Botanik

Durstige Stadtbäume bekommen Probleme

Diese große Weide am Sonnenburgplatz in Innsbruck wurde inzwischen gefällt.
Diese große Weide am Sonnenburgplatz in Innsbruck wurde inzwischen gefällt.Citree
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Wie stark sind Bäume in Städten belastet? Wie wirkt der Klimawandel auf den Wassertransport im Inneren der Bäume? Diese Fragen lösen Forschende der Uni Innsbruck – auch mithilfe der Bevölkerung. Als Vergleich zur alpinen Stadt in Tirol dient Gent in Belgien, mit moderatem Klima.

Sie tun uns so viel Gutes, aber leicht haben sie es nicht: die Stadtbäume. Die Vorteile im urbanen Raum sind, dass sie Schatten spenden, das Klima regulieren, das Ortsbild verschönern und dafür sorgen, dass die Menschen sich wohlfühlen. Die Schwierigkeiten für einen Stadtbaum reichen vom eingeschränkten Wurzelraum über starke Temperaturschwankungen, Trockenstress, Schädlingsbefall, Salzbelastung bis zur schlechten Luftqualität. „Bäume in den Städten haben suboptimale Standorte“, sagt Stefan Mayr vom Institut für Botanik der Uni Innsbruck. Besonders der enge Platz im Wurzelbereich plagt die Pflanzen: Tiefgaragen, Unterbauten, Kanal, Leitungen und Kabel beschränken das Wachstum.

Aufbauend auf einem Sparkling-Science-Projekt mit Schulen etablierte das Team um Mayr ein Citizen-Science-Projekt: Bei „Citree“ können alle Interessierten in Innsbruck mitmachen und das Wachstum von Bäumen an der Innpromenade, dem Marktplatz und anderen Standorten bestimmen (www.citizen-science.at/projekte/citree). „Auf engem Raum ist das Pflanzenwachstum ganz unterschiedlich“, sagt Mayr. Oft entscheiden wenige Meter Entfernung, ob ein Baum flott oder langsam wächst. „Das liegt hauptsächlich an den direkten Bedingungen im Boden.“

Die Daten fließen in ein Projekt ein, das vom Wissenschaftsfonds FWF finanziert wird und sich dem Inneren der Bäume widmet. Grünes Stammgewebe heißen die Bereiche in den Stämmen und Ästen, die Fotosynthese betreiben: Sie versorgen das hochkomplexe System im Stamm, das Wasser und Nährstoffe von Wurzeln bis Blattspitzen transportiert. „Ein Baum pumpt ja nicht aktiv das Wasser von unten nach oben, sondern es wird durch Unterdruck angesaugt. Der Transport kostet also keine Energie“, erklärt Mayr. Je mehr Wasser an den Blättern verdunstet, umso stärker wird Wasser aus dem Wurzelbereich angesaugt.

Wenn der Durchfluss blockiert ist

Ist der Unterdruck zu hoch und die Wasserversorgung zu gering, reißt die Wassersäule in den Leitbahnen. Es entsteht eine Embolie: Eine kleine Luftblase blockiert den Wasserfluss. Das hat ähnlich böse Folgen für das Baumgewebe wie eine Thrombose in unseren Blutgefäßen. „Bisher ist nicht für alle Pflanzenarten bekannt, ob und wie eine Embolie wieder aufgelöst wird, um den Durchfluss zu reparieren“, sagt Mayr. Sein Team untersucht mit Sensoren und Tonaufnahmen (eine Embolie verursacht Geräusche im Ultraschallbereich) den Wasserfluss im Inneren unterschiedlichster Stadtpflanzen – im Topf und Labor, aber auch im Freien in der Stadt.

Eines der Experimente sieht lustig aus: Um die Bedeutung der Fotosynthese im Stamm zu erkennen, dunkeln die Forschenden diesen mit Alufolie ab und vergleichen das Stammgewebe mit den Kontrollbäumen, die keine Alu-Umwickelung an ihren Stämmen hatten. Die wichtigste Art, die in vielen Städten gepflanzt wird, ist die Platane. Der Fokus liegt auch auf Föhre, Buche, Birke und Eiche. Nicht nur in Innsbruck, sondern auch bei den Kooperationspartnern in Belgien: Gent liegt im Einfluss des atlantischen Klimas und hat weniger harte Winter als die Gebirgsstadt Innsbruck. So wird vor allem der Stress für die Bäume durch Frost und Salzstreuung im Vergleich dieser Städte sichtbar.

Vandalismus erschwert die Forschung

Für die Überwachung der Reaktionen ausgewachsener Stadtbäume auf Umwelteinflüsse möchten die Wissenschaftler – neben dem Einsatz moderner Messsysteme – auch wieder die Bevölkerung einbinden. „Aber leider haben wir in den Städten ein Problem mit Vandalismus. Schon die einfachen Bänder zum Dickenwachstum aus dem ,Citree‘-Projekt werden oft beschädigt und abgerissen. Wenn wir teure Geräte wie Dendrometer installieren, müssen wir das weit über Kopfhöhe machen, damit nichts beschädigt wird“, so Mayr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2023)

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