die Projekte, die sich der Staat zu eigen macht. Der US-amerikanische Kongress hat im Sommer letzten Jahres einen Schulden-finanzierten 738 Milliarden Dollar schweren „Inflation Reduction Act“ verabschiedet, der sehr langfristige Klimaschutzziele beinhaltet und die Kosten der Haushalte für Gesundheit und Pflege drücken soll. Auch einige Maßnahmen zur langfristigen Reduktion der Verschuldung der öffentlichen Haushalte sind enthalten. Es ist umstritten, ob die Inflation mit diesem Paket erfolgreich bekämpft werden kann, der positive Beitrag zur Reduktion der Treibhausgase ist dagegen allseits anerkannt. Der Ausstoß von CO2 in den USA soll bis 2030 auf 40 Prozent unter das Niveau der Emission von 2005 fallen.

Dafür wird einiges investiert: in erneuerbare Energiegewinnung, Elektromobilität, moderne Produktion und eine „klimaschonendere“ Landwirtschaft. 390 Milliarden Dollar sind dafür vorgesehen und sie werden wohl in erster Linie Firmen zugute kommen, die in den USA produzieren. Die EU-Kommission sieht Wettbewerbsbeeinträchtigungen und will mit einem Souveränitätsfond kontern. Dabei gibt es längst ein ähnliches Programm, vielleicht gar das Original der US-amerikanischen Blaupause: den „Green Deal“ für den eine ähnlich hohe Summe zur Umstellung der Europäischen Volkswirtschaften auf die nach-fossile Zeit bereitgehalten wird. Neben dem Ukraine-Krieg ist der Inflation Reduction Act der zweite große Anstoß mit diesem Programm voranzukommen.

Kommissionspräsidentin von der Leyen hat als Antwort auf die Herausforderungen den Industrieplan des „Green Deal“ vorgestellt. Dabei hat die Kommission einen Markt für saubere Technologie im Blick der in kürzester Zeit stark wachsen wird. Dieser Markt wurde für 2030 von der Kommission auf 650 Milliarden Dollar geschätzt und damit die Größe des zu verteilenden Kuchens festgesetzt.

Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr

Der Kuchen erscheint groß genug um die Pläne für den „Green Deal“ nicht mehr „nur“ unter Klimaschutzaspekten zu betrachten, sondern angesichts der Herausforderung durch den „Inflation Reduction Act“ auch die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaften der EU in Gefahr zu sehen. Das ist einerseits gut, da der gerade vorgestellte Industrieplan einige konkrete Schritte zur Erreichung der Ziele vorsieht, die Schwung in die Anstrengungen um eine Reduktion des CO2 Ausstoßes um 55 Prozent bis 2030 bringen werden. Die Schaffung eines Regulierungsumfelds, das die Einführung von sauberen Technologien und Innovationen in diesem Bereich unterstützt, gehört genauso dazu wie die Verstärkung der Anstrengungen um den Aufbau von Humankapital in diesen Sektoren. Auch internationale Handelsabkommen, die Lieferketten stabilisieren und CO2 Abgaben an der Grenze ermöglichen, gehören dazu. Die Ankündigung in einen Subventionswettlauf mit den USA einzutreten, ist nicht die beste Idee.

Natürlich sollte man die Subventionsregeln in der EU mal wieder überprüfen und nicht Wirksames oder Kontraproduktives abbauen. Daraus aber eine Abwehrmaßnahme gegen US-amerikanische Marktbeeinflussung zu machen ist überzogen. Der Investitionsbedarf ist auf beiden Seiten des Atlantiks hoch und es wird nicht nur eine Lösung geben, die uns die Umstellung auf post-fossiles Wirtschaften erlaubt.

Dominanz weniger großer Produzenten

Die Anpassungskosten auf eine klimaneutrale und auch sonst nachhaltige Arbeits- und Lebensweise werden hoch genug werden. Wir sollten die Ressourcen nicht auch noch in einen Subventionswettlauf stecken. Im Ergebnis entstehen bestenfalls enge Oligopole, wahrscheinlicher aber regionale Champions. Die „Vermachtung“ schon der international offenen Weltmärkte ist zu groß, die Dominanz weniger großer Produzenten in vielen Bereichen zu stark. Die abnehmende Dynamik in der Wirtschaftsentwicklung, die vor der Pandemie viel diskutiert wurde, hat darin ihre Hauptursache. In einer in regionalen Blöcken geteilten Welt wird das noch stärker spürbar. Subventionswettläufe, wie sie von der EU-Kommission zumindest für möglich gehaltenen werden, verbessern diese Marktstrukturen in keiner Weise. Eher das Gegenteil ist zu erwarten.

„Green Deal“ und „Inflation Reduction Act“ werden das Wachstum des Marktes für saubere Technologie in den nächsten Jahren stark beschleunigen. Das ist gut und nötig. Die Ausgestaltung der Programme beeinflusst die Größe des Kuchens aber genauso wie dessen Verteilung. Bei der Verteilung wiederum geht es auch um die innergesellschaftliche Verteilung. Gerade E-Mobilitätspionier Elon Musk ist dafür ein gutes Beispiel.

Der Autor

Jörn Kleinert ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Graz. Er arbeitet dort besonders an Themen der Internationalen Wirtschaftsbeziehungen.​

Jörn Kleinert
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