Halbleiter

Kristalle in Scheiben schneiden und ihr Wachstum vorhersagen

Siliziumcarbid ist ein vielversprechendes Material für elektronische Bauteile, die hohe Stromstärken kontrollieren müssen. Doch seine Herstellung ist energieaufwendig und kostspielig. Dem begegnen zwei österreichische Forschungsteams aus unterschiedlichen Perspektiven.

Computerchips arbeiten mit kleinen Spannungen und winzigen Stromstärken. Oft müssen mit elektronischen Bauteilen aber auch hohe Ströme kontrolliert werden wie in Ladestationen für Elektroautos oder in Umrichtern, die den Strom von Windkraft- oder Fotovoltaikanlagen an die Netzfrequenz anpassen. Und hier liegt die Krux. Denn für elektronische Halbleiterbauteile wird meistens Silizium verwendet. Das Material ist zwar relativ kostengünstig, allerdings ist es nur im Bereich niedriger elektrischer Spannungen einsetzbar. Treten hohe Spannungen auf, geht es leicht kaputt. Siliziumcarbid (SiC) – eine chemische Verbindung aus Silizium und Kohlenstoff – wäre dann die bessere Wahl. Es ist stabiler und gleichzeitig energieeffizienter. Aber: Seine Herstellung benötigt extrem viel Energie und ist sehr teuer.

Forschende der TU Wien zeigten einen Ausweg aus dem Dilemma: Mit einer speziellen Ätztechnik lassen sich aus einer Siliziumcarbid-Scheibe (Wafer) bis zu zwanzig Schichten herstellen, die sich dann alle für die Produktion elektronischer Bauteile verwenden lassen. Im Detail soll diese Technologie in einem nun neu eröffneten Christian-Doppler-(CD-)Labor ausgearbeitet werden. Unterstützt wird es von den Industriepartnern Umicore, einem Materialtechnologie- und Recyclingkonzern mit Sitz in Brüssel, und der EV Group, einem oberösterreichischen Hersteller von Prozessanlagen für die Halbleiterindustrie, Mikrosystemtechnik und Nanotechnologie.

Siliziumcarbid poröse machen

„Bei Spannungen über 650 Volt ist Siliciumcarbid eigentlich das optimale Material, allerdings ist seine Herstellung alles andere als nachhaltig“, erklärt Georg Pfusterschmied vom Institut für Sensor- und Aktuatorsysteme der TU Wien, Leiter des neuen CD-Labor für nachhaltige Siliciumcarbid-Technologie. „Die Herstellung von neun Silicium-Wafern mit einem Durchmesser von sechs Zoll benötigt heute rund 4500 Kilowattstunden, das entspricht ungefähr dem Stromverbrauch eines durchschnittlichen Haushalts in Österreich in einem ganzen Jahr.“ Angesichts dessen schmerze es, dass ein Großteil des Siliciumcarbids gar nicht verwendet wird: „Man muss die Wafer in einer gewissen Mindestdicke herstellen, weil sie sich sonst technisch nicht verarbeiten lassen. Aber die elektronischen Bauteile, die am Ende entstehen, sind meist viel dünner.“ Sprich bei vielen Elementen wird ein Großteil des Materials während der Herstellung entfernt und bleibt ungenutzt. Hier setzt das neu entwickelte Ätzverfahren an, mit dem das Siliziumcarbid in eine poröse, schwammähnliche Struktur umgewandelt wird. Erhitzt man die abgelöste Schicht mit winzigen Löchern auf einer Größenskala von Nanometern, reorganisieren sich die Atome und fügen sich wieder zu einem vollständigen Einkristall – ohne Löcher – zusammen, aber mit einer viel geringeren Dicke als vorher. Mit dem übrig gebliebenen Siliziumcarbid-Material des Wafers kann man dann dieselbe Prozedur wiederholen. Derzeit lassen sich durch diese Technik bis zu zwanzig dünne Folien ablösen, die jeweils für die Herstellung von Bauteilen genutzt werden können.

Kristallzuchtprozesse modellieren

Siliziumcarbid steht auch im Zentrum eines weiteren, kürzlich eröffneten CD-Labors an der Montan-Uni Leoben. Das Forschungsteam unter Leitung des Werkstoffwissenschaftlers Lorenz Romaner will neuartige Modellierungsmethoden für die virtuelle Beschreibung von Kristallwachstumsprozessen in der Halbleiterindustrie erarbeiten. Romaner verweist darauf, dass Siliziumcarbid gegenüber reinem Silizium nicht nur den Vorteil hat, dass es bei höheren Spannungen und Temperaturen betrieben werden kann, sondern auch, dass gleichzeitig außerdem höhere Schaltfrequenzen möglich sind und die Leistungsverluste merklich sinken.

Um die SiC-Kristalle in Serie herstellen zu können, braucht es präzise Vorhersagen ihrer Wachstumsprozesse. Im CD-Labor für Computergestütztes Design von Kristallzuchtprozessen werden dazu hybride Modelle entwickelt, welche physikbasierte und datengetriebene Modelle vereinigen. Firmenpartner ist die EEMVCO GmbH.

In Zahlen

50 Prozent weniger Wärmeverluste sind bei Siliciumcarbid-(SiC-)Halbleitern im Vergleich zu Silizium-Halbleitern möglich.

4500 Kilowattstunden
benötigt die Herstellung von neun Siliziumcarbid-Scheiben mit einem Durchmesser von circa 15 Zentimetern. Das entspricht ungefähr dem jährlichen Stromverbrauch eines österreichischen Haushalts.

10 bis 14 Tage beansprucht die Herstellung von SiC-Kristallen. Im Vergleich dazu dauert die Züchtung von Siliziumkristallen nur zwei Tage.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2023)

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