EY-Studie

Chinesen kaufen weniger europäische Firmen

(c) REUTERS (DAVID KIRTON)
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Konzerne aus China erwarben im Vorjahr weniger europäische Firmen. Ein Grund war die Pandemie. Doch gibt es auch politischen Widerstand.

Europa scheint bei chinesischen Firmen, die sich nach Übernahmezielen umschauen, nicht mehr so im Trend zu liegen. Die Zahl der Transaktionen ging von 155 (2021) auf 139 (2022) zurück. Das zeigt eine Studie der Beratungsorganisation EY, die jährlich die Investitionen chinesischer Unternehmen in Europa untersucht. Das Transaktionsvolumen fiel sogar von 12,4 Mrd. auf 4,3 Mrd. Dollar. Diese Zahl ist aber nicht so aussagekräftig, da bei der Mehrzahl der Übernahmen keine Angaben zu Kaufpreisen vorliegen.

„Die Analyse der letzten Jahre zeigt, dass chinesische Unternehmen bei ihren Investitionen in Europa insgesamt zurückhaltend sind“, sagt Eva-Maria Berchtold, Partnerin und Leiterin der Strategie- und Transaktionsberatung bei EY Österreich, laut einer Aussendung. Das habe mehrere Gründe. Der eine könnte temporär sein: So hätten die Pandemie und die massiven Eindämmungsmaßnahmen in China zu Reisebeschränkungen geführt, die auch die Umsetzung von Transaktionen erschwert haben. Doch die Pandemie ist nicht der einzige Grund: Bereits seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts zeige sich, dass Expansionsmaßnahmen für chinesische Unternehmen in der Priorität gesunken sind.

Zudem sähen sich chinesische Unternehmen in vielen europäischen Ländern politischem Widerstand ausgesetzt, vor allem in kritischen in Sektoren wie Infrastruktur: Daher würden Unternehmen sorgfältig prüfen, ob Übernahmekandidaten politische Diskussionen auslösen könnten, erklärt Berchtold. Auch das belastete politische Verhältnis zwischen den USA und China hemme die Transaktionsaktivitäten: Wenn europäische Übernahmekandidaten etwa Produktionsstätten oder Forschungszentren in den USA haben, würden potenzielle chinesische Bieter oft gar nicht erst eingeladen, da eine Ablehnung durch die US-Behörden befürchtet wird.

Beteiligung an woom

Österreich ist nach wie vor kaum auf dem Schirm von Investoren aus China. Im Vorjahr gab es einen chinesischen Deal in Österreich: Jebsen Capital, ein Beteiligungsarm der Jebsen Group, erwarb Anteile am Kinder- und Jugendradhersteller woom.
Generell zeigt sich eine Verschiebung: Chinesische Investoren kaufen weniger Industriefirmen, aber mehr High-Tech-Unternehmen als früher. Im Industriesektor wurden mit neun Transaktionen die meisten in Deutschland gezählt, bei High-Tech-Transaktionen liegt Großbritannien mit sechs an der Spitze. In Deutschland gab es auch viele Übernahmen im Gesundheitsbereich.

Die meisten Transaktionen insgesamt wurden im vergangenen Jahr – wie schon 2021 – in Großbritannien verzeichnet. Mit 27 Übernahmen und Beteiligungen liegt Großbritannien knapp vor Deutschland (26 Transaktionen) und deutlich vor Frankreich (17).

Die größte Investition in Europa war der Verkauf des niederländischen Halbleiterherstellers Ampleon, zuvor im Besitz eines chinesischen Private-Equity-Investors, an Wuxi Xichan Microchip Semiconductor für zwei Mrd. Dollar. Die zweitgrößte Transaktion war der Einstieg des chinesischen Internet-Unternehmens Tencent bei der Ubisoft-Familienholding Guillemot Brothers Limited für knapp 300 Mio. Dollar, gefolgt vom Erwerb des französischen Arzneimittelproduzenten Cenexi durch den chinesischen Pharmakonzern Fosun für 218 Mio. Dollar.

Im Vorjahr hatten die Pandemie- und Lockdownfolgen nicht nur die Übernahmeaktivität chinesischer Firmen gebremst, sondern die gesamte Konjunktur sowie die Börsen. Der MSCI China A Index etwa hat auf Dollarbasis 26 Prozent verloren. Seit Oktober geht es aber wieder bergauf.

China-Aktien mit Potenzial

Für 2023 erwartet Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei JP Morgan Asset Management, eine konjunkturelle Erholung in China. Vor allem der Dienstleistungs- und Tourismussektor dürften davon profitieren. Das Wirtschaftswachstum und die Gewinnaussichten der Unternehmen hätten das Potenzial, die Erwartungen an den Märkten zu übertreffen. Dies dürfte Aktien der gesamten Asien-Pazifik-Region beflügeln und damit einen Abschwung in den USA oder in Europa kompensieren. Ein Grund sei der Nachholbedarf beim Konsum: Die Sparquote chinesischer Haushalte sei zwischen 2020 und 2022 mit 33 Prozent um vier Prozentpunkte höher gewesen als in den Jahren davor. Dieses Geld stehe für Ausgaben zur Verfügung.

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