Sophie Rois: "Meine Stimme ist nur eine Stimme"

Sophie Rois Meine Stimme
Sophie Rois Meine Stimme(c) Dapd (Sebastian Widmann)
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Sophie Rois spielt in "Drei", dem neuen Film von Tom Tykwer, die weibliche Hauptrolle. Mit der "Presse" sprach die österreichische Schauspielerin über ihr Grausen vor Sexszenen und ihre Arbeit an der Volksbühne.

Ihre Rolle in dem Film „Drei“ über eine Dreiecksbeziehung in Berlin scheint Ihnen auf den Leib geschrieben. Was hat Sie an dem Drehbuch gereizt? Tom Tykwer sagt, ohne Sie hätte er den Film nicht gemacht.

Sophie Rois: Sehr charmant von ihm, das schmeichelt mir natürlich. Es war der Ton von dem ganzen Drehbuch, der mich überzeugt hat, weil ich den Eindruck hatte, da könnte ein Film draus werden für erwachsene Leute, nicht einer, bei dem man sich sowohl als Zuschauer wie als Schauspieler immer blöder stellen muss, als man ohnehin schon ist. Ich finde, die Art wie der das Drama herausnimmt und bestimmte Fragen stellt, das hat etwas Erwachsenes, und das sind Fragen, die ich mir durchaus auch stelle und die wir auch nicht beantworten in dem Film. Fragen, für die es auch keine Lösung gibt. Ich kannte Tykwer vorher nicht, wir haben uns sehr gut verstanden. Der wollte mich wirklich, nicht nur um mein Gesicht abzufilmen oder meine heisere Stimme ertönen zu lassen.

Welche Fragen sind das?

Die Frage nach der Freiheit in der Selbstdefinition. Es sieht ja so aus, als dürfte jeder so leben, wie er will, aber man braucht nur einmal versuchen, die eigenen Liebesverhältnisse, in denen man lebt, zu kommunizieren, wenn die sich nicht in dem bewegen, wie wir's jeden Tag im Fernsehen sehen. Es lässt sich nur das kommunizieren an Leben, worüber es schon eine Erzählung gibt. Wir sind soziale Tiere, auf Verständigung angewiesen und auf eine gemeinsame Erzählung. Die Frage ist natürlich: Künden die Erzählungen von uns, oder definieren sie unser Leben? In „Drei“ erleben die Leute etwas, was herausfällt. Die Journalisten fragen, ob die denn gar nicht eifersüchtig sind oder wie es mit den dreien weitergeht. Aber darum geht's nicht. Es ist ein Gedankenexperiment, das da durchgespielt wird.

Kennen Sie die Schwierigkeit, das eigene Lebensmodell zu kommunizieren, auch aus Ihrem Leben?

Damit bin ich dauernd konfrontiert. Das heißt, ein Lebensmodell hab ich gar nicht, ich eiere da herum, das ging mir schon als Kind so, dass ich das Gefühl hatte, meine Wahrnehmung von Realität, so wie ich leben möchte, das hat da keinen Platz. Jetzt habe ich die Dinge viel mehr in der Hand. Ich muss sagen, das hat viel mit meinem Beruf zu tun und dass ich den so mache, wie ich ihn mache.

Sie sagen, vor den Sexszenen in „Drei“ habe Ihnen gegraut. Kennen Sie das nicht schon von früheren Filmen?

O ja, ich frag mich nur, warum die Sexszenen sich immer mehr ausweiten, je älter ich werde, das ist natürlich unfair. Ich hatte totales Grausen davor. Ich hasse es, mich vor fremden Leuten auszuziehen, und find's umgekehrt noch schlimmer. Beim Drehen selbst hat es mir viel mehr Spaß gemacht, als ich dachte. Nicht dass es so wahnsinnig sexy gewesen wäre, das meine ich nicht, aber es stellte sich nach einer gewissen Zeit doch so ein professioneller Stolz ein, der Stolz des Softpornodarstellers. Super, das kann ich auch.

Sie sind seit 1993 an der Volksbühne in Berlin. Was schätzen Sie an diesem Theater, kommt es Ihrem Schauspiel-Stil entgegen?

Ich hab wirklich das große Glück, dass ich den Leuten begegnet bin, mit denen ich gern arbeiten möchte und die ich akzeptiere, deren Welt- und Menschenbild mir irgendwie nahe ist. Das Theater und die Leute, mit denen ich das mache, sind zu einer Art Mittel der Verständigung und Selbstverständigung geworden. Für mich, und ich hoffe, auch für den Zuschauer. Mir wäre es das Furchtbarste, etwas zu machen, das die Leute langweilt. Oder mit dem man sie mit der Geste der Bedeutsamkeit an die Wand scheppert. Die Tradition der Volksbühne kommt aus dem Volkstheater von Meyerhold und Brecht. Man spielt nach vorn auf Unterhaltung. Schon die Tradition der Volksbühne verlangt einen bestimmten Spielstil. Der Zuschauerraum ist nicht hierarchisch. Auf der riesigen Piscator-Bühne ist leises Kammerspiel nicht angemessen.

Sie machen Theater, Filme, Hörbücher, Lesungen. Welchem Genre gehört Ihr Herz?

Das könnte ich so nicht separieren. Was mich beim Drehen immer wieder verunsichert, ist, dass ich das viel weniger kontrollieren kann. Ich bestimme die Produktionsbedingungen nicht so wie am Theater. Ich hab das Ding nicht so in der Hand, bin ganz anders ausgeliefert. Das mag ich nicht.

Welche Frauenrollen reizen Sie besonders?

Was konventionelle Stücke betrifft, sind es mythologische Frauenfiguren: Ich habe Brunhilde und Medea gespielt. Die haben so was Vorzeitliches, weil sie noch nicht mit der Identität der bürgerlichen Frau belästigt sind, das sind noch ganze Menschen, denen man dann sagt: Du bist eine Frau. Die das nicht fassen können, weil sie noch einen anderen Begriff von sich selbst haben. Die können erst einmal mit so einem ungebrochenen Selbstbewusstsein auftreten.

Auch nach 24 Jahren in Berlin haben Sie sich in Ihrer Sprache einen österreichischen Klang erhalten. Wie kommt das an?

Die Deutschen sind da bei Weitem nicht so empfindlich wie die Österreicher. Es sagt nie jemand: Das klingt jetzt aber zu österreichisch, sondern: Ach das ist ja lustig, wo kommst du denn her? Je betrunkener ich werde, desto mehr rede ich Österreichisch. Das heißt aber nicht, dass ich mich in meinem nüchternen normalen Alltagsleben wahnsinnig zusammenreiße, das muss ich gar nicht, es ist ein ganz banaler Prozess der Anpassung. Wenn alle mich auf relativ Norddeutsch ansprechen, dann antworte ich auch so, weil ich nicht vollkommener Autist bin. Es passiert ganz unbewusst und kommt immer drauf an, mit wem ich spreche.

Wie stehen Sie selbst zu Ihrer „berühmt“ heiseren, leicht erotischen Stimme?

Meine Stimme ist nur eine Stimme. Ich selbst find sie überhaupt nicht interessant. Ich hätte gern eine schöne Stimme, die ich leider nicht habe, es nervt mich total, es kommt nicht drauf an. Es ist, als müsste ich mich jedes Mal zu meiner schiefen Nase äußern, da wüsste ich auch bald nicht mehr, was ich sagen sollte. Ich hab sie einfach. Ich könnte sie operieren lassen, wahrscheinlich die Stimmbänder auch, ich werd beides nicht mehr machen, also was soll's?

Was mögen Sie an Berlin?

Was ich von Anfang an mochte an Berlin, ist dieses Unstrukturierte, bisschen Hässliche, dass es kein richtiges Zentrum hat. Dann ist es so geschichtsbeladen, Zu meinem großen Glück ist der Osten ja aufgemacht worden, die Leute am Theater haben noch einmal eine ganz andere Bildung und Art zu denken. Ich mag die Bewegung, die es in dieser Stadt gibt. Man kann natürlich schimpfen und sagen, jetzt wird das hier alles yuppiemäßig zugebaut, Prenzlauer Berg, es gibt keine soziale Mischung mehr, jetzt wohnen nur mehr so Leute wie Sie und ich hier. Das sehe ich auch alles. Aber die Freiheit, dieser Platz zum Leben und zum Atmen, den man mir hier lässt, das hat sich nicht geändert.

Können Sie sich vorstellen, jemals wieder in Wien zu leben?

Ich weiß in Wien das Theaterpublikum sehr zu schätzen. Da kommen Leute, die ich hier in der Volksbühne nie sehe, auch zu Pollesch-Stücken, obwohl das nicht unbedingt ihr „cup of tea“ ist. Das Publikum ist sehr offen, hat großes Interesse und hat vor allem einen sehr entwickelten Theatergeschmack, der sich lustigerweise mit meinem oft deckt. Die finden bei mir die Tradition wieder, die sie lange vermisst haben. Da trifft sich was. Auf der anderen Seite kann ich mir's nicht vorstellen, nein, leben möchte ich tatsächlich gern hier. In Wien vielleicht dann, wenn ich in der Rente bin. Ich hab die Damen gesehen, die im Café vom Hotel Imperial Karten spielen, mit so Turbanen und manikürt, und ihre Krapfen essen. Ab einem gewissen Alter kann ich mir das herrlich vorstellen.

Sie wirken sehr cool, souverän. Was für ein Mensch verbirgt sich hinter diesem Eindruck?

Ich bin gar nicht cool. Ich bin ein Kontrollfreak, dabei hab ich gar nichts unter Kontrolle. Von allem, was mir begegnet, im Guten wie im Bösen, lasse ich mich leicht hinreißen. Ich wäre gern ruhiger, gelassener. So lange bei Bewusstsein zu sein, finde ich wahnsinnig anstrengend. Immer dieses Sich-verhalten-Müssen, Da-sein-Müssen, Reagieren-Müssen. Ich brauche lange Phasen der Regeneration, die ich aber schwer finde. So bin ich immer auf der Suche nach dem Schlaf und der Bewusstlosigkeit. Weil ich Realität auf so lange Strecken nur schwer ertrage.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2011)

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