Bruno Kreisky? "Er war ein kleiner Herrgott"

Bruno Kreisky kleiner Herrgott
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Die vormalige "XXXLutz"-Oma und 14 weitere Senioren erinnern sich für DiePresse.com an einen Bundeskanzler, "der Pfarrer hätte werden können".

Auch kurz vor seinem 100. Geburtstags ranken sich Mythen um den "Sonnenkönig". Doch wie wurde Bruno Kreisky zu seiner Amtszeit vom Volk erlebt? DiePresse.com ging dieser Frage keine 50 Meter von der alten Kreisky-Villa enfernt in Wien-Döbling nach. In der Seniorenresidenz, schräg gegenüber des einstigen Zuhauses von Österreichs längst dienendem Bundeskanzler, erinnern sich 15 Bewohner gemeinsam an die Ära Kreisky - und schildern teils berührende Begegnungen mit einem Menschen, der für viele von ihnen mehr als nur ein Politiker war.

"Er war noch ein Sir"

Im vierten Stock der Seniorenresidenz bricht Gelächter aus, ungläubig sehen die Senioren den "Moderator" der Runde an. Er hatte sich erkundigt, ob sich nicht doch irgendein Vergleich zwischen Kreisky und SP-Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) ziehen lässt. "Ich hab ihn nie gewählt, aber der Kreisky war halt noch ein Sir", sagt Emilie Kopp. "Auch im Umgang mit politischen Gegnern." "Von dem könnten sich heutige Politiker etwas abschneiden", ist in der Runde zu hören. "Er war nicht so schleimig und ist zu seinem Wort gestanden."

"Lutz Oma" Trude Fukar (links), Kreiskys Arzt Dr. Stellamor

Den Einwand, dass der "Sonnenkönig" trotz seiner Ankündigung nach der verlorenen Abstimmung über das AKW Zwentendorf nicht zurückgetreten ist, lässt man nicht wirklich gelten. "Obwohl ihm das das 'Gnack' gebrochen hat", ist eine der Pensionistinnen überzeugt.

Egal welche Frage man in die Runde wirft, was der Großteil loswerden will, läuft fast immer auf den Menschen Kreisky hinaus. Mit realpolitischen Detailergebnissen der 13-jährigen Amtszeit Kreiskys  - ob gut oder schlecht - hält man sich in der Rückschau kaum auf.

Ist es also Kreiskys Vermächtnis, als eine Art "Role Model" für den Wunsch-Politiker der Österreicher gedient zu haben?

Nicht nur. Vor allem Kreiskys geschickte Auftritte auf dem internationalen Parkett scheinen der von den Kriegswirren gezeichneten Generation ein Gefühl der Sicherheit vermittelt zu haben. Etwa als Kreisky den späteren Präsidenten der palästinensischen Autonomiegebiete, Jassir Arafat, "miteinbezog", erinnert sich Trude Fukar, bis vor einem Jahr noch die "Lutz Oma" in der TV-Werbung.

"Kreisky hätte Pfarrer werden können"

Der Jude mit den Maßanzügen aus großbürgerlichem Hause sei außerdem "so sozial gewesen, dass er Pfarrer werden hätte können", sagt der ehemalige Parteigenosse Helmut Kloibhofer - unzweifelhaft ein großer Verehrer Kreiskys. Einmal im Monat habe er den damaligen Kanzler getroffen. "Schau Helmut", habe Kreisky einst zu ihm gesagt, "mein größter Wunsch ist es, die Menschen zusammenführen, so eine Spaltung wie 1934 darf es nie wieder geben". Der Sozialist Kreisky hatte 1934, nach Ausbruch des Austrofaschismus, eineinhalb Jahre hinter Gitter verbringen müssen.

In den Augen des alten Parteigenossen Kloibhofers war Kreisky dann auch "eine Vaterfigur für das Land." Die meisten der 15 Senioren nicken. "Ein kleiner Herrgott", setzt Kloibhofer nach. Dr. Georg Schreiber, einem nach eigenen Angaben "echten Großbürgerlichen", geht das dann aber doch zu weit:  "Na aber jetzt hören's doch auf." Kreisky war dem Akademiker - wie alle anderen Sozialisten -  "schlicht egal".

Kreiskys Arzt: "Er war großartig"

All jene, die ihn persönlich getroffen haben, sprechen an diesem Vormittag aber mit Hochachtung vom Bundeskanzler Kreisky - und das Publikum ist überwiegend bürgerlich. Die Erinnerungen der Senioren decken sich mit zahlreichen Berichten über die Gabe Kreiskys, Menschen aller Schichten im persönlichen Gespräch für sich zu gewinnen. "Da war er großartig", findet auch Dr. Kurt Stellamor, der den längst dienenden Bundeskanzler der zweiten Republik als Arzt behandelt hat und heute die Seniorenresidenz bewohnt. 

Bruno Kreisky starb am 29. Juli 1990 nach langer Krankheit. Zuvor hatte er sich mehrmals in sein Ferienhaus auf Mallorca zurückgezogen. Pensionistin Theresia Moudry war mit einer Reisegruppe dort - und tief berührt von Bruno Kreisky: "Er hat uns begrüßt und für uns eine Rede gehalten, da war er schon schwer krank", erinnert sie sich. "Es fühlte sich wie ein Abschied an."

(jst)

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